Pessimistische Lyrik

vice versa

Beitragvon kernbusch » So 17 Apr, 2011 14:40


Nachfolgend ein "Frühwerk", geschrieben vor so ca. 20 Jahren, als ich auch gerne mal reimte...

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Im Wartesaal der Leichen
mengt sich Luft mit schwerem Ruß
über Gliedern die nun bleichen
streicht pfahles Licht zum letzten Gruß

Asche frisst sich in die Poren
komm an Bord, Kurs unbenannt
stehst am Bahnsteig so verloren
ergreif die kalte Totenhand

Knarrend rucken Eisenreifen
glühend Stahl schiebt sich voran
dieser Weg hat keine Weichen
doch ein Ziel um Irgendwann

Dampf faucht über Deine Knochen
ahnst, jetzt gibt es kein zurück
es zählen Tage nicht, noch Wochen
immer weiter, stets ein Stück

Lass Dein faulig Fleische brennen
in der Kesseln Höllenglut
rasend wolln die Räder rennen
spüren sollst Du diese Wut

Dieser Zug reist durch die Feuer
jener Welt und allerorts
seine Kraft so ungeheuer
trägt der Seelen Wimmern fort

Teufel fliegen voll Gelächter
um des Rauches Fahnenstrang
rufen nach des Fürsten Wächter
künden baldge Ankunft an

Ewigkeiten sind gezogen
bis zur höllnen Endstation
nackt, gepeinigt und verloren
harrt ein ruhlos Bataillon

Seht, vorn aus den tauben Schwaden
schält sich knochenbleich Gebälk
habt Euch selber eingeladen
ins Totenreich der Unterwelt

Eilig werdet Ihr getrieben
vor des Fürsten mächtgen Schrein
wo seit jeher steht geschrieben :
Ich bin Ich und Ihr seid mein!

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P.S. weiß nicht mehr, warum ich an den Zeilenenden keine Kommata gesetzt habe.
Zuletzt geändert von kernbusch am So 17 Apr, 2011 16:36, insgesamt 5-mal geändert.
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Re: vice versa

Beitragvon rivus » Mo 18 Apr, 2011 08:17


hi kernbusch,
ich lese es im sinne unsrer altruistischen fernen. die dunklen, morbiden seiten führen uns bildreich ins dunkle, in unsre mythisch stark besetzte schattenwelt. aber sie könnte auch andersherum passieren. eine sehnsucht entwirft sofort kontraproduktive bilder, antimephistophelische gegenbilder, doch faustens letzte vision", in seinen anfängen, "ein sumpf zieht am gebirge, verpestet alles schon errungene, zeichnet den höllenschrein, machtvoll mit vice versa, in die teuflische ewigkeit. das genetische lyrich scheint verdammt. in den fängen von zeitraffern gibt es nur noch die unterweltliche dauerplatzkarte. die spezies scheint determiniert, ihr standort für immer festgeschrieben und der antichrist kann nach seinem belieben gefolgsfrauen u. gefolgsmänner rekrutieren. in dieser lesart gibt es kein vice versa, was hoffnung macht u. ich sehe bauernsima'sches orakel vom future de luxe, das böse obsiegt.

gern assoziiert

grüße, rivus
Zuletzt geändert von rivus am Mi 20 Apr, 2011 19:44, insgesamt 3-mal geändert.
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