hallo aichi, die hildegard liegt mir nun schon seit tagen in den ohren, ich solle doch etwas zu diesem gedicht schreiben. heute will ich sie jedoch überraschen, solang sie noch im kuhstall ist. sie wird sich wundern, wenn sie zurückkommt und ich habe schon alles ins internet übertragen, was sie mir als vorlage auf einem kleinen zettel notiert hat.
also, die hildegard meint:
sehr löblich erscheint es, die empfindungen und den status des li bezüglich einer verflossenen beziehung in ein herbstgeschehen einzubetten. dies bietet sich an, immer wieder und immerfort. da ist dann auch schon das erste problem: verwende ich solch berechenbare und tausendfach sich wiederholende herbstaussagen wie:
Lichtscheue Tage kündigen ihre Rückkehr an
Der Wind umgarnt die buntbetupften Blätter des Herbstes,
dann hat das gedicht schon verloren.
der leser sollte selbst anhand von im gedicht verwendeten sprachlichen mitteln die herbststimmung erfühlen, nachfühlen, in eine im durchaus weiteren sinne leicht angetupfte herbststimmung eintauchen dürfen, die als assoziationsangebot daherkommt.
hier jedoch wird der herbst mit stählerner feder ins papier gekratzt.
damit meine ich, du hast beschrieben, nicht umschrieben. klare aussagen getroffen, jedoch nicht verdichtet.
"der wind umgarnt die buntbetupften blätter des herbstes" entschuldige die klaren worte hier, aber das nenne ich kitsch. die wahl des verbes im zusammenhang mit dem redundanten buntbetupft (blätter des herbstes- da denkt doch wohl niemand an kräftiges grün?) kommt für mich als leser so süßlich übertrieben daher, dass das gedicht schon hier verloren hat.
blätter des herbsteshier zeigt sich ein nächster schwachpunkt deiner dichtung. die häufung der genitivkonstruktionen (genitivattribute) in einem relativ kurzen text sorgen für langeweile, bieten wenig verdichtungsmöglichkeit, eher entsteht so die gefahr einer parolisierung des ganzen.
du verwendest: 1)
blätter des herbstes, 2)
straßen der regenbögen, 3)
watt der hohen see, 4)
fels der melancholiedie "straßen der regenbögen" und besonders auch den "fels der melancholie" solltest du nach meinem dafürhalten unbedingt meiden. hier besteht nicht nur ausgiebige kitschgefahr, sondern das beabsichtigte, heraufzubeschwörende gefühlsmoment des gedichtes kippt und wird ins lächerliche gezogen. die wiese der einsicht, das tal der freude, der fluss des friedens ....usw., das liest sich doch furchtbar, oder?
was ist ein fels der melancholie? das ist ein sehr unstimmiges bild, wobei ich davon ausgehe, dass du diesen bruch nicht bewußt gesetzt hast. die melancholie oft auch als süßes gift beschriebenes gefühlsmoment mit einem fels zu verbinden, wirkt nicht geglückt. auch an diesem felsen zu zerschellen, kommt nur pathetisch überladen daher.
das ist dann auch ein weiteres grundproblem des textes: die pathetik und überladung, siehe z.B. das redundante "buntbetupft" oder die benannten genitivattribute. auch die wahl des englischen titels kommt für mich dann nur effekterheischend daher. weshalb hier kein deutscher titel? für mich nicht nachvollziehbar.
um die qualen nicht unnötig zu verlängern, eine letzte anmerkung.
das semantische feld. wie ich zu beginn erwähnte, ist es keine neue aber brauchbare möglichkeit mittels des herbstes über trennung und restgefühle an eine verblichene beziehung zu sinnieren.
nun kommt aber bei dir aus mir nicht erklärlichen gründen das meer hinzu (watt, hohe see, rauschen, fels der melancholie). so ist für meine empfindung das feld zu weit beackert. vielleicht solltest du beim herbst mit all seinen möglichkeiten der bildfindung bleiben. so wird man hier als leser erst durch den herbst geführt, dann ins meer getrieben, um letzendlich zu zerschellen.
zum schluß noch schöne grüße von hildegard, auf deren zettel noch am unteren rand, ganz klein geschrieben steht, dass vielleicht einige gedanken hilfreich gewesen sein könnten.
hildegard verbleibt mit freundlichem gruß.
p.s. auch grüße von OlafmitdemTraktor