Pessimistische Lyrik

ruhepause

Beitragvon Perry » Di 09 Mär, 2010 23:45


am ufer sitze ich, warte auf die fähre,
die nur alle lebenlang übersetzt.
neben mir schmücken blumensträuße,
in irdenen vasen, mein aufgebahrtes.

in den bäumen kapuzenvögel,
sie stimmen gregorianische choräle an
und es öffnen sich türen
vergessener gedankengruften.

auf dem fluss ein schleppverband,
bunte wäsche flattert wie wimpel,
auffliegende schatten werden zu tauben
und ich schultere meinen tag neu.
Perry
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Re: ruhepause

Beitragvon Wolfgang » Mi 10 Mär, 2010 23:45


Hallo Perry,

die letzte Zeile hätte auch von mir stammen können.

Mir fällt auf, dass Du - neuerdings? - gerne übertreibst. Eine Fähre, die nur alle leblang übersetzt, Kaputenvögel, die choräle anstimmen und zum Schluss, ein lyr. Ich, das sich als Titan Atlas versucht.

Du machst den Versuch, bekanntes neu zu sehen und zu sagen. Das ist sicher keine schlechte Methode, allerdings fällt mir bei Deinem Gedicht ein Gefälle auf, das durch die Qualität der Bilder erzeugt wird. Das Bild mit den Blumenvasen finde ich schwach, die Vögel Choräle singen zu lassen habe ich schon irgendwo anders gelesen. Ist auch irgendwie naheliegend, und die Schatten, die zu Tauben werden, sowie die Anspielung auf Atlas, finde ich gelungen.

Insgesamt doch ein ansprechender Versuch, altes neu zu sagen.

Eben ein Gedicht, wie nur Du es schreiben kannst.

Frohe Nacht!

Wolfgang
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Re: ruhepause

Beitragvon Perry » Do 11 Mär, 2010 01:08


Hallo Wolfgang,
danke für deine kritische und am Schluss doch versöhnliche Sicht.
Ich werde den Text nicht verteidigen, denn er spricht meiner Meinung nach für sich selbst. Nur zu dem "irgendwo anders gelesen. Ist auch irgendwie naheliegend", vielleicht ein Gegenargument. Auf welchen Text trifft das nicht zu, die Worte und Bilder sind endlich, die Kombination und die daraus entstehenden Assoziationen dagegen vielfältig.
LG
Perry
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Re: ruhepause

Beitragvon exmaex » Do 11 Mär, 2010 17:44


hallo perry,

ruhepause - das wär mal schön, ne? ich finde es gut, wie du dein gedicht in drei strophen teilst und überall gleich viele zeilen benutzt. das erzeugt eine gewisse ruhe beim lesen, eine überstrukturiete ordnung, die ganz unbewusst mit einfließt, beim lesen. beim lesen sind mir auch einige dinge aufgefallen, die mir wohl entgangen wären, wenn ich es nicht gelesen hätte. zum beispiel das eine highlight "kapuzenvögel", da muss ich gleich an albatrosse denken, die tragen ihre kapuze vorn, auch wenn das vllt. nicht deine intention war, weil die ja nicht in bäumen leben, es sei denn man lässt kleine albatrosküken bei einer rabenmutter, da man ja aus einschlägigen medien weiß, dass vogelküken immer zu den teilen mama sagen, die sie kurz nach dem schlüpfen sehen ich schweife ab.
und tue mich zwar auch ganz schwer mit einer interpretation des gesamttextes, aber jede strophe für sich erzählt eine kleine geschichte, die in sich bezüglich thema recht stimmig ist. zum beispiel die "gedankengruften" - ich mein gruften, da denkt man doch sofort an eine mehr oder minderschwere ruhepause. naja, ich neige zum schwafeln. außerdem will ich ja auch nichts falsches erzählen.

also insgesamt ist es für mih sicher kein text des monats, aber hier und da sind schon einige passagen, die mir zusagen (denn keine zusage ist auch eine absage, hihi)

gruß, exmaex
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Re: ruhepause

Beitragvon Perry » Do 11 Mär, 2010 18:16


Hallo exmaex,
bei mir darfst du alles sagen, solange es sich konstruktiv mit dem Text auseinandersetzt. ;)
Schön, dass dir die Strophen als eigenständige Stimmungsbilder gefallen haben.
Insgesamt geht es einfach ums Innehalten und was einem dabei alles durch den Kopf schwirren kann. Die Kapuzenvögel gibt es übrigens tatsächlich, es handelt sich um eine exotische Finkenart, die ich hier stellvertretend für einen Mönchschor verwendet habe. Wenn ich einmal soweit bin, Texte für Wettbewerbe zu schreiben sage ich dir Bescheid. :)
LG
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