Lyrik rund um das Thema Liebe

gipfelsturm

Beitragvon Perry » Mi 05 Jan, 2011 23:50


las diese briefe, speicherzellen der erinnerung.
in einem stand, dass wir begehrten was verboten,
mit roten wangen hoch nach trauben sprangen.
die augen gerade gestellt, in winkeln schattiges
unwohlsein verdrängt von endorphinen schüben.
vielleicht einbildung, schaffen des unmöglichen,
das uns immer höher steigen ließ, bis wir sahen,
unser gipfel war nur einer von vielen, die tauten.
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Aw: gipfelsturm

Beitragvon Friederich » So 09 Jan, 2011 13:25


Hallo Perry,

ich finde das Gedicht lesenswert, weil der Sprachfluss so gestaltet ist, dass ein Gefühl der Beschleunigung entsteht. Dies gelingt vor allem durch die größere Satzlänge zum Ende hin und, auch wenn ich weiß dass du nichts von metrischer Analyse bei freier Lyrik hälst, durch einen Anflug von Daktylus am Ende.

Du beschreibst meiner Lesart zufolge, wie ein Brief gelesen wird und die dadurch geweckten Erinnerungen an eine kurze, intensive Episode, die mit Ernüchterung endete. Dass das benutzte Bild des Gipfels kein sehr innovatives ist, stört mich nicht, da es mit dem "tauen" eine interessante Variante erhält, denn es erhält durch das uneigentliche Bild des (in der Realität ja nicht möglichen) Tauens des Gipfels selbst einen Hauch Abstraktion. Auch die Einbindung des Verdrängten Unwohlseins in einen Sprachfluss, der das Verdrängen sprachlich untermauert, gefällt mir.
Was mich stört ist, dass das "Speicherzellen der Erinnerung" als technisches Bild nicht wieder aufgegriffen wird. Auch das "Hoch nach Trauben sprangen" wirkt, trotz der Einbettung in den Kontext und der Motivation der Übertreibung, kitschig.

VG,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Aw: gipfelsturm

Beitragvon Perry » So 09 Jan, 2011 17:34


Hallo Friederich,
danke für deine detailierte Betrachtung und deine Sicht zu meinen Zeilen.
Der Gipfelsturm ist hier eine Metapher für das Streben nach Glück, deshalb ist das Erreichte auch nur ein Gipfel im übertragenen Sinn, der bestehend aus Vergänglichem (hier vergleichbar mit glitzerndem Eis) taut.
Das Fabelbild von dem Fuchs und der Traube ist bewusst naiv (nicht kitschig) gehalten, weil es die anfängliche Euphorie in Gegensatz zu der späteren bitteren Erkenntnis polarisieren soll.
Dass das Bild der "Speicherzellen der Erinnerung" nicht weitergeführt wird ist richtig, aber wenn man jedes lyrisches Bild noch einmal aufgreifen würde, dann bekäme man doch sehr beengte Texte. Ich habe es gewählt, um die differenzierte Sicht des LI auf die in ihm ruhenden Erinnerungen auszudrücken.
LG
Perry
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Zurück zu Zucker und Salz

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron