Gedichte, die gesellschaftliche oder politische Themen behandeln

Die Spiele sind vorbei

Beitragvon Perry » Fr 30 Jan, 2009 15:34


[size=85:1k7gfcw1]Das Licht ist erloschen
in den Augenschlitzen.
Was jetzt wieder zählt
ist das Buntmetall der Tage.

Nach den Feuerblumen
ist der Smog zurückgekehrt,
in seinem Dunstschleier
das Mantelgrau der Macht.

Ich aber zappe
wie unbeteiligt weiter
vom roten Platz
zu den US Open.


1. Fassung:

Die Spiele sind vorbei


Das Licht ist erloschen
in den Augenschlitzen.
Was jetzt wieder zählt
ist das Buntmetall der Tage.

Nach den Feuerblumen
ist der Smog zurückgekehrt,
in seinem Dunstschleier
das Mantelgrau der Macht.

Doch ich schalte
mit meiner Fernbedienung
wie unbeteiligt weiter,
zu den US Open.[/size]
Perry
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Re: Die Spiele sind vorbei

Beitragvon Friederich » Mi 04 Feb, 2009 12:05


Hi Perry,

einleitend kann ich sagen, dass mir der Grundcharakter des Textes durchaus zusagt. Dieser setzt sich in meinen Augen zusammen aus einer schreienden Indifferenz und einem Zusammenprallen von poetischen Metaphern mit einem durch seine profane Natur hier wieder sehr reizvollen Alltagsvokabular.

Was mich stört ist das Wort "Augenschlitze". Ich frage mich, ob die geographische Verortung der Szenerie, auf die dieses Wort wohl als einziges Indiz abzielt, nur auf diese Weise erzielt werden kann oder ob die Assoziation für uns nicht ohnehin nahe liegt und der Text auch so auskäme. Darüber hinaus: Wenn das Licht in den Augen erlischt, impliziert der Text eine kollektive Freude über die Spiele, deren Natürlichkeit ja von gewisser Seite durchaus angezweifelt wird. Naja, soviel zum etwas auszusetzen haben.

Stark finde ich, dass die beiden ersten Strophen durch eine Entdynamisierung gekennzeichnet sind. Von der Euphorie geht es hinein in das Grau des industriellen Alltags. Auch die verwendeten Metaphern ("Dunstschleier", "Feuerblumen", auch durch die geschickte Verbindung mit "Smog"). Seine Aussage, ja seinen Charakter bekommt der Text durch die finale Einführung eines lyrischen Ichs, dessen wissende Unbeteiligtheit den Text nachträglich prägt. Er betrachtet mit poetischem Blick einen Stimmungswandel, den Fall des Vorhangs und bleibt dennoch Konsument, dem es mehr auf das Spektakel ankommt als auf das, was er dahinter durchaus sieht.

Ein Lob für den Text als ganzes,

Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

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Re: Die Spiele sind vorbei

Beitragvon Perry » Mi 04 Feb, 2009 14:31


Hallo Friederich,
du hast zielsicher den Finger auf einen wunden Punkt des Textes gelegt. Mein erster Ansatz war "Schlitzaugen", aber das erschien mir dann doch zu respektlos gegenüber dieses geknechteten Volkes. Augenschlitze kann dagegen mehrdeutig gelesen werden. Erstens als Synonym für alle Menschen mit Schlitzaugen, aber auch als übermüdetes, überreiztes Auge des Beobachters.
Mit einigem zeitlichen Abstand wäre es vielleicht auch angebracht den Namen Peking entweder im Titel oder noch besser im Schluss (... weiter / von Peking zu den US Open) einzubauen.
Ansonsten freue ich natürlich sehr über deine wertschätzende Meinung.
Danke und LG
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Re: Die Spiele sind vorbei

Beitragvon Le_Freddy » Mi 04 Feb, 2009 22:49


Hi,

mit dem Hinweis auf die olympischen Spiele, finde ich das Gedicht wirklich gut - Siehe Ruelfigs Ausführungen, denen ich nicht viel hinzuzufügen habe. Außer, dass ich noch die "Fernbedinung" loben möchte, dadurch vergrößert sich die Distanz des lyr. Ich zu der Realität Chinas ganz enorm.
Allerdings -und jetzt kommt meine Kritik an "Augenschlitze"- kann man mit diesem Wink mit diesem -wenn man es weiß- sehr großen Zaunpfahl garnichts anfangen, wenn man so wie ich sportliche Groß(und Klein-)ereignisse komplett verdrängt. Ok, für dämliches Publikum kann der Autor nichts, aber ich fände deine Idee "... weiter / von Peking zu den US Open" durchaus gut, zumindest für Menschen wie mich.

mfg
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Re: Die Spiele sind vorbei

Beitragvon Perry » Do 05 Feb, 2009 19:26


Hallo Fred,
danke für deine Sicht. Als Autor sollte man immer bestrebt sein, möglichst alle Leser zu erreichen. Ich stelle deshalb die neue Version gerne noch dazu.
LG
Perry
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