Pessimistische Lyrik

Wüste

Beitragvon mystic » Mo 03 Aug, 2009 06:43


    Wüste

    Tränen
    versickern
    in meiner Seelenwüste.

    Sonne
    verbrennt
    letzte Gefühlsoasen.

    Erinnerungen
    verbleiben
    in kristallinen Narben.

    02/08/09 mystic
mystic
Neu
Neu
 
Beiträge: 33
Registriert: So 26 Jul, 2009 20:57
Eigene Werke
 

Re: Wüste

Beitragvon Friederich » Mo 03 Aug, 2009 08:46


Hallo mystic,

nachdem dieses Gedicht beim zweiten Anlauf, einen Blick darauf zu werfen, einen gewissen Eindruck hinterlassen hat, möchte ich es nicht ohne Kommentar in den Tiefen des Forums verschwinden lassen.

Der Titel ist nicht besonders innovativ und stört mich vor allem dadurch, dass die Rekurenz auf das selbe Wort gleich in der ersten Strophe vorkommt. Das Stil- und Textverknüpfungsmittel des Wiederaufgriffs ist zwar ein wirkungsvolles Instrument, scheint mir hier aber eher unmotiviert eingesetzt - beim Wiederfinden des Wortes "Wüste" empfinde ich keine Assoziation oder eine zweite mögliche Lesart, sondern schlicht sprachmelodische Langeweile.

Der Gedichtaufbau in Form dreier dreiversiger Strophen samt "strophenübergreifender Alliteration" in jeweils Vers zwei dagegen erscheint mir bewusst gesetzt und der Versuch zu sein, der inneren Zerrissenheit des lyrischen Ichs auch formal einen Ausdruck zu geben. Dies finde ich gelungen.

Die Wortwahl dagegen schadet dem Gedicht. Nicht, dass die Verwendung eines Wortes wie "Tränen" an sich in einem zeitgenössischen Gedicht ausgeschlossen und per se kitschig wäre. Es ist viel eher, dass sich noch "Seelenwüste" und "Gefühlsoasen" dazugesellen. Da alles im Wortfeld "Wüste" verbleibt, ist dies zwar geschlossen und lässt sich durchaus anerkennend lesen. Für ein herausragendes Gedicht dagegen ist dies alles noch zu klischeehaft.

Der Hauptgrund, warum ich deinem Gedicht einen Kommentar aber nicht verweigern konnte, ist die sehr starke letzte Strophe. Hier kommen erstmals mehrere Deutungsmöglichkeiten an die Oberfläche; die kristallinen Narben bilden ein rundes Ende und bleiben doch als bitterer, bleibender Nachgeschmack in Form einer Wortkonstruktion, die, authentisch, nachwirkt. Dies macht das Gedicht für mich trotz aller Kritikpunkte, nicht zuletzt auch aufgrund seiner Geschlossenheit, lesenswert.

Viele Grüße,

Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Re: Wüste

Beitragvon mystic » Do 13 Aug, 2009 14:25


Hallo Friedlich!

Danke für Deinen Kommentar! Ich habe das wohl gelesen, aber zur Beantwortung war es wieder aus meinen Blickfeld entschwunden, wie ich erwähnte, aufgrund der Forenfunktion, die ich noch nicht verstanden habe.

Ich habe aber wirklich auch lange überlegt, ob ich gewisse Kürzungen in diesem Gedicht vornehmen sollte. Noch bin ich unschlüssig.

Aber: "Wüste" allein steht ja schon für eine gewisse Leere von daher üerlege ich "Seelen" zu entfernen.
Auch das selbe für die "Oasen", vielleicht die "Gefühls" entfernen da ja eine Oase in meinen Sinne für kraftvoll, frisch, lebensspendend steht.

Wie meinst Du umschreibt man Tränen?

Aber Recht hast Du. Die letzte Strophe hinterläßt eher Freiraum für eigene Bilder, während es bei den ersten Beiden natürlich keinen Spielraum läßt. Mal schauen, was mir dazu noch einfällt.

Viele Grüsse!
mystic
mystic
Neu
Neu
 
Beiträge: 33
Registriert: So 26 Jul, 2009 20:57
Eigene Werke
 

Re: Wüste

Beitragvon Friederich » Do 13 Aug, 2009 16:09


Hi mystic,

ich halte es für eine gute Idee "gefühls" zu entfernen, dadurch würde der Text deutlich gewinnen, da er an Spielraum zulegt. Was mir noch aufgefallen ist: Die letzte Strophe hat eine Überlast von Nasallauten, genauer von "n"s. Vielleicht fällt dir dazu ja etwas ein, um bei der Gelegenheit auch das in diesem poetischen Kontext etwas aussagearme und n-lastige Worte "Erinnerungen" zu ersetzen.

Wie ersetzt man "Tränen"? Wenn du von "Tropfen" sprichst, hättest du das "versickern" von etwas lebensnotwendigem, das gleichzeitig als Tränen gedeutet werden könnte. Das ist mir aber noch zu "linear". Besser wäre es, an der Oberfläche das Wortfeld zu wechseln, um dann eine Transferleistung des Lesers zu erzeugen. "Lichter"? Vielleicht hast du mehr Fantasie für dein Gedicht.

Viele Grüße,

Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Re: Wüste

Beitragvon mystic » Do 13 Aug, 2009 16:32


Hallo Friedrich!
Oha, das zieht ja einen Schwanz nach sich. :D

"Erinnerungen" auch noch, da weiß ich nicht mehr, ob es mein Gefühl noch trägt. Mal schauen.
Über nasale Laute habe ich noch nie nachgedacht. Ich lese es und merke, ob es dann für mich so einigermaßen wirkt, aber ein toller Hinweis! Danke!

mystic
mystic
Neu
Neu
 
Beiträge: 33
Registriert: So 26 Jul, 2009 20:57
Eigene Werke
 

Re: Wüste

Beitragvon Perry » So 16 Aug, 2009 18:16


Hallo mystik,
da du knappe Komms zu mögen scheinst hier mein Vorschlag:

wüst


regen
versickert
in meiner wüste

sonne
verbrennt
letzte oasen

nur
kristallinen narben
verbleiben

Vielleicht ist eine Anregung für dich dabei.
LG
Perry
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Zurück zu Schwarzlicht

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 13 Gäste