Pessimistische Lyrik

windmühle

Beitragvon Perry » Fr 08 Okt, 2010 13:49


noch stelle ich mich in den wind
auch wenn mein rad ächzt,
zähne sich im drehkranz sperren.

noch lohnt es sich leinen zu flicken,
wenn böen sie zerreißen,
streben zu erneuern, wenn sie brechen.

doch bald werde ich das korn
nicht mehr mahlen können,
dann werden vögel meine flügel sein.

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rivus (Di 17 Mai, 2011 18:34)
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Aw: windmühle

Beitragvon blue » So 10 Okt, 2010 23:39


Hallo Perry,

ja das gefällt mir wiedermal. Ein typischer Perry eben. Auch der Schluss ist sehr gelungen, er verleiht der ganzen knorrigen Mühe eine zwar irrationale, aber doch federleichte, hoffnungsfrohe Note, die auf eine ganz andere Ebene verweist. Ich sehe das Gedicht als ein Bild für den Kampf um das eigene, individuell festgelegte Dasein, dessen absehbares Ende aber nicht als Untergang, sondern als Übergang in etwas Neues, inhaltlich noch kaum deutlich Fassbares gesehen wird. Dieses Neue steht, der Prägung des lyrischen Ichs entsprechend, aber noch stark unter den begrifflichen Vorzeichen dessen, wovon es sich hat prägen lassen.

Hier habe ich einen Änderungsvorschlag, der aber keinen Fehler betrifft, sondern eher Geschmackssache ist:

noch lohnt es sich leinen zu flicken,
wenn böen sie zerreißen,
streben zu erneuern, wo sie brechen.

Gern gelesen.
Gruss blue
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Aw: windmühle

Beitragvon Friederich » Mo 11 Okt, 2010 10:00


Hallo Perry!

Ich muss mich anschließen - der Text gefällt mir in seinem durchaus eher einfachen Grundmuster durch seine Kohärenz. Zu einem richtig lesenswerten Stück wird er aber erst durch das Ende, das für mich auch, nicht für sich gesehen, aber im Kontext auf jeden Fall, den Höhepunkt darstellt. Der Effekt, den das Ende auf mich hat, ist ziemlich ähnlich dem meines Vorkommentators. Die Mühle, als Metapher des Erzählers über sich selbst oder als "sachliche Personifikation" einer Lebensauffassung, gewinnt dadurch am Ende etwas träumendes, da nicht nur Authentizität erzeugt, sondern auch, trotz des gewissen Grundpessimismus, Hoffnung macht.

Was mir nicht so gefällt ist der Rhythmus in der zweiten Strophe. Du deutest einen Daktylus mit vorgestelltem Akzent an, der meiner Meinung, trotz des frühen Bruchs noch im vierten Vers, eine metrische Fortsetzung verlangt (z.B. mit "wenn Böen sie reißen"). Die rhythmische Repräsentation des Zerreißens könntest du dann z.B. durch ein Verschieben des Zerreißens auf einen Vers später erzielen.

Gerne gelesen und VG,
Friederich
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