Pessimistische Lyrik

leuchtturm

Beitragvon Perry » Di 03 Feb, 2009 15:34


immer nachts kämpft er
gegen den mond
den hohen puppenspieler
der an strippen zieht

kreisend beleuchtet er
das tückische riff
diesen ewigen scharfrichter
der lebensfäden zertrennt


1.Fassung:

leuchtturm

immer nachts kämpft er
gegen den mond
hoher puppenspieler
der an strippen zieht

kreisend beleuchtet er
dieses tückische riff
ewiger scharfrichter
der lebensfäden zertrennt
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Re: leuchtturm

Beitragvon exmaex » Mi 04 Feb, 2009 19:44


nabend Perry,

mir fehlt hier der höhepunkt. es gibt für mich keine formulierungen bzw. wörter, die meine aufmerksamkeit erregen. zudem werden triviale dinge ausgeschrieben: dass puppenspieler an strippen ziehen und scharfrichter töten ist wohl unnötig zu erwähnen.

nichtsdestoweniger gibt es "mehrere" leseweisen, die aber nicht viel hergeben.

s1: wiewohl sich der puppenspieler auch auf den leuchtturm beziehen könnte, ist er offensichtlich eine personifizierung des mondes. der gezeitenlenker, liebling aller werwölfe und apollo-missionen. schleierhafterweise wird dies aber nicht weiterverfolgt. weshalb dann überhaupt diese information, bzw. die zwei verse? es hat nicht mal auswirkungen auf den initialen "(licht)kampf" zwischen mond und turm.
s2: durch keine explizite nennung kann die kriesende beleuchtung vom turm oder vom mond ausgehen. leider ist das völlig egal. denn da ist plötzlich dieses tötende riff, das weder was mit dem mond noch dem turm am hut hat. hier hätte man z.b. den kampf wieder/weiter aufgreifen können. der begriff "scharfrichter" ist auch etwas ungünstig, sind henker doch aktive vollstrecker, riffe aber leider das passivste von welt.
wieder kann man auch hier, ähnlich wie in s1, die letzen beiden verse anders beziehen. so könnten also auch mond und leuchtturm als henke(rnde lenke)r funktionieren, was sogar noch stimmiger wäre, als die erste leseweise.
letztendlich bleibt der inhalt aber banal und uninteressant, es gibt keine konsequenz, keine veränderung, nur die planare aufzählung von "fakten".

sprachlich ist es für meinen geschmack durch das fehlen von metapher, neologismen oder irgend etwas anderem annähernd subtilen auch kein geschmackstück.

gruß, x
irgendwie
exmaex
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1603
Registriert: Sa 25 Sep, 2010 17:34
Eigene Werke
 

Re: leuchtturm

Beitragvon Perry » Do 05 Feb, 2009 20:19


Hallo X,
dafür dass dir der Text nicht zusagt, hast du dich sehr intensiv mit ihm auseinandergesetzt, wofür ich dir natürlich sehr dankbar bin. Deine Kritikpunkte kann ich alle gut nachvollziehen, weil sie ansatzweise ja auch das widerspiegeln was ich ausdrücken wollte.
Das Problem bzw. der Reiz dieses Textes liegt in seiner fast schon schmerzhaften Verknappung. Es ist der Versuch einer lyrischen Verdichtung des/eines Lebensdramas mit drei Handelnden. Der Leuchtturm ist der Held, der mit seinem Lichtschwert für das Gute kämpft. Der Mond ist der Intregant, der die Strippen im Hintergrund zieht, der mit seinem diffusen Licht die Gefahr verschleiern möchte. Das Riff ist das Böse, das Schicksal, das den Schiffen bzw.dem Leben droht.
Die Handlungsfäden entsprechend zu verbinden obliegt nun dem Leser.
Ich stehe nun vor dem Problem in dieser Richtung vielleicht etwas mehr zu verdeutlichen, wobei darunter natürlich die Interpretationsfreiheit leidet.
Ich versuche mal eine kleine Erweiterung.
LG
Perry
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Re: leuchtturm

Beitragvon M.C.Bertram » Sa 18 Jul, 2009 22:46


Hi, Perry
die zweite Fassung hat viel gewonnen. Die Szene ist nahezu wild romantisch, und zerbrochene Puppen mag ich auch sehr gerne.
Wieso aber kämpfen Lichtquellen gegeneinander, wenn sie aus verschiedenen Winkeln ausleuchten. Neumond macht das Ufer nicht sicherer. Bringt denn Luna die Schiffer in Gefahr?
Der Turm kämpft für gute Sicht und gegen die trügerische Finsternis. Grammatisch ist das wirklich vertrackt. Denn mit dem Mond kämpfen geht ja auch nicht.
Aber die tolle zweite Strophe wäre es unbedingt wert, die Sache noch mal anzugehen.
M.C.Bertram
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 80
Registriert: Sa 27 Jun, 2009 17:51
Eigene Werke
 

Re: leuchtturm

Beitragvon Perry » So 19 Jul, 2009 11:09


Hallo Bertram,
nun der Neumond ist hier sicher nicht gemeint. ;)
Den Kampf der Lichter muss man sich natürlich etwas differenziert vorstellen.
Im Zusammenspiel mit dunstigen nebligen Wetter hüllt das Mondlicht das Riff in ein unscharfes diffuses Licht, während der helle kreisende Strahl des Leuchtturms Gefahr signalisiert.
Letztlich spielt jeder von ihnen eine Rolle und der Leser kann sich seinen "Reim" darauf machen.
Danke und LG
Perry
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Zurück zu Schwarzlicht

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste

cron