Pessimistische Lyrik

Ballon

Beitragvon Aichi » Mi 11 Nov, 2009 01:39


[links:zlftthe2]

Ballon


Der Sterbende winkt
und setzt seine Reise fort

Mit der Nadel im Herz
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[mittig:1cblroer].
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Sich zu unterscheiden und nach der Kehrseite zu fragen
[es] ist die einzige Rettung ...

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- Dir en grey -

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Re: Ballon

Beitragvon aniana » Mi 11 Nov, 2009 19:43


Hallo Aichi,

Ich versuche mal zu sagen, wie ich deine Zeilen lese, wie sie auf mich wirken.

Wenn ich es im Ganzen lesen, erschließt es sich mir wie ein Satz.
Daher war es für mich zunächst irritierend, dass du in der dritten Zeile groß angefangen hast, ohne vorher einen Punkt zu setzen.

Aber das ist äußerlich.
Ich habe dann die einzelnen Zeilen wirken lassen.

„Der Sterbende winkt“

Das bedeutet zunächst einfach Abschied, ein letzter Gruß vielleicht. Er weiß, er geht und drückt dies aus.

Dieser Eindruck gewinnt durch die und-Verknüpfung eine andere Bedeutung:

„....und setzt seine Reise fort“

Das voraussagbare Ende der ersten Zeile wird für mich hier aufgehoben. Nichts ist für den Sterbenden zuende, mag er auch andere zurücklassen. Seine Reise geht weiter.
Wohin mag sie ihn führen?

Vor allem, wie wird diese Reise aussehen?

„Mit der Nadel im Herzen“
Das impliziert tiefen Schmerz, ein immerwährender, solange die Nadel in ihm ist.

Hier ziehe ich mal den Bogen zu dem Titel „Ballon“.
Ein Ballon zieht, fährt ins Weite, Unbekannte? Wo er genau landen wird, ist nicht immer gewiss.

Eine Nadel im Ballon lässt ihn normalerweise platzen.
Es gibt die reale Möglichkeit, über einem Tesastreifen eine Nadel in den Ballon zu stechen. Zieht man diese heraus, so schrumpft der Ballon in ein schlaffes Nichts.

Was sagt mir der Titel? Für mich ist er doppeldeutig:
Einmal der schwebende Ballon mit vielleicht unbekanntem Ziel – es gibt kaum Wiederkehr – zum anderen das Herz, wie ein aufgeblasener Ballon, aber mit einem Schmerz erfüllt (Nadel).

Dieser Schmerz ist etwas, mehr als nur die leere Hülle, die man dem Sterbenden nicht nehmen kann. Es ist so ein sehr eigener Schmerz, den der Sterbende mitnimmt.
Für die anderen bleibt nur ein winkender Gruß.

Dire adieu, c’est mourir un peu…
Man geht, nimmt Abschied, aber trägt den Schmerz mit sich.

Natürlich denkt man beim Lesen auch an die religiöse Bedeutung, dass mit dem Tod nicht alles zuende ist.
Hier würde die Nadel aber nicht so passen, denn ist es nicht im Glauben impliziert, dass sich aller Schmerz dann auflöst?

Aichi, dies ist eine sehr persönliche Annäherung.

Mit sehr wenigen, klaren Worten hast du hier ein Stück Poesie geschaffen.
Ich habe dein kleines Gedicht sehr gern gelesen.

Gruß
aniana
[mittig:27trn5ue]Um fremden Wert willig und frei anzuerkennen,
muss man eigenen haben.
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[mittig:27trn5ue][size=85:27trn5ue]Arthur Schopenhauer [/size][/mittig:27trn5ue]
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Re: Ballon

Beitragvon Aichi » Do 12 Nov, 2009 21:47


Hallo aniana!

Es freut mich, dass ich zu diesen doch so kurzen Zeilen
eine Rückmeldung bekommen habe.
Ich selbst mag den Text auch recht gerne.

Wenn ich mir die Zeilen selbst so durch den Kopf gehen lasse,
dann sehe ich immer einen roten Ballon, der langsam nach oben zieht.

Was sagt mir der Titel? Für mich ist er doppeldeutig:
Einmal der schwebende Ballon mit vielleicht unbekanntem Ziel – es gibt kaum Wiederkehr – zum anderen das Herz, wie ein aufgeblasener Ballon, aber mit einem Schmerz erfüllt (Nadel).

Dieser Schmerz ist etwas, mehr als nur die leere Hülle, die man dem Sterbenden nicht nehmen kann. Es ist so ein sehr eigener Schmerz, den der Sterbende mitnimmt.
Für die anderen bleibt nur ein winkender Gruß.

Dire adieu, c’est mourir un peu…
Man geht, nimmt Abschied, aber trägt den Schmerz mit sich.


Du hast hier die Aussage gut erfasst. :)
Es hat für mich so etwas von "dahintreiben"
und natürlich steht der Titel im Zusammenhang mit der letzten Zeile,
ist also zweideutig.

Würde das lyr. Ich hier die Nadel aus seinem Herzen
herausziehen, würde der Ballon, auf dem es treibt,
natürlich platzen bzw. sein eigenes Herz.

Danke für dein Kommentar. :)

Grüße

Aichi
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Sich zu unterscheiden und nach der Kehrseite zu fragen
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Re: Ballon

Beitragvon Neruda » Fr 13 Nov, 2009 01:54


Hey Aichi,

ich hab den Text für mich zwar etwas anders interpretiert, finde ihn aber trotzdem gelungen. Hier hast du es mit wenigen Wörtern geschafft mich zu berühren.
Ich hab den Ballon gleich auf das Herz bezogen. Das Herz als etwas leicht zu verletzendes mit dem sehr schonend umgegangen werden muss. Offensichtlich wurde das bei diesem nicht, denn der Träger des Herzens wird als Sterbender bezeichnet, der seine Reise jedoch fortsetzt. Das steht für mich dafür, dass man trotz emotionaler Abgestumpftheit sein Leben weiterführen muss. Das lyr.Ich ist also sozusagen nur emotional tot, weil ihm jemand eine Nadel ins Herz gestochen hat. Ich sehe es allerdings so, dass das Herz schon "geplatzt" ist. Jemand hat es durch die Nadel zerrissen. Diese Verletzung ist vielleicht reperabel, denn man könnte den Ballon "flicken", doch er wird nie wieder so sein wie vorher.

Gern gelesen,
Lg Kim
"...and the poets are just kids who didn't make it." -Fall Out Boy-
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