Pessimistische Lyrik

hier ist immer sonntag

Beitragvon Perry » Mo 25 Jan, 2010 14:30


hier ist daheim unterm giebel
des kopfes die heimkehr ins leere
haus die lampe überm küchentisch trüb
auch die tage vorm fenster von ästen
greiser bäume gepeitscht auf denen
schwarze vögel wache halten

und immer wieder gedanken an die
die einst mit am tisch saßen
das dankgebet sprachen
über gott und die welt redeten
der hund räkelt sich vorm ofen
ich inhaliere den sonntag



1. Fassung:

hier ist immer sonntag


hier ist daheim, unterm giebel
des kopfes, immer die heimkehr ins leere
haus, die lampe überm küchentisch trüb
auch die tage vorm fenster, von ästen
greiser bäume gepeitscht, auf denen
schwarzvögel wache halten,
warten, bis das haupt sich senkt.

und immer wieder gedanken an die,
die mit am tisch saßen, die hände falteten
zum gebet unterm kruzifix.
ich trage den braten auf und teile ihn,
inhaliere den sonntagmittagsgeruch.
der hund freut sich auf die reste.
Perry
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Re: hier ist immer sonntag

Beitragvon Niko1230 » Mo 25 Jan, 2010 15:05


hallo perry!
vor der ersten strofe zieh ich den hut! die zeilenbrüche sind perfekt gesetzt. für mich könnten die kommata wegfallen, würde dem ganzen noch zusätzlich etwas geben. aber das ist ja unter umständen nicht dein ding. außer den "schwarzvögeln" ist für mich nichts in der ersten strofe, was mich als leser stören würde.
"hier ist daheim" - ein guter einstieg. du ziehst mich als leser gleich in das gedicht, weil ich wissen will, was es mit "hier" und "daheim" auf sich hat. heimkehr ins leere / heimkehr ins leere haus - das gefällt mir besonders. aber auch die anderen zeilenbrüche sind gut gesetzt.

die zweite strofe fällt dagegen ab. sie kann den spannungsbogen nicht halten. die zeilenbrüche sind völlig unspektakulär. jaja..ich weiß:_ das war sicher so von dir beabsichtigt ;-)
möglichkeiten gäbe es zu raffinierteren zeilenbrüchen. zum beispiel kruzifix durch kreuz ersetzen

zum gebet unterm kreuz
trage ich den braten auf und teile ihn,

zb........aber ab genau der braten-stelle wird mir persönlich das gedicht zu flach.und mit dem (für mich flachen, unaussagekräftigen) schluss: "der hund freut sich auf die reste" gibst du mir ein unbefriedigtes gefühl. das gedicht fing saugut an, du hättest aber dem ganzen etwas geben müssen zum ende. eine essenz, eine synthese, einen gedanken, der weiterdenken lässt.....
so aber würde ich fast sagen, ist die erste strofe in sich ein geschlosseneres werk, als die beiden strofen zusammen...

konstruktive grüße: Niko
Die Selbstzerstörung findet im Geheimen
und trotzdem vor dem Leser statt.
(Günter Kunert)
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Re: hier ist immer sonntag

Beitragvon Perry » Di 26 Jan, 2010 17:56


Hallo Niko,
danke für deine Sicht. Wenn ich es einmal schaffe, dass ich meine Gedichte durchgängig auf "hohem" Niveau schreibe, dann habe ich mein Ziel erreicht. ;)
Ich gehe noch einmal an die zweite Strophe ran, obwohl ich als Bayer hier das Kruzifix (im Stubenwinkel) dem Kreuz (in seiner allgemeinen Bedeutung) vorziehe.
LG
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