Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Le_Freddy » Fr 22 Jul, 2011 09:25


am boden fand sich nichts / nichts das er
gebraucht hätte das er sich zu finden
erhofft / sich gewünscht hätte & auf

seiner reise von belang
_________da fand sich am boden nichts
als die trümmer einer zeit den ausschuss
nach unten gewandt / staub in der fresse

der bodensatz weit gespannter brücken

_________
vögelein die aus dem nest
die fanden am boden nichts die rotkehlchen

nichts das ihnen geholfen hätte


aussatz ein exil / gebaut wie eine insel &
wie eine sandbank deren boden man
nicht erwartet hätte / aus dem nichts
da ist meine Heimat, mein Bergisches
Land“
_____aussatz ein exil gebaut & da fand
man am boden nichts / festgefahren das
schiff zerborsten kein tiefer grund nur
ein boden ein stopp knapp über der ober
dem horizont
_________
am boden fand sich nichts.

___
die audio gibts hier!
Zuletzt geändert von Le_Freddy am Do 04 Aug, 2011 21:19, insgesamt 5-mal geändert.
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit.
(DichterFürst1616)

Für diesen Beitrag hat der Autor Le_Freddy Empfehlungen bekommen 5
Anna Lyse (Do 04 Aug, 2011 22:08), LAS (Mo 01 Aug, 2011 02:21), Neruda (Fr 29 Jul, 2011 00:40), rivus (So 24 Jul, 2011 21:01), Smilodon (Di 04 Mär, 2014 16:13)
Benutzeravatar
Le_Freddy
foll-uschi
Moderator a.D.
 
Beiträge: 525
Registriert: Do 22 Jan, 2009 15:27
Wohnort: R'lyeh
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon rivus » Fr 22 Jul, 2011 17:21


hey fred,
danke für das einstellen deines textes. ich hoffe, hier schreiben mehr als dieser manchmal vermaleideite rivus, denn ich finde diesen text persönlich merkenswert. auf jeden fall, zu späterer oder früher morgenstund, werd ich zumindest meinen interpretatorischen ansatz dir hier noch kund tun.


lg
r
Benutzeravatar
rivus
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2989
{ IMAGES }: 0
Registriert: Sa 27 Sep, 2008 09:19
Wohnort: Am Rand der Welt
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Antibegone » Fr 22 Jul, 2011 19:00


In dem ganzen Gedicht gibt es nur ein finites Vollverb, das zudem im selben Gefüge immer wieder auftaucht. Das meiste sind Zustandspassive und/ oder diese als Konjunktive. Es gibt kaum Bewegung. Nur ein starres Inventar von Gegenständen aus Natur/ Technischem. Jede Bewegung, die vollzogen ist, ist ein Suchen (was ich voraussetze, weil es einem Finden vorhergehen muss, selbst wenn eben dieses verneint wird), das in „nichts“ endet. Ziemlich „grund“-los das Ganze, tief geht es nicht, es reicht nur bis zum „Boden“. Das, was war, zersetzt sich und lagert sich auf eben diesem Boden ab. Gleichzeitig dieses: Eine Gewalttat gegen den Menschen (Staub in der Fresse).

Im Grunde eine Parodie einer Ringkomposition. Der Vers steht zwar an Anfang und Ende, aber es verändert sich nichts, wenn man von oben nach unten (oder unten nach oben) liest. Für mich jedenfalls nicht; es sei denn man wollte ihm im Explizieren dessen „Stopp“ – „Festgefahren“ – „zerborsten“ sehen, aber das scheint mir keine Entwicklung. Heimat und Exil stehen sich natürlich sehr gegenüber. Auch das Zitat ist in der zweiten „Strophe“ auffällig – ob man es als Widerspruch lesen sollte? – Das muss nicht, denn die installierte Stimme muss keinen selbigen Zeitzustand beschreiben, wie die „Exilzeit“ (babylonisches?). Die Wiederholung verkommt in eine Monotonie. Die aber gerade durch die doppelten Zeilenumbrüche (Ich meine den eigentlichen Zeilenbruch am Ende der Zeile und den installierten mit dem Spiegelstrich) aufgelöst wird, weil die Betonungen in der Schwebe gehalten werden (jedenfalls für mein Lesen).

Was bleibt? – Nichts.
So verbleibt,
Antibegone.
Benutzeravatar
Antibegone
Gegen Begonien
Etabliert
 
Beiträge: 432
Registriert: Mo 21 Mär, 2011 21:27
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon struktur-los » Fr 22 Jul, 2011 20:02


Hallo Freddy,

schön, dass du dieses zuvor nur vertonte Gedicht, hier noch einmal zum Lesen eingestellt hast. :)

Zum Zitat von Antibegone "Was bleibt? – Nichts." möchte ich sagen, Nichts kann auch Alles sein, und um ehrlich zu sein, "Nichts" gibt es für mich persönlich nicht, nicht wirklich.

Wenn es "Nichts" gäbe, würde man dann darüber schreiben?

Normalerweise hinterlassen vertonte Gedichte bei mir immer ein stärkeres Empfinden, als unvertonte. Bei diesem ist es genau umgedreht. Das, was ich bei der Vertonung nicht finden kann, erspüre ich hier leserlich sehr gut.

Und das...

aussatz ein exil / gebaut wie eine insel &
wie eine sandbank deren boden man
nicht erwartet hätte / aus dem nichts
da ist meine Heimat, mein Bergisches
Land“


sagt mir, dass das hier unbenannte Lyr-Ich die Erfahrung machte, dass zumindest die Suche Aufschluss darüber gibt/geben kann, was überhaupt gesucht/erhofft/gewünscht wird. Hier wird sich das Lyr-Ich also seiner Ansprüche bewusst, seiner inneren Bedürfnisse. Ohne dieses Suchen, wäre er wohl nie darauf gestoßen. (... auch Nichts? ;) )

Zudem glaube ich, wird hier der doch so weiche und gefühlvolle Kern des Lyr-Ichs durch äußere Coolness überspielt. Siehe...

staub in der fresse


Ja, und zur Aussage:

__am boden fand sich nichts.


kann ich nur sagen: Manchmal lohnt es sich, den Blick ein wenig zu heben.

Das nur rein interpretatorisch, assoziativ.

Liebe Grüße
Benutzeravatar
struktur-los
rang-los
Administrator
 
Beiträge: 598
Registriert: Sa 31 Jul, 2010 15:48
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Antibegone » Fr 22 Jul, 2011 20:16


Hey struktur-los.

sagt mir, dass das hier unbenannte Lyr-Ich die Erfahrung machte, dass zumindest die Suche Aufschluss darüber gibt/geben kann, was überhaupt gesucht/erhofft/gewünscht wird. Hier wird sich das Lyr-Ich also seiner Ansprüche bewusst, seiner inneren Bedürfnisse. Ohne dieses Suchen, wäre er wohl nie darauf gestoßen. (... auch Nichts? )


Das versteh ich nicht.
Das mag daran liegen, dass ich insgesamt eine andere Grundstimmung aus dem Gedicht herauslese, die sich in totaler Monotonie und Sinnlosigkeit begründet – während noch so etwas wie Gefühl heraus zu lesen scheinst.

Wie soll denn diese Suche Aufschluss über irgendetwas geben? Das Auflaufen des Schiffes ist ja gerade kein Erkenntnisgewinn. Er führt nur zu einer weiteren „festgefahrenen“ Situation. Nicht einmal ein auf Grund laufen ist erlaubt. Sondern einfach nur auf Sandbank gestrandet. Das scheint mir auszuschließen, dass es ein „weiter“ gibt, ein auf etwas „stoßen“. Vielmehr ein erneutes total versinken in: „am boden (der sandbank) fand sich nichts“. Nichts und wieder nichts. Nichts Neues. Sondern „Stopp“.
Womit es geradezu auf die ersten Zeilen zurückverweist:

„am boden fand sich nichts / nichts das er
gebraucht hätte das er sich zu finden
erhofft / sich gewünscht hätte & auf
seiner reise von belang“

„Er“ hat Wünsche und Erwartungen. Aber gerade davon findet sich nichts.
Selbst der Stillstand, in dem man Besinnung oder Neuanfang erhoffen würde – führt zurück auf das „Nichts Finden“. Gerade darin erschließt sich mir diese Kehrversstruktur.
Benutzeravatar
Antibegone
Gegen Begonien
Etabliert
 
Beiträge: 432
Registriert: Mo 21 Mär, 2011 21:27
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon struktur-los » Sa 23 Jul, 2011 11:53


Hallo Anti,

sagt mir, dass das hier unbenannte Lyr-Ich die Erfahrung machte, dass zumindest die Suche Aufschluss darüber gibt/geben kann, was überhaupt gesucht/erhofft/gewünscht wird. Hier wird sich das Lyr-Ich also seiner Ansprüche bewusst, seiner inneren Bedürfnisse. Ohne dieses Suchen, wäre er wohl nie darauf gestoßen. (... auch Nichts? )


Das versteh ich nicht. Das mag daran liegen, dass ich insgesamt eine andere Grundstimmung aus dem Gedicht herauslese,


... Ja, genau - das denke ich auch - hängt aber vielleicht auch mit der inneren momentanen Grundstimmung jedes Einzelnen (und somit des Lesers) zusammen, wie er letztendlich ein Gedicht interpretiert. Zudem versuche ich, aus allem, was um mich geschieht, etwas Positives zu gewinnen - denke eben, alles erfüllt/ergibt in gewisser Weise (s)einen Sinn.

Liebe Grüße
Benutzeravatar
struktur-los
rang-los
Administrator
 
Beiträge: 598
Registriert: Sa 31 Jul, 2010 15:48
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon rivus » So 24 Jul, 2011 22:15


hallo fred,


ich finde deine zeilen stark. jedoch merke ich, dass ich mich beim lesen deines textes auf schwankenden boden befinde und mich dein text merkwürdiger weise sofort zum film pathfinder führt, in welchem der sohn eines berühmten wikingeranführers, der von seinem volk zurückgelassen wurde, von indianern aufgezogen wird und nun auch nicht nur einen äußeren, sondern für sich auch einen inneren pfad finden muss, um seinen platz in seinem leben einnehmen zu können.

ein lyrdu, ein suchendes, das sich am boden befindet und der eigentlich sich hier finden wollte oder wenigstens etwas von sich, aber nichts fand, obwohl sein inneres danach hoffte, wünschte, weil es eine reise von belang war, nicht nur eine reise ins innere, sondern ins äußere, eine reise wohl zum boden seiner wurzeln, ja gar zum endlich wirklichen wurzeln. aber der vorgefundene boden zeigt nichts, was er erhoffte, sondern nur die zeittrümmer, den ausschuss von verlebtem, einen ausschuss aber, den er so bisher nicht zu finden und zu sehen wagte, er eröffnet einen andren blickwinkel, mit dem zeit- und lebensstaub in der fresse, der ihn auch nicht vorschnell, mundüberlaufend, werten lässt; und so können sich bilder ausbreiten, die ein anderes mögliches nichtbodendasein aufzeigen und brücken spannen in andre welten; und doch sinds leider nur unflügge bilder von eigentlichen luftwesen, bilder die nestlinge und bodenlinge im nichts von rotkehlchen belassen, die für mich das alternative des sehnsüchtigen metaphorisieren und mit inspiration ausstatten, die es ihnen ermöglicht, eigenständig, ohne die flügelhilfe von art- und zeitgenossen, einen aussatz zu gestalten, der noch temporär sandbank und bodenhaftung beinhaltet, der das noch leben auf andere art behaust als heimat, bergisches, als land, das überleben trotzt widriger um- und nachstände existentialisiert und verinselt, so dass hoffnungen, eigenwelten noch wachsen und gedeihen konnten, wo jedoch die andren welteneroberer schon ursupatorisch und selbstsüchtig danach griffen und weil sie das schon urbare nicht wahrnahmen, daran scheitern, zerbersten mussten, wie blinde kapitäne eines schiffes, die nur noch im ober- und unterhorizontalen manövrieren, ohne sdas wirklich substantielle wahrzunehmen.

für mich eine lesestück, das sich mir noch längst nicht erschlossen hat, das jedoch einen pathfinder installiert, der trotz ausschuss und aussatz, viele überlebensoptionen zulässt, weil ich immer meine zu verspüren, dass die scheiterbilder sowohl ein sphärisches als auch ein reales flüggewerden ermöglichen, dem das am boden fokussierte lyrwir nichts entgegenzusetzen hat.

gern gelesen
lg, rivus
Zuletzt geändert von rivus am So 24 Jul, 2011 22:17, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
rivus
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2989
{ IMAGES }: 0
Registriert: Sa 27 Sep, 2008 09:19
Wohnort: Am Rand der Welt
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon LAS » Mi 27 Jul, 2011 21:13


Hallo Le_Freddy,

auf eben jenem Boden treffen sie sich, das Rotkelchen, welches aus dem Nest gefallen ist, der im Exil lebende Heimatlose - und gemeinsam ist ihnen eines: Sie haben dieses Stück Erde nicht ausgesucht. Ob gefallen, geflohen, gefangen oder unter welchen Umständen auch immer, sie sind hier angekommen, an einem von Menschen erschaffenen Ort ("trümmer", "ausschuss" / "brücken"), an welchem sie nichts finden, das ihnen in irgend einer Weise weiterhilft.

Die Beschwörung (mehrmalige Verstärkung des "am boden fand sich nichts") wird zur Anklage: Wie soll man auf diese Weise (über-)leben können?

Ich habe das Gedicht vermutlich nicht wirklich treffend interpretiert. Aber das macht nichts, weil es nichts an meinem Eindruck ändert: Ein starkes Stück Lyrik!

Mit freundlichen Grüßen

LAS
LAS
Neu
Neu
 
Beiträge: 31
Registriert: So 10 Jul, 2011 03:31
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Le_Freddy » Fr 29 Jul, 2011 23:10


hey, danke für all' eure ideen &: auscheißehättstemalfrühergeantwortet!

struktur-los und antibegone:
zu eurer diskusion möchte ich eigentlich nur noch eines sagen. eine übersetzung eines präsentativen inhaltes in einen diskursiven kann es nicht geben. (mit sedlmayr: "Die 'richtige' Interpretation ist gleichsam die Asymptote der Erkenntnis der sich die wirklichen Interpretationen nur nähern, aber doch mehr und mehr nähern können.) (ich setzte mal vorraus, dass lyrik keinen (rein-)diskursiven charakter hat. was hier usrprünglich v.a. auf 'kunst' bezogen war gilt aber auch in der lyrik) und das gilt für jeden leser und jede leserin spezifisch. tatsächlich kommt noch hinzu, dass grade bei einem text, der so sehr auf die assoziationen der leserin bzw. des lesers angewiesen ist, jene 'richtigen' Interpretationen, also die Asymptoten, von leser_in zu leser_in uterschiedlich, mitunter weit auseinander liegen können.

antibegone:
vielen dank für die grammatische auseinandersetzung mit dem gedicht. da hast mich nochmal auf was neues, meinen text betraffend gestoßen. immer wieder nice!
warum aber siehst du es als "parodie" einer Ringkomposition? für mein empfinden ist es doch die reinform: das gedicht beginnt und kommt da wieder raus wo es begann. und auch inhaltlich gibts nix neues, es könnte also gleich wieder beginnen und in einer endlosschleife durchlaufen. ;)
"Was bleibt? – Nichts." ist denke ich ganz gut getroffen, denn (btw) das hier ist direkt der folgetext zu dem müdigkeits-wettbewerbstext, es hat mir so einen spaß gemacht so viel über etwas zu sagen/singen, dass es am ende (wie schon zu beginn) nicht gibt/gab...
(was nicht bedeutet, dass ich den gedanken von struktur-los hiermit einen dämpfer verpassen will, ich kann auch ihre gedanken gut vertehen.)

rivus:
danke für deinen kopfkino-mitschnitt. ich finde es zeimlich hilfreich & gut zu erfahren wie man solche texte lesen kann, das schärft immer auch den eigenen blick auf den text und vllt. hilft es sogar beim nächsten weiter.
(aber pathfinder habe ich nie gesehen. gut?)

LAS:
eine interessante lesart, die den refrain zur aklage macht statt zur resignierten feststellung. ich gaube das ist mir neu.

so! vielndank & gute nacht
fred
Zuletzt geändert von Le_Freddy am Fr 29 Jul, 2011 23:12, insgesamt 1-mal geändert.
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit.
(DichterFürst1616)
Benutzeravatar
Le_Freddy
foll-uschi
Moderator a.D.
 
Beiträge: 525
Registriert: Do 22 Jan, 2009 15:27
Wohnort: R'lyeh
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon rivus » Do 04 Aug, 2011 00:17


hi fred,

seufz,
viel, viel text wieder durch timeout verloren gegangen

nun gut, nochmal u. kurz
http://de.wikipedia.org/wiki/Pathfinder_–_Fährte_des_Kriegers

erst am ende bekommt der film den gehalt, den das thema, einen seinem wesen entprechenden platz im leben zu finden, gerecht wird. es ist nicht nur die geschichte eines außenseiters und grenzgängers, sondern auch die geschichte einer indianergruppe, die sich neu identifizieren und wahrnehmen muss, um zu überleben.

lg

rivus

p.s.: ach ja, rotkehlchen müsste es doch richtig heißen
Zuletzt geändert von rivus am Do 04 Aug, 2011 00:33, insgesamt 3-mal geändert.
Benutzeravatar
rivus
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2989
{ IMAGES }: 0
Registriert: Sa 27 Sep, 2008 09:19
Wohnort: Am Rand der Welt
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Antibegone » Do 04 Aug, 2011 18:44


jedes gespräch kann sich mit hin und her gehenden aussagen immer nur einer "Wahrheit" (oder mehreren) annähern.

Heißt das, man sollte auf das Gespräch verzichten, weil sie "die Wahrheit" niemals produzieren kann?
Dann bräuchten wir demnächst nicht mehr zu kommentieren. Jeder stellt seine Texte aus. Jeder macht sich eine Meinung dazu und behält sie für sich. Wozu sie überhaupt noch posten, wenn sie nicht Teil eines Gesprächs werden kann, in der Austausch und Diskussion statt findet?

--------------------------------

vielen dank für die grammatische auseinandersetzung mit dem gedicht. da hast mich nochmal auf was neues, meinen text betraffend gestoßen. immer wieder nice!
warum aber siehst du es als "parodie" einer Ringkomposition? für mein empfinden ist es doch die reinform: das gedicht beginnt und kommt da wieder raus wo es begann. und auch inhaltlich gibts nix neues, es könnte also gleich wieder beginnen und in einer endlosschleife durchlaufen.


inwiefern etwas neues?

und: in dem fall haben wir ein anderes verständnis von "Ringkomposition".
Für mich ist eine Ringkomposition genau das, nur dass man anders "herauskommt als man hineingegangen" ist, dass also das zweite und endlos nochmal lesen immer ein anderes ist - so ähnlich wie ein hermeneutischer zirkel. Ein immer wieder abgehen des gleichen, aber durch das neu gewonnene verständnis entsteht ein vorverständnis, welches das erneute lesen verändert...
(besser kann ichs nicht erklären... glaube ich... oO)
Das passiert jedenfalls bei deinem Gedicht nicht.
Benutzeravatar
Antibegone
Gegen Begonien
Etabliert
 
Beiträge: 432
Registriert: Mo 21 Mär, 2011 21:27
Eigene Werke
 

Re: o.T. [am boden fand sich nichts]

Beitragvon Le_Freddy » Do 04 Aug, 2011 21:48


hi rivus,

p.s.: ach ja, rotkehlchen müsste es doch richtig heißen


ja. danke das ist mir durchgerutscht. den pathfinder schau ich mir an, wenn ich mal nicht arbeiten muss. (vermutlich im Oktober ;) ) So hartnäckig wie du bist muss der ja a) gut und/oder b) tatsächlich super passen.



hallö antibegone,

neinnein. natürlich will ich euch nicht knebeln. im gegenteil ich wollte nur euren punkt, dass es verschiedene ansichten zu (einem/diesem) text gibt stärken; mit dem hinweis, dass dieser autor bewusst vieles dem leser an deutungshoheit - nicht nur überlässt - delegiert. drüber reden ist immer cool.

bei ringkomposition denke ich eben immer an so etwas wie 'der spinnerin nachtlied' von brentano: in diesem fall ein trauriges, trauriges lied an den geliebten (und gleichzeitig gebet). das textsubjekt verrät zwar mit jeder strophe auch etwas neues (also neue informationen über die beziehung zum geliebten), aber es ist im wesentlichen immer eine wiederholung der vorvorherigen strophe. dabei ist auch nicht die jeweils neue formulierng, die durchaus andere standpunkte andere situationen beleuchtet entscheidend. die emotionale lage 'der spinnerin' ändert sich durch das ganze gedicht hindurch nicht, die entsprechenden, periodisch auftretenden verse weisen massive ähnlichkeiten auf und im grunde kann das lied am ende gleich von vorn beginen, ohne dass man es 'der spinnerin' übelnähme. es würde de ausdruck ihrer sehnsucht, dieser statischen emotionslage, noch eher verstärken.
an derartiges will ich anknüpfen wenn ich hier wiederhole (wenngleich - natürlich - in einer ganz anderen struktur, was den text angeht)
vielleicht hast du ja noch ein schönes beispiel, für das was du meinst, denn so ganz kann ich mir das noch nicht so recht vorstellen: ein text, den leser nach jedem lesen in einer anderen "situation" zurücklässt. (verstehe ich dich richtig?)

lieben gruß ihr 2
fred
Zuletzt geändert von Le_Freddy am Do 04 Aug, 2011 21:49, insgesamt 1-mal geändert.
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit.
(DichterFürst1616)
Benutzeravatar
Le_Freddy
foll-uschi
Moderator a.D.
 
Beiträge: 525
Registriert: Do 22 Jan, 2009 15:27
Wohnort: R'lyeh
Eigene Werke
 

Zurück zu Strandgut

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron