Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

Hände reibend

Beitragvon vorspieler » Mi 01 Feb, 2012 21:30


mal wieder da
sitze ich hier
ohne Idee
und werde meine Hände reiben
ganz schnell und ohne Unterlass
von unten nach oben, mein Gesicht
in ständiger Wiederholung, das täglich
und das tägliche nicht verarbeitend
nur hin- und herschiebend
Tag ein- und aus-schiebend
von mir weg- und heran-schiebend
irgendwann werde ich Falten bekommen
eines Tages wenn ich ge-icht bin
ich werde immer wieder meine Hände reiben
und mich fragen, warum diese Falten nicht verschwinden
warum hab ich so viel gerieben
so fange ich eben an mit Haare raufen, „das macht mich nicht schöner“
aber vielleicht verschwinden diese elenden Falten endlich
ich kann sie nicht mehr ertragen, diese Keimläppchen
vielleicht sollte ich noch schneller reiben, übergleitend
zum Haaransatz ist es nicht weit, so frisch
schon da und folglich die brennende Stirn
das Außen muss auch Innen wärmen
wäre nur logisch, „richtig Druck lass sein“
die Haut aufreißend
mich mit Wodka überschütten
trinkend den Benzin
siehe da, ein Schwefelköpfchen
Körperbrand

ich bleib lieber sitzen
mal wieder hier
mal wieder sitzend
von Feigheit erregt
regungslos.


.......vs
Zuletzt geändert von vorspieler am Mi 01 Feb, 2012 21:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Hände reibend

Beitragvon rivus » Fr 03 Feb, 2012 13:54


hi vorspieler,

hände reiben. (gleich fällt mir ein mensch ein, der gleich einem hospitalisierten, sich nicht mehr spüren kann, da er keine oder kaum noch berührungen --keine inneren, keine äußeren-- erfährt, einer erbarmungslosen deprivation ausgeliefert ist und sich doch noch wehrt, beispielsweise mit händereiben.)


hier, in deinem text, beschreibt ein lyrich, ein immobiles, ein an stereotypen leidendes, das (s)eine welt als ihm überflutend erlebt. ein zusätzlicher stressor, scheint die übermacht einer fremdbestimmung zu sein, denn es fürchtet ein schon aktuell antizipiertes "ge-icht"-sein. das gewährte ist schon angelegt, wird sich entfalten, in falten fortschreiben. dieser, mit gewissheit werdende dauerstatus, ist der keim einer zunehmenden stase und die fixierung auf eine sich erfüllende selbstprophezeiung. hier scheint das lyrich am ende seines eigenen lateins: ein suizid auf raten steuert zur endrate; der körper wird zur wunde, das innen nach außen gekehrt, legimentiert sogar das ende mit körperbrand, der schon längst die eigene haut als ort jedweden selbsthasses auserkoren hat und sogar punktuell mit einer art endlösung - "siehe da, ein Schwefelköpfchen" - liebäugelt, ja, wenn nicht auch hier sich eine lebenshaltung offenbart, die die konsequenz, den thanatos doch fürchtet, um lieber, in eine art stupor zu flüchten. hier fühlt lyrich die reibeeffekte seiner selbst (ego und alter ego). hier könnten sie wie feuersteine aufeinander einschlagen und doch würde das lyrich vermutlich seinen platz nicht verlassen, weil das eintreten soll, was es innerlich schon immer wusste und äußerlich nur so erfahren musste. es scheint unfähig haltung und verhalten zu ändern. die einzige geste, das rauchzeichen für lyrwirs, ist ein lebenszeichen, das sich aufbraucht, verbraucht, wenn nicht noch ein wunder geschieht ...

gern skizziert

grüße, liebe
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Re: Hände reibend

Beitragvon vorspieler » Fr 03 Feb, 2012 19:21


hallo rivus,

ich bin wirklich begeistert, vielen dank für deine skizzierung und dein interesse,
eigentlich hatte ich befürchtet, dass die überbrachte Stimmung reizlos wirken könnte.


viele grüße vs
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Re: Hände reibend

Beitragvon Perry » Mo 13 Feb, 2012 17:31


Hallo Vorspieler,
"reizlos" ist dein Text sicher nicht, vielleicht durch die sich etwas in die Länge ziehende Prozedur, des Händereibens, über das Gesicht(falten)reiben, zum Haareraufen und den abschließenden Körperbrand. ;)
Ich empfinde den Text sehr intensiv, was die Beschreibung des innerlichen Unwohlsein (teilnahmsloses Altern) und seine äußere Wirkung (reiben, raufen) betrifft.
Konstruktiv fallen für mich sowohl Anfang und Ende in ihrer Belanglosigkeit etwas ab (gewollt?).
LG
Perry
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Re: Hände reibend

Beitragvon vorspieler » Mo 13 Feb, 2012 22:08


guten abend Perry,

vielen dank auch an dich und dein entgegengebrachtes interesse. :)
ja es ist durchaus gewollt. der urpsrungszeitabschnitt dieser zeilen war gekennzeichnet von ödnis rundum und icgh befürchtete ein nichtgefallen...
das meinte ich damit ( "reizlos")

vg......... vs
Zuletzt geändert von vorspieler am Mo 13 Feb, 2012 22:09, insgesamt 1-mal geändert.
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