Lyrik rund um das Thema Liebe

Nscho-tchi,

Beitragvon Perry » Do 25 Jun, 2009 15:44


Diese Nähe
alles tun zu können,
was junges Blut begehrt,
Locken um Finger wickelt.
Ein unter die Nase
gehaltenes Necken.

Dieses Verstehen
so ungesagt,
dass Unschuld reift,
wolkig aufsteigt,
als Rauchzeichen.
Schöner Tag.
Perry
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Re: Nscho-tchi,

Beitragvon rivus » Sa 27 Jun, 2009 12:49


Ach Perry! Du hast meine alte Indianerzeit erweckt. Mein erstes; einigermaßen stabiles Wigwam bestand aus den Wäschestangen einer Hausgemeinschaft. Zwischen zwei respektablen Winterapfelbäumen platziert, wurden sie tief in den Prärieboden einer spärlich bewachsenen Gartenwiese gerammt und mit Zeltleinen sturmfest arretiert. Ausgediente Decken, alte Militärdreiecksbahnen und Spargelabdeckplanen dienten der Bewandung und wurden mit Holzklammern zünftig befestigt. Die zahlreichen, stark verkrümmten Äste über die Behausung boten ideale Angriffspunkte zum Erklettern der Baumspitzen, um nach der einen Liebsten Ausschau zu halten. Aber Nscho-tschi, die Apachin und Schwester Winnetous beachtete dieses Flickwerk eines Heranwachsenden nicht, sondern flimmerte ungerührt über die aufgeladenen Bildschirme alter Fernsehempfänger und bespannte die Antennenwälder mit bunten Leinwänden, die sogar die spannenden schwarz-weißen Wallace-Adaptioen in die ewigen Jagdgründe verdammten.

Aber warum erinnert sich der Autor gerade an Nscho-tchi? Erinnern die Gestalt, das Wesen und Handeln dieses Indianermädchens zu sehr an seine erste, erwiderte Liebe? Kann mit ihrem Aufleben die Illusion über die wie immer geartete, aktuelle Wirklichkeit siegen? Perry’s „Nscho-tchi“ kommt für mich verhalten, sehnsüchtig daher, fordert Gefasstheit und bahnt doch die Erwartungen eines LI in die Emotion der Nähe von vergangenem Schönen! Diese „Nähe“ möchte es noch mal erleben, nachempfinden, nachtun können, um die jugendliche Behaustheit, ihr Begehren & Erleben wenigstens einmal noch zu fühlen, weil es vielleicht damit einem eigenen Ausgehaustsein entrinnen kann? Und tatsächlich gelingt die Flucht ins Unbekümmerte, Unbefangene, Ungezwungene. „Locken“ werden wieder „um Finger gewickelt“, „es wird geneckt“. Ein spielerisches „Verstehen“ ohne Worte in sich nicht verletzender Verliebtheit, so dass alle Vorbehalte über Bord geworfen sind und dass „Unschuld“ reifen, wolkig aufsteigen und als Rauchzeichen faszinieren kann für diesen einen schönen Tag ! Das Li beschenkt sich selbst, gegen alle brutalen Wirklichkeiten mit einem Tag im Kokon eines Liebesparadieses. So kann es, wird es überleben. So erscheint es uns als sinnlich beschwingtes Ich, welches den verlorenen Glauben an die Unschuld der Liebenden in hoffentlich wiederholbare Tage verortet. Wir sind mitgenommen in menschliche Nähen …. !


Sehr gern gelesen

LG, rivus
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Re: Nscho-tchi,

Beitragvon Perry » Di 30 Jun, 2009 16:11


Hallo Rivus,
danke für die ausführliche und meiner Intension sehr nahe kommenenden Interpretation. Es sind diese Bilder, Träume, die wir fest gespeichert in uns tragen und die ein Leben lang dem Glück Namen verleihen.
LG
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