Pessimistische Lyrik

Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon isaban » Do 18 Sep, 2008 18:06


Es bleibt die vage, leise Trauer.
Du weißt genau, dir fehlt da was:
Die Lücke scheuert ohne Unterlass
an deiner Kopfsteinmauer.

Du untersuchst sie nicht genauer.
Dir macht der Alltag keinen Spaß,
des Nachts sind deine Wimpern nass,
die Stimme klingt tagtäglich grauer,

wenn du die Kinder anfährst, still zu sein.
Still bist du selber, tropfst nur auf Papier,
das zweite, dritte, vierte Leben,

als könntest du dir schriftlich geben,
was du nie warst, nicht bist und niemals wirst.
Du bist nicht da und hoffst das merkt kein Schwein.
isaban
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Re: Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon Pegamund » Fr 19 Sep, 2008 15:10


Hei, Isaban, alles ist immer so verdammt relativ.

Also, ich verstehe (behaupt ich mal), was für eine Situation/Stimmung/Lebensgefühlstönung beschrieben wird in dem Sonett, und aus einem bestimmten Blickwinkel würd ich sagen: "Ja, okeeh, kann man machen, es tut gut und macht Spaß, so was zu schreiben, und es ist eine bessere Beschäftigung als viele andere Beschäftigungen, und es ist ein besseres Gedicht als viele andere Buchstabenballungen, die gern ein Gedicht sein möchten".

Dann hab ich mich aber grade vorgestern bisschen in Benn gewälzt, der klebt noch stellenweise an mir, und der schreibt so Sachen wie:

"... da ist eine Heidelandschaft oder ein Sonnenuntergang, und da steht ein junger Mann oder ein Fräulein und hat eine melancholische Stimmung, und nun entsteht ein Gedicht. Nein, so entsteht kein Gedicht. Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten – ein Gedicht wird gemacht. Wenn Sie vom Gereimten das Stimmungsmäßige abziehen, was dann übrigbleibt, wenn dann noch etwas übrigbleibt, das ist dann vielleicht ein Gedicht."

Oder es geht dem Benn lyrikmäßig um

"... die monologische Kunst, die sich abhebt von der geradezu ontologischen Leere, die über allen Unterhaltungen liegt und die die Frage nahelegt, ob die Sprache überhaupt noch einen dialogischen Charakter in einem metaphysischen Sinne hat. Stellt sie überhaupt noch Verbindung her, bringt sie Überwindung, bringt sie Verwandlung, oder ist sie nur noch Material für Geschäftsbesprechungen und im übrigen das Sinnbild eines tragischen Verfalls? Gespräche, Diskussionen – es ist alles nur Sesselgemurmel, nichtswürdiges Vorwölben privater Reizzustände, in der Tiefe ist ruhelos das Andere, das uns machte, das wir aber nicht sehen. Die ganze Menschheit zehrt von einigen Selbstbegegnungen, aber wer begegnet sich selbst? Nur wenige und dann allein."

Und wenn ich dann über solches Gemurmel von dem Benn nachdenke, kommt mir ein Sonett wie dieses flach vor. Also, achachach, ich weiß nicht ...

Bei den Terzinen - da hätte ich als Reimschema erwartet:

a - b - c
c - b - a

Aber das "b" ist bestenfalls eine Assonanz (Papier / wirst) - ist es Absicht?

LG, Pega.
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Re: Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon isaban » Fr 19 Sep, 2008 16:53


@ Pegamund:

Ja, alles ist so verdammt relativ. Das ist zum einen beruhigend, kann aber durchaus auch als nervig betrachtet werden, eben relativ.
Benn. Hm. Wirkt nicht fast alles, was man unter diesen Gesichtspunkten betrachtet relativ flach?
Kann und sollte man solche Vergleiche ziehen - und wenn, sind die Resultate nicht gezwungenermaßen relativ?
Ich entnehme deinem Kommentar, dass du meinen Text flach findest, was ich bedauere, weil ich somit davon ausgehen muss, dass er nicht herüberbringen kann, was ich ausdrücken wollte, also eher zur Kategorie "misslungen" zu zählen ist, auch wenn du diese Aussage gleich wieder relativierst.
Merde. Dann sollte ich mich wohl in Benn verwandeln, um den hier als Ideal geäußerten Ansprüchen gerecht zu werden. Das ist noch ein weiter Weg fürchte ich und bin nicht einmal sicher, ob ich ihn gehen wollen würde, selbst wenn das möglich wäre, schätze ich doch die Freiheit, mit oder ohne Nutzung der klassischen Formen und Vorbilder meinen eigenen zu suchen vermutlich ebenso sehr, wie die meisten hier. Nur mal so interessenhalber (und ganz gewiss nicht, weil ich mich etwa in einem Anflug von Größenwahn mit genannten oder ungenannten bekannten Dichtern vergleichen möchte): Wie käme eigentlich Rielke bei so einem Vergleich weg, wie sähe es bei Celan aus, wie bei den "Heutigen"?

Der Formbruch, hier der Bruch im Reimschema der Terzette entspricht dem inhaltlichen, soll natürlich unterstreichen, welche Diskrepanz zwischen erdichtetem und gelebtem Leben besteht, wie ungereimt dieses Vorgehen ist, ebenso, wie im ersten Quartett, V3 und 4 der Bruch des Versmaßes und die Anpassung der Hebungen an den Inhalt eben diesen unterstreichen sollen und die vier fünfhebigen Verse in den Terzetten (V9, 10, 13, 14) die Realität wiedergeben, die beiden vierhebigen Verse (V11 u.12) den erfolglosen Fluchtversuch aus eben jener - wobei der Unreim (V10/13) die falsche "Ausfahrt" andeutet, die dabei genommen wird.

Hab vielen Dank für die interessante Rückmeldung, die Aufmerksamkeit, die du meinem Text schenktest und für die Lektion in Komparatistik.

Liebe Grüße,
Isaban

@ Mo: Sorry, zu spät gesehen, dass da vor dem eben beantworteten noch ein Kommentar stand.

hi,

der unkomplizierte charm deines gedichtes hat mich leider nicht erreicht. trotzdem muss ich lobenswert erwähnen das der profane inhalt sprachlich gut zur hausfrauenlyrik passt. mir ist allerdings nicht klar was an beschriebnner existenz noch vriabel sein sollte oder wie überhaupt der titel noch zum text passen soll, um dem geschreibe wenigstens eine ahnung von geschlossnehit zu liefern. im allgemeinen halte ich die emotionen hier für schlecht verpackt - ja frei nach holzhammermethode wurden die tränentropfen mit einem feuchtem lappen ins lyrische gesicht geklatscht.
reimen macht sicher viel spaß und gibt der sprache auch irgendwie eine berechtigung poetisch genannt zu werden, was wichtig ist wenn mann an anderen sprachlichen mitteln spart. allerdings sollte mann dann auf experimente wie "Spaß-Nass" verzichten.

schön fand ich auserdem:
'wenn du die Kinder anfährst,'
das erinnert an die guten stereotypen väter/mütter, die mit dem volvo die kinder in der einfahrt treffen. nach einem stressigen tag ist das auch nachvollziehbar. (vieleicht auch eine homage an Garp von john irving?)

viele grüße mo.-


Tja, es tut mir leid, dass dir der Text so wenig zusagt und dass sich dir nicht einmal der Zusammenhang zwischen Titel und Inhalt erschließt. Ich finde, ein Text sollte für sich selber sprechen. Tut er das nicht, so hat entweder der Autor versagt - oder zumindest die Lesererwartung nicht getroffen. Dieser entspricht definitiv nicht deiner, also muss er wohl misslungen sein.

eimen macht sicher viel spaß und gibt der sprache auch irgendwie eine berechtigung poetisch genannt zu werden, was wichtig ist wenn mann an anderen sprachlichen mitteln spart. allerdings sollte mann dann auf experimente wie "Spaß-Nass" verzichten.


Oh je, ich Dummerle ahnte nichts von solchen Gesetzmäßigkeiten.
Wer reimt sollte also die Finger von solchen Stilmitteln lassen, ja?
Na, ob ich wohl in der Lage bin, mir dieses Dogma für meine Hausfrauenlyrik zu merken?
Falls nicht, seht es mir nach, muss wohl die schlechte Hausfrau in mir sein.

Beschämte Grüße, Staub wischend,
Isaban
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Re: Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon isaban » So 21 Sep, 2008 00:29


daas dogma des reimens hast du dir selbst auferlegt und ich habe nur angemerkt das du an anderen mitteln m.e.n. sparst.

du solltest vieleicht genauer lesen was ich schreibe bevor du irgendwelche behauptungen anstellst.


Ich wüsste nicht von einem Dogma, das ich mir auferlegt hätte und finde es wirklich spannend, dass du sowas zu wissen scheinst. Du musst mich ja richtig gut kennen.
Dem letzten der oben zitierten Sätze stimme ich inhaltlich mal einfach zu.

Ob du solche Mittel in einem Reimgedicht erkennen könntest, wenn du sie vor Augen hast? ;)

Nein, lass nur. Macht ja nix.
Gedichte gefallen einem oder sie gefallen einem eben nicht.
Dieses hier gefällt dir - inklusive der verwendeten stilistischen Mittel - nicht, das ist nicht zu verkennen.
isaban
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Re: Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon Gast » Di 23 Sep, 2008 16:19


neue subjektivität wenig innovativ oder?
beim lesen gelangweilt


freundschaftlicher gruß
der senator
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Re: Der unkomplizierte Charme variabler Existenz

Beitragvon isaban » Fr 10 Okt, 2008 23:09


Besten Dank für eure Rückmeldungen.

Mitternächtliche Grüße,
Isaban
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