Pessimistische Lyrik

nicht zu dir

Beitragvon turmfalke » Mo 09 Aug, 2010 18:26


ich blute worte
zerre wundränder zu
kratern, zerreiße mich
kehre mein inneres
heraus. kotze mein leben
auf trockene erde.
kratze alte nähte auf
sieh, sieh hin. denn du

liegst mir im magen
kann nicht vor nicht zurück
nicht zu dir
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Re: nicht zu dir

Beitragvon Le_Freddy » Mo 16 Aug, 2010 22:01


nabend turmfalke!

mich befällt kritiklust! (vllt. ist es auch nur die unlust, sonstige für mein fortbestehen zumindest nicht unwichtige dinge zu erledingen (morgen...) in verbindung mit dem chatvakuum...) und dann kommt das hier auf mich zu. ein text, bei dem ich zumindest sehr sicher glaube etwas zu sagen zu haben.

die bildebene! gut konstruiert und mal was anderes als meine hand in deiner und ich bin in dir und du in mir oder auch "du träumst mich, ich dich" (neubauten). ein so romantisches bild aufgegriffen und so verzerrt - nein eigentlich nicht verzerrt - eher ausgelegt, dass der effekt total verkehrt wird. die entlarvung eines "dû bist beslozzen / in mînem herzen," (man kennts doch wohl?) als irgendwie ekelhafte vorstellung. und diese verkörperlichung wird schon allein dadurch geschaffen, dass der/die "geliebte" plötzlich im magen lokalisiert ist. unterstützt wird der ekelmoment durch das was man alles mit dem magen machen kann, und wie man an das rankommt was so in einer bauchhöhle liegt. (assoziation: kaiserschnitt!)
also: bravo. großes tennis.
die sprache reißt mit, und führt konsequent durch den text. mit erfahrbarem maximum: "sieh, sieh hin. denn du". ich bin begeistert. und dabei ist das alles so simpel, so eingängig und irgendwie auch schnell ausgeschöpft. aber enOrm einprägsam umgesetzt!

einzig die zweite zeile scheint mir in ihrem zustand nicht gut. "reiße wundränder zu / kratern..." hier denkt man natürlich erst die wundränder würden zusammengerissen - und denk "hä? achso, krater! "zu / kratern!"" ja. und das halte ich für vollkommen überflüssig. schreib lieber: "zerre wundränder zu kratern, / zerreiße mich" und aufgrund der ähnlichen semantik der beiden zeilen hielte ich hier eine stärkere zäsur für notwendig. ein Doppelpunkt gefiele mir ausgesprochen.

ansonsten supermegahyper!
gerne gehabt
fred

[edit: das scheint nicht nur so. und soll auch nicht nur so wirken. ich kam wirklich kaum mit dem tippen hinterher. einer der schnellsten und kindisch-freudigsten kommentare meines forenlebens, würde ich meinen.]
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Re: nicht zu dir

Beitragvon turmfalke » Fr 20 Aug, 2010 22:16


lieber fred,

ich bedanke mich sehr herzlich für diese kritik. tut gut, nach so langer zeit mal feedback zu bekommen – dazu noch gutes. ehrlich, balsam für meine seele.
und ja, ein verkehrtes bild, ein nichthaben und viel zu sehr spüren, so sehr spüren, dass einem schlecht wird und man nicht atmen kann. meine muse hat mich nach sehr langem scheintod mal wieder heimgesucht und ich konnte endlich wieder etwas hinschreiben... deshalb freut es mich so, dass es auch noch gefällt.
mit der änderung von v.2 kann ich mich noch nicht so recht anfreunden... der gedanke war ein: wundränder zuzerren, also krampfhaft wieder verschließen, aber dennoch noch tiefer reißen, denn egal, in welche richtung man will und wie man das leid auch vermeiden will, es bohrt sich nur tiefer und wird zu unüberwindbaren kratern. aber ich überleg mir das. vielleicht fällt mir auch noch eine weitere variante ein.
und wie meintest du das mit dem doppepunkt? hinter "kratern" oder hinter "zerreiße mich"?

und ansonsten freu ich mich einfach weiter über so eine nette antwort von dir und hoffe, dass meine muse sich bald noch mal blicken lässt... :]

allerliebste grüße,
falke
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Re: nicht zu dir

Beitragvon Le_Freddy » Fr 20 Aug, 2010 23:18


hi ncohmal,

ich meinte:
"zerre wundränder zu (/) kratern:(/) zerreiße mich"
(wie gesagt, den zeilenumbruch hätte ich anders gesetzt. denn:)

der text lebt zwar von den doppeldeutigkeiten*, aber dieses "wunden verschließen", dass jetzt in der 2ten zeile steht, muss nicht sein, egal wie man das verstehen will, denn das "sich schaden mit dem versuch sich zu nützen" ist auf jeden fall schon drin, und viel besser pointiert.
(eben dadurch, dass wir nicht wissen, wie das li und ld zueinander in beziehung stehen, so wie ich verstehe, dass du die 2te zeile verstehst, macht mir das sogar eher noch was kaputt. denn dann weiß ich ja, dass das li das ld liebt und nun traurig ist, dass es verlassen wurde o.ä. - damit wäre es ein ganz hundsgemeines, trauriges liebesgedicht. - ob da jemand jemanden (vllt noch oder nichtmehr) liebt darf in dem text nicht klar werden.)

*(romantisches bild <-> dessen perversion, sowie die tatsache, dass man nicht so ganz weiß warum das lyr ich schippelt. will es die/den "geliebten" aus sich raus, von sich weg haben? oder ihn/sie auskotzen bzw, sich bis zu ihm/ihr durchwühlen um bei ihm/ihr sein zu können? undundund das alles bleibt uns verborgen.)

lg
f
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