Pessimistische Lyrik

Nachbilder

Beitragvon rivus » Do 28 Dez, 2017 00:20


Zum Beispiel eine Schlossruine besuchen,
der Rest vom Keller ist unheimlich, seltsam kalt wie ein Pathologieraum.
Hier ließ man den Schlossherrn verhungern.
Es hieß, er war ein gütiger Mensch.

In seinem Bücherreich bevorzugte der Bibliothekar Bücher von Maupassant, Stendhal.
Stets war er zugleich traurig, freundlich, langatmig, kurzatmig.
Er wirkte weise ambivalent und mit seinem verwinkelten Bücherhaus verwachsen.
Als er in den Boden gedrückt wurde, hing er sich auf.

Mit einem Freund seinen Bruder aufsuchen.
Stacheldraht, Mauer, eisig-klirrende Winterluft waren zwischen uns.
Sie konnten sich nur schluchzend verständigen.
Später gab es keinen Kontakt mehr.
Noch später haben wir seine Zelle entdeckt.
Unvorstellbar kleinster Raum mit drei Vierstockbetten …

Auf einer Montagsdemo mit den Worten von Christa Wolf ringen.
Am Dauerbrandofen bei Wenzel’s „Stirb mit mir ein Stück“ Disput mit einem Philosophen.
Über Mutterländer, Vaterländer, kaputte Lebensläufe gestritten,
doch überdeutlich die Todeszeichen der Gesellschaft,
der Blutzoll der Ideale.
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