Pessimistische Lyrik

Palpitate purpure

Beitragvon Aichi » Di 23 Jun, 2009 12:54


[mittig:1ivoq2rm]
Palpitate purpure


Die Töne des Purpur

Erzeugt durch dein pochendes Herz,
welches wehklagend nach Hilfe schreit

Der Schnee bedeckt dich gänzlich

So kühl… der Wind
Im Tanz mit den Federn deiner gebrochenen Flügel[/mittig:1ivoq2rm]
[mittig:1cblroer].
.
.
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Sich zu unterscheiden und nach der Kehrseite zu fragen
[es] ist die einzige Rettung ...

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?????, ????
- Dir en grey -

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[/mittig:1cblroer]
Aichi
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Re: Palpitate purpure

Beitragvon rivus » So 28 Jun, 2009 15:27


Hallo Aichi,

du pathetisierst mit klopfendem Purpur, einem Farbreiz der sowohl die rotempfindlichen L-Zapfen als auch die blauempfindlichen S-Zapfen erregt. Nach der Farbtheorie eröffnet das Purpur (edles Violett) den Blick auf unser Potential und ist der Transzendenz sehr nah. Es transzendiert wahrscheinlich (Symbol für Noblesse, Würde, Spiritualität, Geheimnis u.v.m.), weil es sowohl Rot- als auch Blauanteile zur Wirkung bringt. [Rot suggeriert Schwere & Nähe // Blau vermittelt den Eindruck von Leichtigkeit und Ferne]

1, Deutung
Doch zurück zu Deinem pathetischen Text. Warum klopft nun dieses Purpur, welches ein synästhetisches LI sogar hört? Es wird durch ein pochendes Herz eines LD erzeugt, was wehklagend nach Hilfe schreit, jedoch vom Schnee gänzlich und „so kühl“ bedeckt ist. Was übrig bleibt und in einem scheinbar passiven LI als purpurne Erscheinung nicht nur hörbar sondern auch zittrig & ohnmächtig mitschwingen lässt, ist „der Wind im Tanz mit den Federn deiner gebrochenen Flügel“. Er, der Wind, ein ewiger Lebensbegleiter und Schicksalgefährte alles Menschlichen, dreht dieses verzweifelte Gebrochensein des LD in seinem Windspieltanz, um vielleicht doch die Aufmerksamkeit der Mitmenschen, der tatenlos zusehenden LW zu bekommen, die es sich wie jedes andere Menschenkind auch erwünscht.

2, Ausdeutung & inhaltliche Kritik
Vorweg der nachfolgende Text ist einfach, direkt und erstaunt mich als Leser, weil das „palpitate purpure“ einiges an Gehalt verspricht. Doch gleich im nächsten Zeilenzug erfährt man, dass die Töne des Purpur von dem LD-Herzen erzeugt werden. Im gleichen Atemzug durchzuckt es mich und ich erkenne die besondere Fähigkeit des LI, Töne als Farbe wahrzunehmen. Das ist durchaus interessant und wäre aus meiner Sicht ausbaubar. Doch danach werde ich als Lyrikkonsument enttäuscht und die klare Linie des Anfangs verliert sich. Das Herz, „welches weh klagend nach Hilfe schreit“ wirkt nicht wirklich nach einem Schrei {Aufschrei, Angstschrei, Panikschrei, Todesangstschrei … das wehklagend entschärft sogar dieses Schreien // Das Pochen als Farbschrei ist jedoch wiederum eine alternative Option, die anders formuliert (ausgefallenere Wortbilder, die dieselbe Aussage treffen können) mehr Esprit entfalten könnte}. Also nicht mit diesem wehklagend-nach-Hilfe-schreien arbeiten! Das ist mit Verlaub zu starkes, abgegriffenes Klischee und nimmt den pathetischen Bildern die Kraft. Das folgende Schnee-Bild leitet das Schreien ins wahrscheinliche Verstummen, denn „Der Schnee bedeckt dich gänzlich“. So wurde das LD, sein purpurnes Pochen, von niemandem wahrgenommen. Es scheint einsam am eigenen Schreien und am Schnee erstickt. Die Zeile „Der Schnee bedeckt dich gänzlich“ wirkt nahezu harmlos, aber gerade deswegen makaber. Diese Bild hat seinen Reiz durch diese belanglos, fast stoische wirkende Bedecken. Mit einem fließenden Übergang vom Schreien zum Schnee (Zeilenumbruch, vielleicht ein Zwischenbild // Das könnte aber die ganze Kompensation deines Textens disharmonisieren und eine zwangsläufige Neukompensation zur Folge haben) würdest du aus meiner Sicht dem Leser mehr, also intensiviere Identifikation ermöglichen. So wäre beim Lesen eine stärkere Infizierung mit dem offensichtlichen Weghören, Wegsehen der LW wahrscheinlich. Mit „So kühl … der Wind “ empathisiert sich das LI und den Wind. Das LD ist schon unter der Schneedecke ausgekühlt und kann vielleicht trotzdem mit der purpurnen Transzendenz Farbmorse- und Taktzeichen zum Windfedertanz klopfen, hingegen dem übrig Gebliebenen LI nur der exaltierte Tanz des Windes mit den Federn der gebrochenen Flügel des LD und mit dem eigenen purpurnen Herzschlag bleibt. Das Bild „der Wind / Im Tanz mit den Federn deiner gebrochenen Flügel ist in sich schlüssig, doch aus meiner Deutung des Todes des LD in der Schneezeile scheinen mir die gebrochenen Flügel deplatziert. Das Brechen der Flügel geschah schon vorher (Das LI ist durch Umstände und besondere Verletzbarkeit lebensuntüchtig, lebensunfähig, also nicht flugfähig gemacht worden und bei seinen eigenen Versuchen flügge zu werden gescheitert) Demnach würde ich das Bild der gebrochenen Flügel schon vor dem Federflug, ja vor dem Schneefall setzen. Doch können die gebrochenen Flügel auch den lebensunfähigen & schon oder bald toten LD darstellen und so wäre es wieder stimmig. Nichtsdestotrotz gibt es für mich durch die gebrochenen Flügel am Ende deines Textes eine Irritation. Das palpitate purpure erteilt jedoch meiner Interpretation scheinbar doch eine Lektion, denn es pulsiert ja weiter, das Herz des Flügelgebrochenen, ob es nun symbolisch, in der Transzendenz, transzentendal oder auch real schlägt, sei dahingestellt und ist sicherlich nur der Intention der Autorin bekannt.



3, Resümee
Aichi … Ich akzeptiere das Pathetische deines Textes. Er hat mehr Gehalt als ich anfänglich vermutete. Aus meiner Sicht könnte er durch die eine oder andere Änderung (andere Metaphern, Umstellungen) sich inhaltlich straffen. Ich weiß jedoch aus eigener Erfahrung, dass jeder Eingriff in einen Urtext, die Wirkung, ja auch den Inhalt verändern und auch der Autorin neue Geburtswehschmerzen zufügen wird.

Bleib am Stift

LG, rivus

[size=85:26026psx]Ps.: 14. Untrennbare Zusammensetzungen aus Substantiven, Adjektiven oder Partikeln mit
Verben werden stets zusammengeschrieben.

Zum Beispiel: handhaben (ich handhabe, ich habe gehandhabt),
wetteifern, schlussfolgern, maßregeln, lobpreisen, schlafwandeln,

wehklagen, sonnenbaden, schutzimpfen, notlanden, bergsteigen,
wettlaufen, kopfrechnen, segelfliegen, seiltanzen
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