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spiegelung

BeitragVerfasst: So 21 Jul, 2013 11:51
von wilma
spiegelung

ich sehe dich
aufgesplittert,
mit dreck am stecken,

gelöst, - wie frei -

glasfasernerven,
rüde und grausam.


ich sehe sie,
die schulterflügel,

trotz bleifüßen, doch
heute trägst du wieder

den grauen schleier,
mein kleines schwarzes
loch im kaleidoskop.

schnurrend zerkratze
ich dir das gesicht,
liebeäugele,
bewundere dich
mit abscheu:

deine fellweichen
giftstacheln und
wie du mir das blut
von der seele leckst
mit der rasierklinge
auf der zungenspitze.

Re: spiegelung

BeitragVerfasst: Mo 22 Jul, 2013 12:23
von kokoschanell
liebe Wilma,

das ist wirklich kein Gedicht, wo man mal drüber lesen kann.
Starke Bilder voller Gewalt und doch Zuneigung, Liebe fast.
Zerspilttert, der Prpotagonist, der sich-
so würe ich es im zweiten Denkansatz interpretieren, selbst betrachtet.
Sich qausi spiegt in einem Spiegel vielleicht oder durch intensive innere Selbstbetrachtung.

Gespilttert ist er, der Mensch in zwei Teile, die sich gut finden und wieder nicht. Vielleicht geht es um Selbstakzeptanz,.
Angst ist bei aller Stärke, die die Gewalt demonstrieren will, auch da.
Die Schulterflügel, sie flügeln , also zittern.
Starke Bilder bis zum Schluß, die Rasierklinge auf der Zungenspitze, ja, das hat was.

Die zweite Interpetaionsvariante wäre eine Haßliebes Beziehung, vielleicht eine, wo die Frau nicht vom Mann loskommt, obwohl er sie mit Gewalt belegt. So was gibt es ja.
So sehr, dass sie sich selbst in ihm spiegelt (Titel) und sehr wohl erkennt, dass sie sich unwert macht, wenn sie ihn nicht verlässt.

Erste Interpretation würde mich mehr reizen, die zweite fiel mir beim ersten Lesen ein.

LG von KOKO

Re: spiegelung

BeitragVerfasst: Mo 22 Jul, 2013 14:37
von findefuchs
Hallo Wilma,

ein schön giftiges Teil hast du da geschrieben, aber toll!.

Sarkastisch hasserfüllte, verächtliche Bewunderung des Gegenübers, aus Selbstverachtung, weil man einander kennt bis ins Mark, sich im anderen wie in einem Spiegel sieht - und vernichtende Verzweiflung, dass es so gekommen ist, so sein muss, obwohl doch dahinter im Grunde verscharrt und tief vergraben etwas steht, was um keinen zugegeben werden kann: Liebe.

Ja, ein sehr interessanter Text mit viel Schmackes.


Gruß.

finde

Re: spiegelung

BeitragVerfasst: Di 23 Jul, 2013 08:21
von rivus
hi wilma,


starkes stück, finde ich wie finde! ja, welche momente bescheren uns solch eine spiegelung? die wahrnehmung ist vielfach fokussiert und weit weg vom idealischen menschen. das aufgesplitterte wahrnehmen ermöglich erst, so scheint es, ein du mit seinem "dreck am stecken" zu sehen, als ob davor, nie so eine spiegelung passiert ist. etwas scheint geschehen?vielleicht eine tiefere auseinandersetzung? ein streit mit einem widersprüchlichen du? ein innerlicher widerstreit mit ambivalenzen? ... oder die konfrontation mit einem du, ausgestattet mit "glasfasernerven", welches "rüde und grausam" sich nimmt, von einem ich, das sich dennoch bisher befreit fühlte, in den begegnungen mit dem so ganz anders gearteten, mit jekyll-anteilen ausgerüsteten du. aber warum inspirierte dieses du das ich, das sich dank dieses du's, trotz bleifüße, beflügeln konnte und sich trotz der spiegelung wieder hingezogen fühlt zu diesem du. ist es der graue nektar, der das bunte schmetterlingsich anlockt, um das kaleidoskopisch-naive aufzubrechen und in eine wirklichkeit zu bringen, die ein lebensgefühl vermittelt, welches den schönen schein herauszuschneiden vermag und bodenständigkeit flügel verleiht, sodass leben noch facettenreicher wird? wohin führt diese spiegelung, die abscheu und bewunderung augenblicklich zusammenkittet, um dieses faszinosum von liebäugelnder zuneigung und schmerzzufügender abneigung zusammenzuhalten?

das erst mal

lg rivus