Gedichte, die gesellschaftliche oder politische Themen behandeln

vers(ch)eucht

Beitragvon salome » Sa 20 Aug, 2011 07:47


vers(ch)eucht


in den häusern roch es
nach fetter fauler kröte,
die noch immer von bildschirmen kroch,
vervieltausendfacht.
hochtoupiert zur geilen blondine,
die meinung der masse
hypnotisch höhlte

uns wenige
trieb es hinaus auf die straße,
mit parolen gegen
das schweigen zu stimmen

...doch sie scheuchten uns mit lichtwerfern
vor sich her, immer tiefer
in unsere schatten hinein.


jetzt hab ich ein haus gebaut,
es riecht...
salome
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Re: vers(ch)eucht

Beitragvon struktur-los » Sa 20 Aug, 2011 11:22


Hey Salome,

jetzt möchte ich mich doch auch einmal zu einem deiner Werke äußern. Ich habe es bisher noch nicht getan, da ich doch ein wenig überrascht war, ja, geradezu entsetzt (im positiven Sinne), darüber, dass mir jemand doch in gewissen Standpunkten, sowie im Ausdrücken von Gedanken so ähnlich ist. Das gab mir zu denken und erfreut mich irgendwie. Das wirst du sicher nicht bestätigen können, da ich mich in letzter Zeit etwas zurückhielt mit meinen Worten, speziell im Bereich der Auseinandersetzung mit anderen Texten, aber ich persönlich empfinde es so. :)

Zu deinem Gedicht:

Du schriebst es, bis auf die letzten beiden Verse, im Imperfekt, der Vergangenheit.

Hach, das Gelesene spricht mich an - oder eben auch nicht. Ich denke eher, ich bin stimmig mit dem, was du laut meiner Leseart hier auf metaphorische Weise widergibst und das poetisch gekonnt und auf den Punkt gebracht. Nur betrachte ich die Vergangenheit hier nicht als Vergangenes, empfinde es doch als einen Teil "reale" Gegenwart sowie der im Heute herbeiführenden Zukunft.

Ich assoziere mal, ok?

Die Menschen sitzen fest in ihren Häusern, lassen sich verseuchen durch das Einprasseln medialer Welten. Bald wird selbst der gesamte Einkauf per Mausklick erfolgen - die Straßen, Wiesen und Wälder werden menschenleer sein, die Natur ein Bilderbuch. Selbst die Liebe wird es nur noch auf dem Bildschirm geben - die Froschkönige/innen transformieren sich zur Kröte, die stinkend die Zimmer füllen, weil sie ohne Haut und Geruch der Einsamkeit den Vortritt lassen.

Informationen über den Bildschirm geschoben, verzerren das "reale" Bild "Welt" und manipulieren Menschen bis zur Selbstaufgabe. Wer dies erkennt, sich abwendet von diesem Schauspiel - hinaus tritt, wird verfolgt und zurück ins Haus getrieben.

jetzt hab ich ein haus gebaut,
es riecht...


Ja, und ein eigen gebautes Haus, in dem man abgekappselt von der Welt (bzw. von der "verseuchten Masse") sein Dasein frönt, macht einsam und ändert die Welt nicht. Ich nehme mal an, aus diesem Grunde schriebst du: "es riecht".

So, das war meine Lese, gebe zu, etwas überzogen und einem Teil der in dieser Welt Lebenden keinesfalls gerecht, dennoch denkbar, vielleicht eher fassbar. Ich lese es wie ein kleines Manifest an dich und die menschliche Welt... Es reicht eben nicht, etwas nur zu erkennen, man darf auch handeln und wenn es auch nur im kleineren Rahmen erfolgt - eben im eigenen Rahmen der Möglichkeiten und darüber hinaus im Gemeinsam und in dem, was fähig ist, sich im Umfang zu erweitern.

Wie dem auch sei, ich wünsch' dir ein schönes Wochenende! :)

Liebe Grüße
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Re: vers(ch)eucht

Beitragvon salome » So 21 Aug, 2011 18:37


hi struktur-los,

hab ich mit deinem kommi das große (struktur-) los gezogen :) , strukturlos erscheint er mir jedenfalls ganz und gar nicht!
es freut mich natürlich, dass du dich im einen oder anderen ausdruck / gedankengang wiederfinden konntest und dich davon angesprochen fühlst.
Nur betrachte ich die Vergangenheit hier nicht als Vergangenes, empfinde es doch als einen Teil "reale" Gegenwart sowie der im Heute herbeiführenden Zukunft.
das sehe ich genauso! und auch in deinen assoziationen erkenne ich viel ähnlichkeit mit meinen gedanken und absichten. allerdings bin ich etwas überrascht von deiner sichtweise auf das ende, obwohl das so natürlich auch treffend ist.
für mich selbst würde ich
jetzt hab ich ein haus gebaut,
es riecht...

so gewichten, dass nach einem auf- und ausbruch, resignation und rückzug in die bequemlichkeit und sicherheit eines heims folgen, in dem es dann schließlich genau so nach fetter, fauler kröte stinkt... und der kreislauf von neuem beginnt.


ich danke dir herzlich für dein interesse und deinen aufschlussreichen kommentar :) .

liebe grüße, salome
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