Pessimistische Lyrik

Salzteig

Beitragvon Antibegone » Sa 31 Jan, 2009 17:47


[size=50:2dcxl38g]Version I

Fingernägel stechen
In der brust
Formen aus
Teig klumpen
Gehen im ofen auf
Und davon
Kann ich naschen
Zwischen rund und blech[/size]


Version II

Finger stechen aus
__Der Umlaufbahn
__Formen aus
__Teigkugeln
__Gehen auf
__In blech rund gelegt
__Mich verschluckend
Nägel stecken in
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Re: Salzteig

Beitragvon exmaex » So 01 Feb, 2009 01:27


hej traumwaechterin,

form:
herrausstechend bei der textkürze sind die majuskel, die eig. keinen offensichtlichen wert besitzen. oder doch? sie könnten ja als akrostichon dienen... FIFTGUKZ... ne, lieber nicht. vllt. könnten aus "formen" tatsächlich "Formen" werden? macht aber nur bedingt was her. zumal die restlichen substantive auch flach gehalten werden und keine interpunktion zur anwendung kommt. dienen sie also letztlich nur dem anzeigen der versanfänge?

titel:
Salzteig ist an sich ein recht schönes wort. als kind habe ich teig immer mit etwas klebrig süßem in verbindung gesetzt und war fast geschockt, als ich vom salzteig erfuhr. ein klumpiger, dehn- und formbarer batzen, der besser nicht roh genossen wird; ein per se unfertiges ding, das seine bestimmung erst durch "backen" erfüllen kann.
salz, von mir natürlich auf den ersten oberflächlichen blick sofort mit tränen und schmerz assoziiert lässt schon eine gewisse unnennbare (hehe) erwartung an den inhalt aufkommen.

inhalt:
ich lese (global gesehen) einen ganzen teiglebenszyklus: kneten, spielen, backen, fressen.
mit einer (subjektiv gefühlten) affinität zum infantilen, aufgrund des wortes "naschen", was ich selbst kaum verwenden würde.
im detail: "fingernägel stechen". es gibt imho nicht sehr viel, was fingernägel so (normalerweise) tun (können): wachsen, aussehen, kratzen, stechen, drücken, brechen/reißen. hier hätte der einstieg schon interessanter gestaltet werden können, in dem man die nägel etwas weniger normales hätte tun lassen. die zweiwortlänge des verses lässt aber auch nicht sonderlich viel zu.
dann die überraschung: "in der". die finger also inner-, nicht außerhalb. die erste verbindung zur rubrik kristallisiert. das Ich hat zumindest ein problem, vllt. schmerzen. oder ist mit "brust" der teigkörper gemeint?
teig wird also geformt, oder es sind teigFormen. jacke wie hose und unnötige verwirrung durch die großen versanfänge.
die aufgehenden teigklumpen bieten metaphorisch ein gutes bild, das du besser hättest umschmücken können. die erwähnung des ofens ist sehr unnötig und zurück bleibt das gefühl einer unbemerkten ellipse in den versen vorher, weil mir die leseweisen (auch aufgrund der kurzen verse) nicht sonderlich behagen:
"Fingernägel stechen / in der Brust, formen / aus Teig Klumpen,/ gehen im Ofen auf..."
welchen zweck brennende fingernägel verfolgen, erschließt sich mir nicht.
eine andere ulkige leseweise ist:
"Fingernägel stechen Inder. Brustformen aus Teigklumpen gehen..."
nunja, etwas albern, aber muss ja auch mal sein.
die doppellesbarkeit des "und davon" lässt nochmal kurz aufhorchen, entpuppt sich aber nur bedingt als interessant. außerdem entsteht hier eine semantische und leserliche zäsur durch die beiden imho verschienen davönner.
davon nascht es. zum zweiten mal wird die erwartungshaltung getäuscht. salzteig und naschen kann ich nur unter vorbehalt miteinander vereinen. hier also ein salzpropagierendes wahrnehmungsgestörtes Ich?
zwischen rund und blech. hm. rund sagt mir leider gar nichts, weshalb mir die ortsangabe, wo das Ich vom salze nascht, mein verständnis auch nicht erhöht.

zusammenfassend gibt es zwei drei kleine stellen, die etwas hervorblitzen lassen, das ich nicht verstehe, das sicherlich mit der rubrik zu tun hat und den text in eine von mir nicht entdeckte ebene heben könnte. vom jetzigen standtpunkt aus, finde ich es jedoch schlicht und selten interessant. einige zeilenumbrüche zerbrechen auch die logik. die großbuchstaben nerven.

gute nacht, x


p.s./edit: jetzt im nachhinein assoziiere ich ein klein wenig brustkrebs in die ersten verse, was ich aber auch nicht eindeutig belegen kann, da es mit dem rest nicht wirklich zu passen scheint. (?)
irgendwie
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Re: Salzteig

Beitragvon Antibegone » Mo 02 Feb, 2009 13:18


huhu exmaex :-)


Ich danke dir sehr für die intensive Beschäftigung mit meinen Zeilen und für deine Kritik.

zusammenfassend gibt es zwei drei kleine stellen, die etwas hervorblitzen lassen, das ich nicht verstehe, das sicherlich mit der rubrik zu tun hat und den text in eine von mir nicht entdeckte ebene heben könnte. vom jetzigen standtpunkt aus, finde ich es jedoch schlicht und selten interessant. einige zeilenumbrüche zerbrechen auch die logik. die großbuchstaben nerven.


Die angeführten Punkte finde ich auf jeden Fall nachvollziehbar und es leuchtet mir ein, was dir nicht gefällt.

Ich weiß es zu schätzen, dass du dich trotzdem so detailliert damit auseinander gesetzt hast. Das hilft mir zu verstehen, wo das Problem liegt.

Die Thematik hast du übrigens über den Titel sehr richtig erschlossen; schade, dass gerade die Stellen (von denen du ja auch sagst, sie blitzten hervor) ihre Wirkung nicht so entfalten können, wie ich es mir gewünscht hätte.

Schätze ich muss mich noch einmal eingehend mit dem Text beschäftigen, um die Punkte heraus zu heben, die mir wichtig waren.

Liebe Grüße und nochmals Vielen Dank,
Traumi

PS: Hm, der Gedanke mit dem Brustkrebs ist interessant. War aber nicht gerade der, der mich beim Schreiben beschäftigt hätte.

PPS: Ich habe es mal überarbeitet. Aber irgendwie beschleicht mich das Gefühl, es dadurch nicht unbedingt besser gemacht zu haben. hmm, habs trotzdem mal gepostet, vielleicht ist es ja minimal besser :-)
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