von Friederich » So 25 Apr, 2010 13:57
Hallo Alcedo,
beim zweiten Lesen kam mir die Assoziation: Benn! Er erscheint am Horizont für mich durch die metaphorische Verwendung des Pflanzenmotivs, da mit einer gewissen Morbidität (Vers V) und gleichzeitig einer Hoffnung gearbeitet wird. Vor allem dieser inhaltsbezogene intertextuelle Bezug und das Hinüberwechseln auf eine lyrisch-"metadiegetische" Ebene, zumindest im Bereich der Wirkung der letzten Strophe beim Rezipienten und natürlich durch die Ansprache des Stilmittels des Metrums in Strophe III, macht das Gedicht für mich lesenswert.
Markant ist zunächst der Wechsel von der reinen Beschreibungsebene zu einer Art Monolog, der an die Weide gerichtet ist und mir gut gefällt. Passend zur recht stringenten Form ist auch die Verwendung der Alliteration in der ersten Strophe. Ein wenig negativ fällt mir das Ende des dritten Verses auf, denn dieses "drei" scheint mir, auch wenn sich eine interessante Reihe mit "entwzei" andeutet, nicht so recht motiviert und nötig zu sein.
Schön finde ich die Inversion "immer noch" und "noch immer", die die Stagnation betont. Beste Strophe ist für mich aber klar die dritte, wo das Loben des Baums direkt Bezug zu der Form des Lobs, des Gedichts, nimmt, dessen direkt klassisch als solches erkennbare Form damit auch eine zusätzliche Berechtigung erhält.
Anmerkug: Es müsste doch "bitt're" und nicht "bittre" heißen. Insgesamt ein lesenswerter Text, nicht ohne ein Augenzwinkern in meiner Lesart und daher auch in seiner klassischen Form glaubhaft. Nur die paar angesprochenen Dinge fallen mir noch negativ auf und, ja, der Titel könnte etwas anziehender sein, denn er war es nicht, der mich zum Lesen motiviert hat, viel eher bin ich, nach zufälligem darauf stoßen, durch den Text selbst hängen geblieben.
Grüße,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)
Friederich