Lyrik rund um das Thema Liebe

gehäutet

Beitragvon schmirgelpapier » Mo 15 Dez, 2008 19:02


jeder bruch im tönernen trägt [wohin] die füße
nie gelangen wir perlen über baumrinde und
über synkopen meine heftstiche öffnen: du
schabst mir die ichbezogenheit von den rippen
kaum die nacht mit karottenschälern
gehäutet drückt meine scham gegen die hände
dort gesehen: dem licht die sonnen abzählen und
brach nur versprechen in pralinen gefüllt pass auf
pass mir auf die leerräume auf deine
lippen tabellen malen. vier gewinnt
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Re: gehäutet

Beitragvon blaue_Raupe » Mi 17 Dez, 2008 12:18


Hi schmirgelpapier.


[size=85:2uxnr4uo]gehäutet

jeder bruch im tönernen trägt [wohin] die füße
nie gelangen
~[/size]
Im Einstieg gefallen an der Wahl und der Setzung die Vor- und Rückbezüge – die Splitter retten mir die Verse ein wenig, wo ich an Wendungen wie „[wohin] die füße nie gelangen“ schon moppern wollte. Trotzdem sehe ich, dass ein konkreter Bezug neben den anderen Zeichnungen wohl angebracht ist … wenn sich die in unterschiedliche Richtungen verwischen lassen, sehe ich den Angelpunkt (den ankle-punkt, fast) selbst schon nicht als fehlgesetzt.
Mögliche Lesarten. Zumindest Gelesenes.
Eine ganz schmale Reflektion auf Titel und Rippen sehe ich – „jeder bruch im tönernen“ zeigt sich im Erstlesen vorrangig als im später wieder aufgegriffenen Musikmotiv zu Hause, als „Durchdringen einer „Haut“ und in Verbindung mit den Füßen, die von ihr getragen werden, erschließt sich vielleicht schon eine Leib-Verbindung, Brüche und Risse in Tonerde durch Trocknung, die die Füße noch tragen, aber als „Haut“ verletzt worden ist und in die Tiefen der Risse auch nicht verfolgt werden kann.
Den „bruch im tönernen“ als musikalischen Bezug mag ich auch als vorgesetzten Wurf auf etwa die Synkope, was Körperlichkeit und vermutlich Sex betrifft. Ein, zwei Worte später …
~
Geklammerte Begriffe sind wie alles nicht immer glücklich, hier zumindest finde ich die Gründe ersichtlich und in meinen Augen passt es auch – schon als Auslassung und ohne den Sprung zum 2. Vers, als potentielle Frage.


[size=85:2uxnr4uo]wir perlen über baumrinde und
über synkopen[,] meine heftstiche öffnen: du
schabst mir die ichbezogenheit von den rippen
~[/size]
„wir perlen über baumrinde“. Hm. Möglicherweise ein abstrakterer Abschnitt der „Wanderung“, und ersichtlich, dass es bestimmt auch um die gegensätzlichen Texturen ging. In der Bedeutungsschattierung kann ich dem erstlich ein wenig abgewinnen, wenn’s um das „Abtasten“ einer „Haut“ geht, „perlen“ als glatte, feine Struktur, die der Baum(haut) die ein oder andre Unebenheit oder „Imperfektion“ nachsieht (obwohl – ist die Rinde tatsächlich die Baum-Haut? Vielleicht verlässt mich meine eh sehr imperfekte Biologie gerade), sofern man „Perfektion“ im makellos Glatten der Haut wie etwa der Oberfläche einer Perle / eines Wassertropfens beikommen mag.
~
„wir perlen [über baumrinde] und / über synkopen“ – den Doppler sehe ich hier syntaktisch ein, allerdings hab ich probehalber nach den Synkopen nach Überlegen eine Zäsur gesetzt. Damit entspricht es zwar nicht den sprachlich & verslich möglichen Umsetzungen einer Synkope, aber in den Bildverläufen und im Satzbau hab ich da nach nem Bruch gesucht. Aber weiter.
„Synkope“ im musikalischen Sinne musste ich erst noch mal nachschlagen, da bin ich nicht aus dem Stand raus sehr bewandert.
Im Körperlichen finde ich den Synkopen-Bezug schön, eben als Rhythmus-Verschiebung durch Binden eines unbetonten Wertes an einen Gebundenen, auch durch die Ungleichheit und nicht allzu große Rollen-Harmonie der Akteure.
Allenfalls … wenn sich das subtile Bild schon so anbietet, überlege ich, ob mit das „über synkopen perlen“ so schmeckt. Es bindet, wie es gesetzt ist, an das süßlichere Bild des Perltropfens auf der Baumrinde an, vielleicht, um die Harmonie doch wieder zum Zuge kommen zu lassen, aber dem „bruch im tönernen“, der immer hin „weiter trägt“ würde ich wohl eine leicht verstärkte Arrhythmie gönnen. Vielleicht könnte es, so die Akteure nicht über die Synkope perlen, sondern in ihr sind, als eine Art Brückenbild funktionieren zwischen dem besagt süßlicheren Naturbild und dem fast martialischen „ichbezogenheit von den rippen [schaben]“, als Aufbau ++ / +- / -- (natürlich nur allergrobst so gefasst, Jott bewahre, und Plüsse und Minüsse seien austauschbar).
~
Gut gefällt mir „meine heftstiche öffnen“ für Entkleiden, „Häuten“, wie der Titel sagt, nackt sein.
„ichbezogenheit“ klingt im Gesamtbau etwas umständlich, was dem Ganzen in meinen Augen allerdings nicht sehr weh tut. Grade überlege ich, ob es, da es nun um „nackt bis auf’s Fleisch“ geht, die Brustkörbe Obduzierter mit Heftstichen vernäht werden. Das müsste ich allerdings nachfragen.


[size=85:2uxnr4uo]kaum die nacht mit karottenschälern
gehäutet drückt meine scham gegen die hände
~[/size]
Der Karottenschäler mittenmang ist aber nicht dein Ernst, oder? oO Der evtl humoristische Einschlag trifft bei mir nicht, und auf der Suche nach einer phallischen Anspielung hätte ich hier eher den Spargelschäler herangezogen, if I were you.
Am Folgevers find ich bloß das Personalpronomen und den Artikel etwas dichtelösend, ansonsten gehört die Zeile zu denen, die mir im Text mit am besten gefallen …


[size=85:2uxnr4uo]dort gesehen: dem licht die sonnen abzählen und
~[/size]
… ebenso: „dem licht die sonnen abzählen“. Einzig die Verbindungsnaht geht mir noch nicht ein. „dort gesehen“ – sicher bin ich hier nicht, aber in Einbettung grade der beiden Anschlussverse würde ich den Übergang vielleicht nicht auf bloß einen einigen Sinn reduziert sehen, auch weiß ich nicht, wo „dort“ sein soll.


[size=85:2uxnr4uo]brach nur versprechen in pralinen gefüllt pass auf
pass mir auf die leerräume auf deine
lippen tabellen malen. vier gewinnt
~[/size]
Der Abgang gefällt insgesamt weniger. Das „brach“ stört mich an der Stelle, da es für’s Verb die falsche Zeitform ist und für’s Adjektiv nicht gut eingebunden scheint – etwas, das is Pralinen gefüllt ist, liegt ja nicht brach.
Einzusehen ist, dass „leere versprechen in pralinen füllen“ auch nicht das Goldei wäre, da es zwar im „[leere] […] in Etwas füllen“ noch einen Reiz böte, sich aber trotzdem der abgenudelten „leeren Versprechen“ bediente.
Im Folgenden – vielleicht lag die Absicht in einem auflösenden, fahrigen, hastigen Flüstern als Kontrast zum Gebundenen der Tabellen und des Spielgitters. In der Form gefällt es mir weniger, sowohl der Prall durch das doppelt springende „pass auf“ als auch die Syntax im „[pass mir auf die leerräume [[auf]] auf deine lippen tabellen malen]“.

Insgesamt hab ich erstmalin Wortwahl & Setzung Stücke gefunden, die gefallen haben, andere deutlich weniger. Wie ich die Sprünge zwischen den Bildebenen sehen kann, weiß ich noch gar nicht.
Wie andres auch, deshalb belasse ich es erstmal dabei.

schöne Grüße,
r~~~
you cannot unscramble scrambled eggs.[links:3fqyydm7][/links:3fqyydm7]
blaue_Raupe
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