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parerga und paralipomena (oder: einen an der rassel haben)

Beitragvon Drehrassel » So 28 Feb, 2010 04:12


"someone' s built a candy brain
/ and filled it in" (billy idol - SWEET SIXTEEN)


Was denn bitte rühmen, was beklagen
wurzeln unsre ohren nicht im schlick
? marmormäuler sprudeln ihre fragen
mit dem ewig selben [d:2gpgjavo]trüben[/d:2gpgjavo] dunst
................................. verhangnen blick

Bläht ein gott die brust gesalbter seelen
waldes schwarzer groll und stadt-poem
will der welt die letzen worte stehlen
ein taschenspielertrick, ein theorem

Gestern grinsten fenster noch verrat
bürgern flog vom spitzen kopf der hut
bilderstürmer formzerfallen, TAT
in der tempel ruch: proletenblut

Senge dann auf äckern wüster sagen
wucherungen ranken trotz und tod
bei den finstern donauufern lagen
unbeflaggte flotten, herodot,

Endlich steht der mensch auf einem bein
bambusflöten flötend: ich und du
in den fäusten mispelzweig und stein,
stürzt vom strick des seins der sonne zu.
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
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Re: parerga und paralipomena (oder: einen an der rassel habe

Beitragvon Drehrassel » Mo 01 Mär, 2010 21:22


hi kpc,

ja, das ist schon... ziemlich dick aufgetragen, einerseits, und andererseits, da gebe ich dir recht, merkwürdigerweise ebenso etwas entttäuschend, in der dritten strophe ausgerechnet van hoddis' "weltende" zu zitieren. besonders dick aufgetragen auch vor allem deshalb, weil es mit dem ersten vers dieses abschnitts ein couplet aus fast direkt übernommenen zitaten bildet, an dieser stelle also fast schon mehr collage anstatt montage ist. (nur der form halber, dir werde ich es nicht sagen müssen: august stramm, "patrouille"). mir war die gefahr dabei auch bewusst, hier ein augenrollen zu provozieren bei allen, die wissen, wie oft ausgerechnet "weltende" im besonderen schon zitiert, persifliert und paraphrasiert worden ist. dennoch - was soll ich sagen? - ich konnt' nicht anders und weiß nicht, wieso...

zu deinen "randnotizen" und "formalen sachen": selbst wenn man "herodot" mit langem "o" spräche, wäre es an dieser stelle ein unreiner reim. ich glaube aber darüber hinaus, ebenso wie du, dass man es mit "kurzem o" spricht, wie in "dotter" oder so ähnlich. aber auch hier galt: ich konnte nicht anders. mir gefiel der ziemlich unreine reim an dieser stelle trotzdem, und außerdem, dass die reim-silbe eine genaue umkehrung der buchstaben ihres pendants aufwies/aufweist.

"baal besser als gott": kann sein. weiß nicht, überlege ich mir. allerdings gefällt mir klanglich "gott" besser. zwar scheue ich generell nie zurück vor auch noch so penetranten stilmitteln; hier aber - wiederum kann ich es nur mit meinem gefühl begründen - gefiele mir die alliterartion aus dreimal "b" (bläht baal brust) nicht. [es sei denn, mir würde es irgendwie gelingen, an einen weiteren autoren des expressionismus/dadaismus damit ferne zu erinnern, hugo baal. :D )

"ruch": keine ahnung. kam mir einfach so. am wahrscheinlichsten erscheint mir seine funktion als einer art archaismus oder so. alles weitere war mir nicht bewusst. an "nachtcafé" habe ich dabei nicht gedacht (kommt das darin vor? glaube nicht, oder?). auch kannte ich die zusätzliche bedeutung davon als "schamhaar" nicht. was aber super ist! :D danke für die info! -

/ ansonsten hast du dich dem gedicht gut genähert, im sinne von: so oder so ähnlich hätte ich es vielleicht auch getan. vor allem, dass bei dir die anti-chronologische abfolge der bilder rüberkommt, freut. außerdem natürlich dein grundsätzliches gefallen am text. -

untertitel: "oder: einen ander rassel haben" ist nonsense. das sollte ich wohl streichen. /

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Re: parerga und paralipomena (oder: einen an der rassel habe

Beitragvon Drehrassel » Di 02 Mär, 2010 00:12


[quote="kpc":1h5p06ay]
formzerfallen, tat
in der tempel ruch: proletenblut


das löste meine assoziation aus; zerfall ist ein gern verwandter term gewesen, aber benn hat ihn wohl am stärksten geprägt, weshalb ich etwas getriggert war...[/quote]

ja. so grundsätzlich, so einerseits. das hatte ich auch so in etwa im sinne + leiseste anspielungen auf dies hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kunstlump


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