Optimistische, fröhliche Gedichte

münderinnern

Beitragvon Anna Lyse » Do 11 Mär, 2010 21:28


was war mit den grabbeeren. diese oder?
alte frau schwer knieend(e) pflückt.
es waren die erdigsten beeren in der
das tiefste rot so süß ein honig klopft,
nie mehr rundlich oder modrig schmecken
darf, am stein am grab die mneme im mund.
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Anna Lyse
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i can' t forget, but i don' t remember what (leonard cohen)

Beitragvon Drehrassel » Do 11 Mär, 2010 22:54


die queen der an ambíguität kaum noch zu überbietenden neologismen, mal wieder! - mal stark, dann wieder: okaaaaaay... / aber alles ziemlich routiniert vermengt mit einem gleich hoch (wie hoch? welche skala heranziehn? norton? nein, so wund ist sie nicht, die derma / ßen derma /tologisch-po / -etologische konsequenz deiner in ihren besten stellen schöner als schönen verse, isis). ganz ausm bauch raus: der titel! was soll man da denn alles simultan lesen? münden, erinnern, mund, münder, das innere, ein rinnen... usw. usf. /
"knieend(e)": das knie, das ende, das knie-ende, die knieende... das (k)- nie! ende... eieieiei! wie schön, dass du zwischendurch auch mal wieder auflockerst und mit andern stilmitteln aufwartest! z.b. das plötzliche infragestellen des lyrischen sujets: "diese oder?". sowas ist immer ganz gut, und sollte man immer wieder in gedichte einbauen. den leser verunsichern, rausreißen, um ihn gerade dadurch wieder in die lektüre zu zwingen. ist das die denke der "knieend(e)[n]" oder autor(inn)en-kommi?`- preisfrage! BEIDES NATÜRLICH! und deshalb ist es gut gemacht.

... oder dann wieder so ne süßen personifikationen, der klopfende honig.

am aller aller besten, in diesem insgesamt ganz guten, aber sehr wohl verbesserunxfähigen gedicht ist ausgerechnet der schluss, an dem ich einen konkreten vorschlag zur änderung hätte. "die mneme im mund"! hey! wow! isi! ganz ganz stark, finde ich. das in den mund nehmen, und das noch in diesem bezaubernden brabbel-sound, der weglenkt von diesem harten (ehrlicherweise etwas störenden) "alte frau"-part... : das kann man besser lösen. ich weiß, irgendwie muss man ja noch sein thema, sein eigentliches realisieren, aber das wirkt da... ich weiß nicht... oder, es ist als eine art kontrapunkt wieder gut. ich bin mir da grad nicht sicher. eigentlich ist es ausgelutscht. aber wie gesagt... hm... / das ist wieder dieses direkte umsetzen von semantik in die lautgestaltung der sprache. "mmmh" dieses gutturale goutiern, dieses schmecken und ausdrücken und auf der zunge zergehn lassen, in die kehle rutschen lassen und wieder hervor holen... zwischen den schneidezähnen ausquetschen... ruhig, sanft und selbstvergessen. die muse der erinnerung! hey, sagte ich schon "wow"? glaube, ja. nochmal: wow! - aber das "im" ist mir sogar noch zu klar gesetzt an dem punkt. hier darfst du sogar NOCH! mehr in die vollen gehen, finde ich. das ist das finale und es ist sowieso schon am rande des unaussprechlichen. also schreib was wie "die meneme 'n mund" oder so. das muss da am ende nur noch so ein schlecken schlürfen süffen schmatzen in sich selbst schmeckendes sein.

hat potential. tolle stellen. sehr virtuos zum teil. kann man aber auch noch was dran feilen. denksch.

dein dreh
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
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Re: münderinnern

Beitragvon Friederich » Do 11 Mär, 2010 22:57


Hallo Isa :)

ich lese hier deine typische lyrische Stimme heraus und dennoch ist es etwas anderes. Es bewegt sich genau in der Mitte zwischen deinen sensibel leichten und den stärker "hermetischen" Gedichten und ist damit, von einem Fragezeichen abgesehen, zu dem ich noch komme, sehr lesenswert und dicht.

Ich nähere mich dem Text so, dass der Sprecher ein Sujet anspricht, dass für ihn/sie eigentlich unaussprechbar ist. Ganz entfernt erinnert mich das an so etwas wie Trümmerlyrik, weil auch hier eine Form gewählt wird, die die Schwierigkeit der Versprachlichung/Verarbeitung in den Vordergrund stellt.
was war mit den grabbeeren. diese oder?
alte frau schwer knieend(e) pflückt.

Ich glaube, ich habe noch nie etwas so verwinkelt, ja fast stolpernd und ungeschickt ausgedrücktes gelesen, das mich dabei so überzeugt hat. Denn all die negativen Attribute sind letztlich genau das, was die Aussage konstituiert. Zunächst wird die Frage nach "Grabbeeren" gestellt und eine alte Frau angesprochen, die diese pflückt. Die Erinnerung an diese Szenerie scheint schon verblasst, was nicht nur die Frage, sondern auch das Fragezeichen und die Einklammerung, die den Akzent entweder auf das "kniehende" oder auf das Partizip Präsens legt, was einen unsicheren Eindruck erzeugt.

Ein weiteres Merkmal, mit dem du diesen Eindruck über das ganze Gedicht erzeugst, ist der Sinnabbruch am Zeilenende. So ist das ganze wieder in Versform zu lesen, wenn man nicht bewusst einen Sinnsprung macht relativ zum Erwarteten, weil plötzlich mit "der" ein Singular kommt:

es waren die erdigsten beeren in der
das tiefste rot so süß ein honig klopft


Was mir sehr gefällt, ist der kreative Verbgebrauch. Der Honig klopft, die Erdbeere schmeckt rundlich. Dann hinterlässt aber das "Mneme" ein tiefes Fragezeichen, dass vermutlich von dir sogar gewollt ist ... Ein weiterer Ausdruck der Sprachlosigkeit? Als sich nicht ganz sicher seiender Leser kann sich aber auch das Gefühl einstellen, jetzt doch nicht durchgestiegen zu sein. So ist das für mich ein Schwachpunkt, denn formale Hinweise auf die Schwierigkeit der sprachlichen Situation des lyrischen Sprechers gibt es genug im Text und es bedarf keiner solchen Konstruktion. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen ;)

Insgesamt macht sich die "Aussage" (in Klammern, weil es ja fast schade ist, aus einem Gedicht nur eine einzige Aussage ziehen zu wollen) am Begriff der Beere fest. Ich lese sie hier als Erinnerung, die an Kontur zu verlieren droht (sie ist selbst schon Erinnerung) und die es wert ist, dafür Mühen auch sich zu nehmen (das Kniehen). Nach längerem Wirkenlassen würden sich aber bestimmt noch weitere, und vielleicht näher an deine Intention heranreichende, Assoziationen ergeben. Auf jeden Fall ein sehr starker Text!

Liebe Grüße,

Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

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Re: münderinnern

Beitragvon exmaex » Fr 12 Mär, 2010 00:38


ich las erst münderInnen und fände das viel cooler
irgendwie
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Re: münderinnern

Beitragvon Anna Lyse » Sa 13 Mär, 2010 14:47


hallo.

auch wenn ich zu nichts anderes mehr komme, zum antworten reicht meine begrenzte zeit heute noch.
danke fürs lesen und so, ich spuhl mal vor, wird ja langweilig diese ewigen danksagungen :D

so dreh. also ich hatte den text hier eingestellt weil ich nicht so ganz zufrieden war, die stellen an denen es stark verbesserungswürdig ist hast du gut erkannt. das mit der alten frau ja das liest sich etwas komisch aber dann wiederum frag ich mich warum ich es total verdrehen sollte muss es da gut klingen? oder klingt es schlecht? ist das zu platt? ja alles zusammen wohl schon. aber was soll ich statt "alter frau" schreiben? ne idee? bin hilflos, mir fällt nix ein und ich hab auch keine lust ständig im innovationsmist zu gabeln nur damits sooooooo originell ist, verstehst du? bitte verstehe mich :D ich mein, ja doch es ist komisch so platt auf einmal vor allem gleich zu beginn so geradeheraus geschrieben, ich weiss noch nicht was ich tun soll, denn mir gefällts so auch nicht. mal ruhen lassen ne.

ja und dann noch der vieldeutige tite, vielleicht zu vieldeutig, zu verwirrend aber ich lese es eigentlich nur in eine richtung, diese tausendfachen möglichkeiten sollten dann wohl für den leser sein, auch wenns kein geschenk ist.

deshalb danke ich schonmal ex. fürs ansprechen vom titel. vielleicht ist das sogar cooler, ich werd mal noch ne version machen mit deinem vorschlag. weil! ich hatte das als allererstes im kopf und habs dann umgeändert, ich fands einfach klanglich schöner auch wenns sich so ein bisschen uncool liest ;)

zurück zur drehrassel (muss mal fertig werden).
hier darfst du sogar NOCH! mehr in die vollen gehen, finde ich. das ist das finale und es ist sowieso schon am rande des unaussprechlichen. also schreib was wie "die meneme 'n mund" oder so. das muss da am ende nur noch so ein schlecken schlürfen süffen schmatzen in sich selbst schmeckendes sein.


ja doch dein vorschlag gefällt mir, frag mich nur ob das nicht too much ist. also wenn ich deinen vorschlag annehmen würde (was sehr gut sien kann) dann würde ich aber die "alte frau" so stehen lassen weil ich schon befürchte ich würde den leser mit einer zu virtuosen keule erschlagen. verstehst du? das will schon ne gute mischung sein und nicht so prall gefüllt, ist ja leider kein geldsack oder so.
was mir jetzt im nachhinein aufgefallen ist ich bin doch froh, nicht wie als allererstes geschrieben die mem genommen zu haben aber anstattdessen das altgriechische wort mneme. denn, zwar könnte der leser einfacher von dem wort mem die memory ableiten aber noch witziger find ich die ableitung von mneme = die muse der erinnerung oder man nehme :D das mit dem "man nehme" ist mir erst durch dich klargeworden.

so danke für den ausführlichen kommentar dreh :)
werd schauen wann und was sich noch daran machen lässt.

hi friederich!

danke habe ich ja gesagt :) und ich finde deine interpretation ist wirklich spannend, ja ich saß ganz gebannt davor und habe mir jedes einzelne wort auf der zunge zergehen lassen. hat gut geschmeckt !

Als sich nicht ganz sicher seiender Leser kann sich aber auch das Gefühl einstellen, jetzt doch nicht durchgestiegen zu sein. So ist das für mich ein Schwachpunkt, denn formale Hinweise auf die Schwierigkeit der sprachlichen Situation des lyrischen Sprechers gibt es genug im Text und es bedarf keiner solchen Konstruktion. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen ;)


ja doch vielleicht verkaufe ich den leser für dumm oder ich meine alle würden schon klarkommen irgendwie :D weiss nicht, so wirklich rätselhaft sollte das ende nicht sein aber so gesehen hast du recht ja. kann nicht erwarten dass sich der leser damit ewig auseinandersetzt aber man könnte auch einfach nur nach dem laut gehen. verstehst du friederich? es spricht ja nix dagegen nur den laut und den klang davon zu beachten, sinn wurst, inhalt wurst...man könnte.

mir gefallen deine gedanken dazu, werde sie mir noch ein paarmal durchlesen.

liebe grüße an euch,
isa

j
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