Optimistische, fröhliche Gedichte

Niemals zu Hause

Beitragvon tagedieb » So 04 Jan, 2009 16:46


Ich bin schon zu oft angekommen und
sollte nicht bleiben. Ohn’ Glück hieß ich
mich und jetzt knurren mir die blassen
Lumpenkinder am Wegesrand ihr Lied:

| Wann kehrst Du Heim, Fremder?
| Hat nicht Dein Fliehen ein Ufer?
| Was willst Du hier? Mit Dir sind …

Gott ist freundlich und der Weg belehrt
meine Füße. Bis zum Anschlag das Herz
in Schlacke und doch gesättigt mit Licht.
Bunt wie Minze die Hände; so singe ich:

| Du wirst heimkehren, Vertrauter.
| Dein Anbranden hat seine Frist.
| Steh nicht still. Die Guten sind ...


Januar 2009
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Re: Niemals zu Hause

Beitragvon apnoe » Mo 05 Jan, 2009 18:40


lieber tagedieb, ich danke dir sehr für die widmung. dass mir das viel bedeutet, muss ich wahrscheinlich nicht sagen. ich tus trotzdem.
und danke dir.
nun, trotzdem hatte ich damit zu tun, eine nachvollziehbare interpretation für mich selbst aufzustellen, intuitiv mochte ich den inhalt, aber kognitiv konnte ich ihn nicht ganz einordnen.
erster schritt.
die überschrift.

Niemals zu Hause

niemals zu hause kann zweierlei heißen.
einerseits ist es ein zustand, in dem reisende sich befinden. sie sind niemals zuhause, weil sie dauernd unterwegs und überall fremd sind…und andererseits kann es auch bedeuten, dass sich jemand einfach nicht zuhause fühlt, selbst wenn er eines hat.

Ich bin schon zu oft angekommen und
sollte nicht bleiben. Ohn’ Glück hieß ich
mich und jetzt knurren mir die blassen
Lumpenkinder am Wegesrand ihr Lied:

die erste zeile impliziert, dass das lyrich schon oft angekommen ist. zu oft, um verstehen zu können, dass es nicht bleiben konnte. eigentlich sollte es nicht bleiben. wollte es nicht, der umstände wegen oder durfte es nicht? wer die ursache des wieder gehen müssens ist, geht hier nicht deutlich hervor. wohl aber, dass es schlimm für das lyrich war. es hieß sich „ohn glück“, so als ob das ein zweiter name sein könnte. gemeint ist damit wahrscheinlich die annahme, dass es eben einfach kein glück hatte. diese ansicht können die knurrenden blassen kinder in lumpen, arme, wirklich vom unglück verfolgte armselige kreaturen, nicht teilen. denn sie leben wie hungrige hunde und kennen wahres elend.
ihr lied ist fast eine kampfansage an den fremden:

| Wann kehrst Du heim, Fremder?
| Hat nicht Dein Fliehen ein Ufer?
| Was willst Du hier? Mit Dir sind …


sieh hin, du bist nicht ohne glück und nicht ohne heim, so wie wir. du rennst ihm bloß dauernd davon. du könntest eine heimat haben, wenn du nur wolltest. wir vermissen das. wir haben nichts.
ihr lied spricht zum lyrich:
denk nach, warum du noch in der fremde bist. geh doch heim, du bist fremd hier, aber du hast ein zuhause, vor dem du fliehst. das heißt, es gibt eine gefahr, vor der das lyrich weg lief, aber es gibt land in sicht- ein ufer- das rettung verspricht, land, heimat. es erinnert an die hoffnung von seefahrern oder ertrinkender, ein ufer zu erreichen.
das lied fragt, was willst du hier? und klingt damit fast wie ein, mach dich fort.
und es bricht ab nach den worten: mit dir sind… wer ist mit dir?

Gott ist freundlich und der Weg belehrt
meine Füße. Bis zum Anschlag das Herz
in Schlacke und doch gesättigt mit Licht.
Bunt wie Minze die Hände; so singe ich:

diese zeilen haben mich an kirchenfenster und dieses kirchenlied erinnert:

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;
[…]
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

es klingt tröstlich, dass das lyrich hier nicht ganz allein als fremder in der fremde weiter muss, sondern auch von gottvertrauen auf seinem weg begleitet wird. gott ist freundlich, er lehrt das lyrich nicht durch strafe für fehler oder umwege, sondern er lässt nur die füße spüren, wo sie nun hingehen sollen. die füße tragen das lyrich dahin, wohin es gehen kann, fast so, als ob sie es besser wüssten als das lyrich. so, als ob sie nun wieder die herrschaft über den weg innehaben, den das lyrich nun einschlagen soll. wenn das herz/ der kopf des lyrich irrt, tragen es seine füße wieder auf den rechten weg zurück.
das herz mag noch so voll sein, zum bersten und heiß gewesen ist es, nun eingebettet in schlacke…einem abfallprodukt von verbrennungsvorgängen. und trotzdem ist es satt. es fehlt nichts, eher ist es zu voll- aber es hat licht, es erstickt nicht in der asche. tröstlich. und hoffnungsvoll ist dieser gedanke.
bunt wie minze die hände… darüber hab ich nachgedacht, und bin zum schluss gekommen, dass sie, minze, bunte hände im licht hat. entweder von den glasfenstern in einer kirche oder weil minze mit allen sinnen lebt und auch mit den händen malt…so wie das lyrich.

| Du wirst heimkehren, Vertrauter.
| Dein Anbranden hat seine Frist.
| Steh nicht still. Die Guten sind ...

nun hat auch das lyrich mut gefasst, es kann sich selbst vertrauen, es ist auf einem guten weg. es wird heimkehren und sein anbranden, sein wogen, sein bennen hat ein ende, es verbrennt sein herz nicht. es geht weiter, verharrt nicht in der fremde, nicht im schmerz, es geht heim, singend, und setzt auch die zeile der wegesrandkinder fort?
die guten sind mit dir. mit dir sind die guten? war das so gedacht?
das lyrich ist nicht allein, es ist von guten mächten umgeben und es kann das gute des irrwegs sogar als teil eines weges erkennen.
fertig. und schlüssig auch irgendwie.
es ist schön, dass du schreibst. ich mag, was du schreibst. und so verstehe ich den text.

liebe grüße
a
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
apnoe
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