Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik

unvermutet

Beitragvon apnoe » Sa 07 Mär, 2009 14:10


der alltag klebt in fetzen
am absatz
umgedreht
ziehst du nicht den kopf aus
dem morast am gegerbten
fell keine haare zuviel haut
über der brust gefaltet
halten die nieten nicht
das kreuz im rücken
und nicht ihr versprechen
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
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Re: unvermutet

Beitragvon Perry » Di 10 Mär, 2009 16:34


Hallo apnoe,
also unvermutet scheint mir hier wenig. Im Gegenteil, das Wegwerfende,
Sich-aus-dem-Staub-Machende ist allgegenwärtig zu spüren. Wobei ich hier nur ahnen, nicht wissen kann, um was es wirklich geht.
LG
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Re: unvermutet

Beitragvon Le_Freddy » Mi 18 Mär, 2009 22:54


(Ebenfalls, aus dem Wettbewerb)

Hi apnoe,

ich veruche mich einmal lngsam zu nähern.
Als stärkster Eindruck bleibt nach dem ersten bis zweiten Lesen eine Kreuzigung, viel mehr keine Kreuzigung "halten die nieten nicht / das kreuz im rücken".
Außerdem der Kontrast zwischen "fell" und "keine haare".

Gehen wir also noch einmal von vorne an das Gedicht heran. "der alltag klebt in fetzen / am absatz" mir erscheint also ein zertretener und zwerstörter Alltag, was ich mal als positiv bewerten würde.
Das wird aber dem "klebt in fetzen" gegenübergestellt; eine widerwärtige vorstellung.
"am absatz / umgedreht" erinnert an eine Kehrtwende (~sich auf dem absatz umdrehen) und das geschieht dann ja auch, du verwendest diese zwilen wie ein "andererseits:" "ziehst du nicht den kopf aus / dem morast".

Insofern: "unvermutet" - der Titel bewahrheitet sich. Das dann ein gegerbtes (?) - ich denke man gerbt häute - fell ohne haare dazu gesellt ist ebenso unvermutet; sowohal das bild als auch, das auftauchen.
"halten die nieten nicht / das kreuz im rücken" - wie gesagt die kreuzigung... ebenso unvermutet für mich.
"und nicht ihr versprechen", lässt vermuten, dass in der achten Zeile irgendwelche Personen als "Nieten" bezeichnet werden was sich dann selbstverständlich damit decken würde, dass dein Gedicht unter "Zwischenmenschliches" gepostet wurde.

Alles in allem deutet es eine gewisse Enttäuschung durch die "Nieten" an, wohl weil sie Unvermutetes tun.
Aber am unvermutetsten blieben für mich immer noch das Kreuz und das Fell, ich denke sie überschatten - oder besser: überblenden die Szenerie zu sehr.

amicalement
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Re: unvermutet

Beitragvon Franz » Fr 10 Apr, 2009 11:16


Hey apnoe,

ich bin ebenfalls schon öfter um diesen Text geschlichen, habe aber nicht so recht den Faden gefunden, und ehe ich mich zum Deppen mache lieber gar nichts vom Stapel gelassen :D
na mal schauen was ich fabriziert habe:

der alltag klebt in fetzen
am absatz


hier würde ich dem Absatz etwas abgehaktes andichten, denn anscheinend ist er 'durch', bzw. 'hast du ihn durch', denn sonst würde er nicht am Absatz kleben.
Ob dieses kleben positiv oder negativ zu werten ist, kommt mir hier noch nicht durch. Auch die nächste Leseart

am absatz
umgedreht


lässt noch nicht vermuten was du hier sagen möchtest. Am Absatz kann man ja umdrehen weil sich etwas wieder widmen möchte, oder weil man sich
etwas dann doch nicht widmen möchte.
Erst die nächsten Verse

ziehst du nicht den kopf aus
dem morast

lassen wohl auf ein negatives schließen. Dein lyr. Ich hat den Kopf allem Anschein nach im Morast versteckt, oder zumindest stecken.
Das es ihn aber nicht wieder herauszieht könnte hier nun heißen, dass es sich vor etwas versteckt/verstecken möchte, was ja irgendwo
zum Gedichtanfang passen würde. Dieser würde dann wohl etwas negatives angehängt bekommen, und würde nicht mehr als neutral im Raum stehen.
Man könnte dem Geschehen hier etwas resignierendes anverleiben, denn dein lyr. Ich scheint auf etwas keine lust (mehr) zu haben. Das Resignierende
kommt durch den Morast ins Spiel, denn das worauf es nicht mehr möchte kann wohl nicht so dufte sein, wenn es doch 'Morast ist'.

(Hier muss wohl eingeworfen werden, dass es nicht so leicht ist einen faden in deinem Text zu finden, da die Lesearten die deine Verse zulassen
doch mehr als nur manigfaltig sind...)
die nächste Sichtweise

morast am gegerbten
fell

deutet wieder auf eine negative Weise der Dinge. Das gegerbte Fell ist dann wohl die sprichwörtlich dicke Haut die man in schweren Situationen
bewahren sollte. Der Morast, der ja aus dem Vorherigen etwas resignierendes an sich hatte, nimmt dem ganzen Bild nun die Stärke, und deutet
auf Schwäche welche in deinem lyr: Ich aufzukommen scheint oder bereits vorhanden ist

am gegerbten
fell keine haare (zuviel)


das kann ich nun ganz und gar icht einordnen. Die Haare sollten ja nach dem Gerben ncht mehr vorhanden sein. Soweit bin ich schon.
Liest man aber z.B. das zuviel mit, so erhält man das Bild vom gegerbten Fell das aber Haare hat..., *?*

zuviel haut
über der brust


hier könnte man den Faden fast wiederfinden, indem man sagt, dass einfach zu viel haut über der Brust, also auch über dem Herzen ist.
Dies würde sich etwaiger Gefühlsduselei entsagen, und könnte hier vielleicht heißen, dass du dich in deinem Kopf im Morast zu sehr
abschottest, oder drgl...

über der brust gefaltet
halten die nieten nicht
das kreuz im rücken
und nicht ihr versprechen


die Nieten scheinen hier irgendwo aus der zu vielen Haut über der Brust hervorzugehen, und sollten wohl von Hause aus etwas Stärkendes
darstellen, was nicht den Tatsachen entsprach. Dies würde schon dem Ttel entsprechen, aber auch nur in zurechtgedichteten Maßen,
was mich gerade zeimlch nervt.

Sollte ich den Text jetzt zusammenfassen nachdem ich versucht habe Licht für mich ins Dunkel zu bringen, hätte ich hier das Bild eines Lyrichs welches sich einer bestimmten (vielleicht schon vergangenen) Situation abwenden will, und dies aber nicht so recht schafft. Es kann sich noch schroff ein dickes Fell zulegen - sogar bis es wehtut - aber letztlich scheint dies nicht zu halten was es anfänglich an Idee inne hatte. Irgendwie so zumindest ... ?(

Was mir bis hier hin nicht so gefallen mag sind die schroffen Umbrüche in Vers zwei und drei. Hier hätte ich sicher versucht das un- an das Versende zu stellen,
und mit dem gedreht im dritten Vers weiterzuarbeiten. Könnte man sicherlich spaßiges bei rausholen! Die Haare finde ich fast zu viel, das aber sicher auch nur weil ich sie nicht einordnen kann, sonst würde ich sagen, dass sie sonst nirgends aufgegriffen oder näher erläutert werden. Ich denke du aber weißt sehr wohl was du hier sagen wolltest und um den Sinn und Zweck 'deiner' Haare.

Joa, viel Rede wenig Sinn und vielleicht kommt doch noch etwas von deiner Seite
denn gespannt wie ein Flitzebogen bin ich schon über nähere Ausführungen zu deinem echt nicht schlechten Text. Banales oder Naheliegendes kann ich nicht finden. Der angesprochene Morast ist sicher kein Highlight aber auch nicht so schlecht, als das man ihn banal nennen könnte.

So, jetzt reichts, ehe ich mich noch festquatsche

alles Liebe vom franz
[size=85:1uy1zthl]>> [/size]Jetzt kann man schreiben was man will

[size=85:1uy1zthl]Oskar Pastior *1927 †2006[/size]
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Re: unvermutet

Beitragvon Rando Reinhardt » Fr 12 Jun, 2009 14:44


unvermutet hin oder her.....am absatz klebt immer irgend n scheiß und wie ich hier so sitze und mir den ketchuprest aus den brusthaaren wische, muss ich sagen, mag das gedicht und kommt mir jetzt nicht wieder von wegen "nicht konstruktive kritik"
Wenn die Sache irre wird, werden die Irren zu Profis
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Re: unvermutet

Beitragvon apnoe » Mi 26 Aug, 2009 08:12


nö, rando, sicher nicht. du darfst hier gerne deinen senf, äh das ketchup, herkleckern. ich versteh schon und konstruktiv waren ja schon einige andere.
war lang nicht da.
jetzt muss ich mich erst mal durchwühlen durch so viel text zu meinen paar zeilen.
freu mich darüber und danke allen, die sich die mühe gemacht haben.
lieben gruß
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