von Friederich » So 09 Jan, 2011 14:25
Hallo Perry,
ich finde das Gedicht lesenswert, weil der Sprachfluss so gestaltet ist, dass ein Gefühl der Beschleunigung entsteht. Dies gelingt vor allem durch die größere Satzlänge zum Ende hin und, auch wenn ich weiß dass du nichts von metrischer Analyse bei freier Lyrik hälst, durch einen Anflug von Daktylus am Ende.
Du beschreibst meiner Lesart zufolge, wie ein Brief gelesen wird und die dadurch geweckten Erinnerungen an eine kurze, intensive Episode, die mit Ernüchterung endete. Dass das benutzte Bild des Gipfels kein sehr innovatives ist, stört mich nicht, da es mit dem "tauen" eine interessante Variante erhält, denn es erhält durch das uneigentliche Bild des (in der Realität ja nicht möglichen) Tauens des Gipfels selbst einen Hauch Abstraktion. Auch die Einbindung des Verdrängten Unwohlseins in einen Sprachfluss, der das Verdrängen sprachlich untermauert, gefällt mir.
Was mich stört ist, dass das "Speicherzellen der Erinnerung" als technisches Bild nicht wieder aufgegriffen wird. Auch das "Hoch nach Trauben sprangen" wirkt, trotz der Einbettung in den Kontext und der Motivation der Übertreibung, kitschig.
VG,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)
Friederich