von rivus » Di 11 Apr, 2017 22:18
Lieber Alcedo,
zunächst katapultiere ich mich zurück in die siebziger Jahre. In den Endsiebzigern musste ich einen Vortrag im Fach Astronomie halten. Damals wurde der Jupiter als ursprüngliche 2.Sonne und unser Planetensystem als Doppelsonnensystem diskutiert. Dazu sollte die Raumsonde Pioneer 10 bei ihren Vorbeiflug Erkenntnisse über den Jupiter und auch über deren mythischen Monde einsammeln. //
Nun hat der Jupiter, seinem vorangestellten Sonnen-Sonderstatus gebührend, am 8.März seine vollkommene Oppositionstellung eingenommen und auch die Entfernung zur Erde auf die geringste Entfernung minimiert, sodass ein Teleskop die Nymphe Kallisto erspähen könnte. Ach, es ist wohl der majestätische Maßstab einer anderen Vergänglichkeit, die Jupiter nicht nur Kallisto verführen lässt, die schließlich vielerorts verbannt wird, sondern auch dem irdischen Betrachter antizipiert, wie vermessen es ist, es Jupiter und der Arkaderin Kallisto gleich zu tun. Um in einer anderen Dimension, zum Beispiel in den Sternbildern der Großen Bärin und des Bootes nicht für ewig verortet zu werden, geziemt es sich, sowohl Jupiter als auch den Mond Kallisto wie es einst auch die Pioneer 10 praktizierte liegen zu lassen und ihre Mythen nicht noch eine weitere hinzuzufügen ... //
Der Text veranschaulicht mir, wie ein Naturereignis sich mit den Mechanismen und Techniken menschlicher Wahrnehmung objektiv vermischt und der neugierige Fokus auf ein Objekt der Begierde etwas impliziert wie die Ehrfurcht, dass die Relativität von Zeit, sich durch Phantasie überlisten lässt. So gesehen braucht der Betrachter keine Angst mehr zu haben, etwas zu überholen, was noch in seiner, einer menschlichen, nach Jupitermaßstäben nahen Zukunft liegt...
Ach Alcedo, du bringst den Überholvorgang prosaisch in Position. Der Leser folgt einer präzisen Standortbestimmung, das Stativ wirft nicht nur einen Schatten, sondern entwirft einen Sternenhimmel, der uns näher bringt an unser archaisch und mythisch ausgeprägtes Gemüt. Was steckt dahinter? Was verbirgt sich hinter dem negativen Muttermal? Ist es eine arkadische Botschaft? Ist es die gäische Urangst aller Mütter, nur noch mythischer verpackt und an trabantische Umlaufbahnen gebunden, die uns ausgebreitet wird? Oder ist es vielmehr die Erkenntnis eines fündig Gewordenen,der schon längst für sich eine alte Geschichte aufgearbeitet hat und der unter dem Eindruck der besonderen Konstellation, Mutter, Sohn und Vater könnten sich auf eine andere Weise wieder begegnen, sich zum Überholvorgang entschließt, weil ihm Jupiter und die kraterreiche Kallisto keine andre Wahl lassen?
Gern darüber etwas nachgedacht!
Gruß
rivus
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rivus am Do 13 Apr, 2017 15:04, insgesamt 3-mal geändert.