Optimistische, fröhliche Gedichte

Traumwülkchen

Beitragvon anne von rosarot » Do 04 Dez, 2008 18:44


Niemals will ich
meine Augen schließen
und enttäuscht fragen:
"War´s das?"


Immer will ich
auf dem Regenbogen balancieren,
die schwanenweißen Wolkentupfen kitzeln,
mit den Sonnenstrahlen Verstecken spielen,
auf meinen Traumwölkchen schweben,
meine Nase in wunderschöne Blüten stecken
bis ich niesen muss.
anne von rosarot
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Re: Traumwükchen

Beitragvon Friederich » So 07 Dez, 2008 12:37


Hallo anne,

ich gebe zu, von der flaumig-weichen Bilderwelt deines Gedichts angetan zu sein. Sicher wäre der Einwand möglich, soviel an Kitsch grenzende Bilder in einem so kurzen Gedicht seien nicht mit der Einstufung „lesenswert“ zu vereinen. Nein, dieser Text ist zu originell, als dass dies für mich im Ernst als Einwand in Betracht käme. Formal besticht die Zweiteilung. Ein kurzer, von einem „niemals“ eingeleiteter Teil wird von einem bis an die Grenze metaphorischen Abschnitt abgelöst, eingeleitet von einem „immer“. Doch genau diesem fast trotzig euphorischem „immer“ stellst du eine buchstäblich reizvolle Deutbarkeit an die Seite, indem du es mit dem Begriff des Niesens einrahmst. So bleibt das Leben in „schwanenweißen Wolkentupfen“, auf „Traumwölkchen“ keine beinahe naive Traumschilderung, sondern der Begriff des Erwachens aus einer Illusion kommt ins Spiel oder aber, wozu ich eigentlich eher tendiere, die Gefahr eines Illusionsüberflusses. Das „Erwachen“ als Begriff des Endes rundet die Deutbarkeit ab, denn das „Niesen“ stellt sich hier der verbitterten Frage „war’s das?“ an sich selbst gegenüber, wodurch ein schöner Kontrast entsteht.

Noch einmal zur Form: Dem erzählenden ersten Teil steht seine freie Form samt wörtlicher Rede ganz gut. Im zweiten Teil fällt mir die Alliteration in der zweiten Zeile ins Auge, die ich gelungen verwendet finde. Darüber hinaus fällt die Häufung von träumerischen Neologismen mit mehr als drei Silben auf („Traumwölkchen“, „wunderschöne“, „schwanenweißen“, „Wolkentupfen“). Auf der einen Seite stört dies den Lesefluss, da rein phonetisch etwas Abwechslung fehlt, auf der anderen Seite steigert es sich zum Niesen hin, zu einer fast notwendigen „Erlösung“. Ein lesenswerter Text, da trotz der Vielzahl bunter Bilder nicht kitschig.

Gruß, Friederich

P.S.: Hast du dich beim Titel vertippt?
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

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