Lyrik rund um das Thema Liebe

mehr noch in moll

Beitragvon apnoe » Di 30 Sep, 2008 12:17


das schlimmste ist:
ich zähle mein morgen nicht mehr
bloß unter dem kissen verstecke ich es noch
das volle und leichte, das warme und sanfte
eines verzitternden lebens

an jedem abend. in jeder verdammten nacht
kriecht es ganz dicht und sticht mir
sein blühen in die brust
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
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Re: mehr noch in moll

Beitragvon i.z. » Di 30 Sep, 2008 13:09


Ich spüre meine Grundfeste leicht vibrieren. Das ist ja mal sowas von überhaupt nicht dein Stil! Nicht, dass du dich damit strafbar machtest, es ist nur eher so, dass ich sowas von dir nicht kenne. Euer Treffen scheint nachzuwirken...

Nichtsdestotrotz birgt es Tiefe und es erscheint mir schwer greifbar, was das lyrische Ich unter dem Kissen verbirgt oder warum es "das schlimmste" sei. Ausgehend vom Unterforum, in welchem sich das Gedicht befindet, kann ich nur mutmaßen, dass es sich vielleicht um ein Bild einer Person handelt, die es für das lyrische Ich zu verleugnen gilt. Letzteren Teil meiner Aussage suggeriert mir die zweite Strophe. Diese erinnert mich an eine Geschichte, die von einem Mörder handelt, der die Leiche unter den Dielenbrettern verbarg und sich dadurch, dass er das tote Herz durch diese Bretter zu schlagen hören glaubte und selbige im Wahn wegriss, selbst verriet. Autor und Titel sind mir leider entfallen. Vielleicht hilft mir jemand.

Die erste Strophe hingegen (ich bin so frei, von hinten angefangen zu haben) zeichnet ein komplett konträres Bild, und zwar in einer Sprache, die - und das brachte mich so aus der Fassung - so ganz und gar nicht die deine scheint. Es sind viel zu viele Worte. Versteh mich nicht falsch, ich kritisiere nicht eine mangelnde Verdichtung im Allgemeinen, sondern im Speziellen. Bei dir gehe ich davon aus, jedem Wort - jeder Silbe, wenn's hochkommt - gleich mehrere Deutungsmöglichkeiten beimessen zu müssen. Das spricht für deinen anspruchsvollen Stil, den ich hier nicht wiederzufinden glaube. Aber vielleicht täusche ich mich oder bin kurzsichtig geworden. Ich bin sicher, dass du mir auf die richtige Fährte verhelfen kannst.

Grüße,
i.z.
"Bunt ist das Leben und granatenstark. Volle Kanne, Hoschis!"
Abraham Lincoln
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Re: mehr noch in moll

Beitragvon exmaex » Di 30 Sep, 2008 13:33


hey apnoe,

das schlimmste ist:
ich zähle mein morgen nicht mehr.

"es" ist nicht nur schlimm, nein: es ist das schlimmste. dabei klingt "es" so, als würde das Ich "nur" aufhören sich gedanken über die zukunft zu machen, nicht mehr jedem neuen tag entgegenträumen. ich nenne "es" - auch wenn es "das" nicht trifft - hoffnung. für viele menschen ist diese fehlende hoffnung wahrscheinlich ganz normal, dem ich scheint sie sehr bewusst und wichtig gewesen zu sein.

bloß unter dem kissen verstecke ich es noch.
das volle lebendige, das leichte, das weiche
und warme, das sanfte und liebe und alles,
was das wichtigste ist.

eigentlich wurde das gefühl (der zucker dieser rubrik), die "lebensfreude" des nachmorgenschauens beerdigt. man weiß um seinen tod. der phantomschmerz (das salz) bleibt. das photo des gelebten gefühls wird aufbewahrt, obwohl es weggeworfen werden sollte. vllt. braucht das ich diese geheime droge auch um weiter existieren zu können.
ich nehme stark an, dass die übermäßige anhäufung von adjektiven diesen tunnelblick des gefühls übertragen soll, mir missfällt das aber sprachlich sehr. die wärme kommt bei mir nicht an und es wird langweilig. plötzlich noch ein superlativ. für mich einer zuviel pro strophe, er macht den gedankengang zu einseitig.
insgesamt finde ich keinen gefallen an der ersten strophe. das eine bild vom "morgen zählen" ist nicht sonderlich stark und vermag die sprachlich schwachen anderen verse nicht zu stützen.

an jedem abend. in jeder verdammten nacht
kriecht es ganz dicht und sticht mir
sein blühen in die brust

im ersten vers doppelt sich jedem/r, die kurze steigerung vom abend zur nacht sehe ich auch als inhaltliche wiederholung. hier nimmt wieder ein gefühl vom ich besitz, welches sein sprachgefühl schmälert. die zweite metapher des in die brust stechens finde ich leider auch etwas antiquert. unkonventionell dagegen ist in diesem zusammenhang das blühen. damit assoziiere ich eigentlich etwas positives. aber auch giftige pflanzen blühen schließlich. an dieser stelle kann ich ein wenig darüber nachdenken, aber nicht viel. klanglich finde ich die zweite zeile nicht schlecht: kriecht, dicht, sticht, mir. die is pieken förmlich im ohr :D

fazit: ich habe mich nicht intensiv damit beschäftigt, da es mich nicht anregt.
aber auch so kann ich auf jeden fall schreiben: da bin ich sehr viel besseres von dir gewohnt ;)

lieben gruß, maex
irgendwie
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Re: mehr noch in moll

Beitragvon apnoe » Di 30 Sep, 2008 18:46


hey, danke, ich bin sehr froh über eure beschäftigung mit dem text. ganz zufrieden bin ich selbst noch nicht damit und eure kritik erwischt ein paar dinge, die ich selbst schon mehrfach in der kralle hatte..ich muss das mal sacken lassen und dann werde ich nochmal rumpuzzeln.
maex: du bist besseres von mir gewohnt? hey, cool, hab gar nicht mitgekriegt, dass du texte von mir mochtest..:D
iz: ich schicke dir eine erstversion, dann verstehst du vielleicht.., ja?lieben gruß
ich werde eure anregungen sicher überdenken.
danke
a

edit.
habe den text ein wenig editiert.
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
apnoe
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