Pessimistische Lyrik

Ich

Beitragvon KSt » So 06 Jun, 2010 13:47


Tropfen Tropfen Wasser Wasser
Hör ich stummer Blicke Schreien
Im Gefängnis meiner Tränen
Begann ich mich zu entzweien

Leere Leere Stille Stille
Um mich her ein graues Band
Aus bunten Farben meiner Seele
Tief ins Fleisch hinein gebrannt

Dieser Graben Dieser Graben
Dieser Abgrund unter mir
Fall hinab und falle tiefer
Will mich halten fest an dir

Helle Helle Blicke Blicke
Augen auf ich seh dich nicht
Mein Leben schwindet mit der Hoffnung
- wie Schatten im Licht.
KSt
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Re: Ich

Beitragvon exmaex » Mo 07 Jun, 2010 17:27


hallo KSt,

erstmal willkommen im forum!

ich bin kein experte für gute metrik, wenn ich dein gedicht jedoch laut lese, merke ich sofort, dass es unrund klingt. hier, ich zeix dir mal mit b-tonungs-x-n:

Tropfen Tropfen Wasser Wasser
XxXxXxXx
Hör ich stummer Blicke schreien
XxXxXxXx
Im Gefängnis meiner Tränen
XxXxXxXx
Begann ich mich zu entzweien
xXxxXxXx

Leere Leere Stille Stille
XxXxXxXx
Um mich her ein graues Band
XxXxXxX
Aus bunten Farben meiner Seele
xXxXxXxXx
Tief ins Fleisch hinein gebrannt
XxXxXxX

Dieser Graben Dieser Graben
XxXxXxXx
Dieser Abgrund unter mir
XxXxXxX
Fall hinab und falle tiefer
XxXxXxXx
Will mich halten fest an dir
XxXxXxX

Helle Helle Blicke Blicke
XxXxXxXx
Augen auf ich seh dich nicht
XxXxXxX
Mein Leben schwindet mit der Hoffnung
xXxXxXxXx
- wie Schatten im Licht.
xXxxX


zum beispiel müsste ich, um in dem von der mehrzahl der verse aufgebauten sprachrhythmus zu bleiben, bei "Begann" in vers 4 das "Be"-tont; das "gann"-unbetont lassen. unnatürlich.
ich hab nichts gegen reimgedichte, wenn sich aber ein solcher rhythmus einmal hat etablieren können, ist es nur noch wenigen extrageschickten sprachschelmen möglich, ein vom leser unbemerkt, oder vielmehr doch schon bemerkt, jedoch nicht als unbehaglich empfundenes abweichen von diesem, nun sagen wir mal, takt sich zu getrauen. damit spiele ich ebenfalls auf gelegentlich über die silbenufer tretenden verse an. metreisch betrachtet ist afaik nur die dritte strophe einwandfrei: 8-7-8-7 silben und alle trochäisch.

inhaltlich ( :emo: ) werde ich mich mal zurückhalten, da ich mich dahingehend nicht objektiv äußern kann(/will :D ).
was ich dennoch anschreiben möchte sind bild- und sprachebene. letztere erscheint mir recht ge/erzwungen.
Hör ich stummer Blicke schreien

so, wie es da steht bedeutet es entweder: 1. das ich hört - während es anmerkt stummer (als wer/wann/was)zu sein - blicke schreien. 2. "stummer" ist ein adverb zu hören.
da mir die versionen beide recht skurril erscheinen, vermute ich lediglich einen tippfehler: "stumme blicke" ginge; du könntest aber auch "hör ich stummer Blicke Schreie" gemeint haben, das wäre zwar grammatikalisch schnieke, metaphorisch aber immer noch abgedroschen, aber dazu gleich. nennenswert wäre noch der vers
Will mich halten fest an dir
dessen inversion nur in der reimgier begründet sein kann. wäre der ganze text in dieser sprache ausgelegt, würde ich das als sprachliches stilmittel durchgehen lassen, von der schwülstigkeit und angestaubtheit dieses sprachstils mal ganz abgesehen, aber das sind einerseits subjektive kriterien, andererseits ließe ich mich nat. gern vom gegenbeispiel überzeugen wo war ich? ja -
bildebene: um den emotionalen inhalt zu transportieren bedienst du dich vieler bilder/assoziationen, die in der alltäglichkeit schon so verwurzelt sind, dass sie kein interesse mehr [...] jedenfalls, solange dem text kein frischer bedeutungskontext an die hand gegeben wird. wörter wie licht, schatten, abgrund, leere, stumme schreie/blicke wurden schon in so viel aberbilliarden emotionalen-selbstschmerz-texten abgegesondert, viele davon waren von mir. 8o

du verwendest keine interpunktion. das kann - hier aber irgendwie nicht - vorteile haben, wenn man enjambements oder das aufbrechen der konventioneller sprache betreibt; verscheidenen lesarten als substrat dienen. irritierenderweise warst du im letzten vers inkonsequent. ebenso stehe - wenn ich das nahezue nichtvorhandensein von satzzeichen als autorenkalkül hoffentlich nicht missdeute? - in diesem zsmmnhng ebenso ratlos vor den riesig sich mir anbiedernden versanfängen. huge.

eine wahrlich oberflächliche kritik neigt sich dem ende: ich empfehle dir, dich mal an einem nichtgereimten gedicht zu versuchen, dort kannst du dich mehr auf den sprachfluss und die kreative auslebung von irgendwas konzentrieren und musst dich nicht abhängig von reim-kompromissen machen :)

gruß, exmaex
irgendwie
exmaex
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Re: Ich

Beitragvon KSt » Mo 07 Jun, 2010 19:42


Aloha he,

Zu deiner Kritik muss ich dir wohl größtenteils recht geben; aber ich würde das Dichten nicht so durch die theoretische Brille sehen ;)
Zum Sprachrhythmus sei gesagt dass ich selbst das Gedicht auf eine etwas eigene Art lese. Nämlich etwas zügiger und nahezu ohne den Redefluss zu unterbrechen; in der letzten Strophe dann langsamer werdend bis zum Ende. Leider kann ichs aber geschrieben nicht wirklich so wiedergeben wie ich mir denke weil dann gar nichts mehr passt. Vielleicht nehme ich es mal auf und poste es.

Danke für die Mühe!
KSt
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Re: Ich

Beitragvon OlafmitdemTraktor » Mo 07 Jun, 2010 21:29


Tropfen Tropfen Wasser Wasser
Hör ich stummer Blicke Schreien
Im Gefängnis meiner Tränen
Begann ich mich zu entzweien

Vers 1 als Einstieg ins Gedicht ist durchaus möglich, ja, die Wiederholungen schüren sogar Erwartungen auf das Kommende. Leider folgt desweiteren eine Enttäuschung nach der anderen. Reimtechnisch ist das Ganze eine Katastrophe. Auch wenn du das Gedicht - wie du schreibst - schneller liest ohne dabei den Redefluss zu unterbrechen (woher weißt du überhaupt wie schnell die hiesigen Leser dein Gedicht lesen?), hat diese Methode doch nur die Bewandtnis, schneller fertig zu sein, als wenn man es halt langsamer läse.
Statt sich schlau zu machen, was man ändern könnte und wie, konterst du, dass die Qualität des Gedichtes mit der Lesegeschwindigkeit zunimmt. Das hat was. Mag ich aber jetzt nicht weiter spinnen, diese Idee.
Vielleicht noch einige Gedanken zum Inhalt:

Strophe 1
Begann ich mich zu entzweien? Wie geht das denn? Ich kann entzwei brechen. Unangenehm. Doch das ginge. Oder zwei Partner entzweien sich. Wäre auch unangenehm. Kommt aber auch manchmal darauf an. Bei dir lese ich vom Beginnen einer persönlichen Entzweiung. Also ehrlich, ich möchte nicht dein lyrisches Ich sein. Wie lange zieht sich das denn hin bis zur kompletten Entzweiung? Gruselig.

Tropfen Tropfen Wasser Wasser
Hör ich stummer Blicke Schrei
Im Gefängnis meiner Tränen
breche ich entzwei

Strophe 2
In der zweiten Strophe wird der Leser im ersten Vers mit den Worten Stille und Leere konfrontiert. Anstatt ein Gefühl von innerer Leere im folgenden bildlich auszubauen, erfahre ich von einem grauen Band, welches sich um den Protagonisten wickelt. Ich muss hierbei an die üblichen Faschingsklopapierrollenganzkörpereinwicklungsscherze denken. Nicht nachvollziehbar ist jedoch der Sachverhalt, dass aus bunten Farben der Seele ein graues Band sich um den Körper wickelt, welches gleichzeitig als tief ins Fleisch eingebrannt beschrieben wird. Das liest sich im durchschimmernden krampfhaften Bemühen des Autors um Dramatik und Leidenstiefe sehr humorig - doch dies war wohl nicht dein primäres Anliegen hierbei.

Strophe 3
Ein Graben oder ein Abgrund? Beides geht nicht. Ich würde mich für Abgrund entscheiden.
Dein Textsubjekt fällt also tief hinab, immer tiefer - und dann: "will mich halten fest an dir". Das ist gemein. Er fällt doch schon. Soll er "Sie" auch mit in den Abgrund reißen?

Strophe 4
Passt inhaltlich überhaupt nicht zum Vorgeschehen. Wir erinnern uns: Der Absturz in Strophe Drei.
Helle und Blicke - das klingt recht freundlich, optimistisch. Die Auferstehung?
Nein, erst einmal Blindekuh ("Augen auf, ich seh dich nicht"), bevor das Leben mit der Hoffnung und dem Schatten und dem Licht ...
Dann doch lieber gleich für immer in Strophe Drei abstürzen ( Das ersparte dem Leser die Strophe Vier und die Lesegeschwindigkeit könnte nochmals um einige Zehntelsekunden gesteigert werden).

Ich hoffe meine Worte zeigen dir, dass ich das Dichten nicht durch die theoretische Brille sehe, und ich habe es (dein Gedicht) in Hochgeschwindigkeit gelesen, mehrmals sogar.

Mit besten Wünschen verbleibt OlafmitdemTraktor
Der Schlüssel zum Glück ist auf jeden Fall ersteinmal ein Schlüssel. (Gregor Libkowsky)
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Re: Ich

Beitragvon Le_Freddy » Mo 07 Jun, 2010 23:20


[quote="KSt":3nt6wxsc]Aloha he,

Zu deiner Kritik muss ich dir wohl größtenteils recht geben; aber ich würde das Dichten nicht so durch die theoretische Brille sehen ;)
Zum Sprachrhythmus sei gesagt dass ich selbst das Gedicht auf eine etwas eigene Art lese. Nämlich etwas zügiger und nahezu ohne den Redefluss zu unterbrechen; in der letzten Strophe dann langsamer werdend bis zum Ende. Leider kann ichs aber geschrieben nicht wirklich so wiedergeben wie ich mir denke weil dann gar nichts mehr passt. Vielleicht nehme ich es mal auf und poste es.

Danke für die Mühe![/quote]


mein stichwort. :)

ich bin immer mehr dafür (das mal nebenher) dichtung und kust aus der theorie zu reissen.kunst sollte unterhalten. beispeil volkslieder bzw. die lieder die einer gruppe identifikation und unterhaltung verschaffen, haben einen ganz eigenen charm - abseits der analyse. (mal davon abgesehen, dass eine analyse nichjt wertet; eben aufgrund der ergebnisse ein urteil gefällt werden kann.) will sagen kunst kann zugleich flach und toll sein. eine vorraussetzung müsste dazu gegeben sein: das werk, der stoff, das thema müsste tradition haben. bei tradierten werken kommt es dann auch häufig dazu, das lesarten, spielarten (wasauchimmer) eine tradition haben.
dann muss das werk (ab hier spreche ich speziell vom text) nicht eindeutig formuliert sein. so gibt es zum beispiel bei frühen koranmanuskripten keine vokale, weil die handschrift nur gedächtnisstütze war.
jetzt zu dir: wenn du eine spezielle lesart dem leser anbieten willst, dann musst du ihn darauf stoßen / den text also entsprechend schreiben (zeilenumbrüche, interpunktion undundund dienen hierzu), da deinem (neuen) text jede tradition fehlt. eine idee wäre auch es direkt vorzulesen (wir haben ja audioversionen), wie du es lesen würdest. dann tritt der text als geschriebenes aber sehr weit in den hintergrund / wird überflüssig.
willst du also schreiben (texte mit denen der leser macht was er will) oder willst du eindeutiger sein, deine aussage hervorheben?

fragen über fragen... aber bewahr dir dein bodenständiges, das hat klasse.
[um nun noch textkritik zu üben:]
nicht, dass mich die schriftform dieses gedichts gefallen hätte, da ist noch dran zu arbeiten. (!) (wie schon dargestellt) aber mir gefällt die idee kunst mal wieder "einfach so" zu machen also gegen langeweile / dass der künstler kein theoretiker sein muss (darf?)

ich mag keine antwort darauf .

mfg
Fred

übrigens: ich korrigiere den post morgen nochmal, ich fürchte, dass mir nicht mehr alle fehler oder idiotien auffallen.
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(DichterFürst1616)
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Re: Ich

Beitragvon KSt » Di 08 Jun, 2010 12:46


Zu OlafmitdemTraktor:
Dass das Gedicht kein literarischer Geniestreich ist und Themen- sowie Wortwahlmäßig auch nichts Neues bietet ist mir schon klar. Trotzdem würde ich es nicht gleich in der Luft zerreißen; ein bisschen Phantasie beim Lesen und Interpretieren muss schon vorhanden sein. Soll aber jetzt nicht böse gemeint sein und Danke auch für deine Kritik!
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