Humor und Satire

German by nature

Beitragvon Ruelfig » Do 27 Nov, 2008 12:20


Runter in die Werkzeugkammer
kroch der Thor, um seinen Hammer
zu entrosten und polieren
wollt er ihn. Auf allen vieren
hat ihn Odin angetroffen.
"Na, mal wieder Met gesoffen
gestern abend, auf dem Rasen
mit den Elfen und den Asen"?

"Ragnarök, du Alberich,
mit Walküren sprech ich nich.
Wotan frija fullo hagen
gautaz fafnir Kriemhilds Blagen
ermunazen Parzival.
Halt die Fresse, noch einmal
sage ich dir Yggdrasil:
Midgard lasse aus dem Spiel".

Bei Walhalla, jenes Thing
schwer in die Behosung ging.
Fäuste flogen, Schwerter krachten,
Nornen stoben, grimmig lachten
da die alten Schrumpfgermanen:
Fort mit dir zu deinen Ahnen.
Nichts ist von ihnen geblieben
als Opern, von Wagner geschrieben.
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Re: German by nature

Beitragvon Drehrassel » Do 27 Nov, 2008 13:26


in den letzten beiden versen - insbesondere im schlussvers, den zuvor kann man noch mit einer schweren tonbeugung "ihnEN" lesen - verlässt du, ruelfig, das ansonsten so brav und stur durchgezogene metrum, einen auftaktlosen, alternierenden vierheber (einen vierhebigen trochäus also), auf eine derart unvermittelt plumpe weise, dass ich geneigt bin, an zu nehmen, das sei mit absicht geschehen: sodass der inhalt mit dem versmaß korrespondierte "nichts ist von ihnen geblieben", das von dir bespöttelte erbe einer auch nur irgendwie der nordisch-germanischen mythologie entnommenen bildwelt erwies also in genau dem moment als nicht länger tragbar als auch das sie transportierende schema zunächst ins stolpern geriet, um dann entgültig seine form zu verlieren (konsequenterweise hättest du an dieser stelle auch den paarreim aufgeben können)...

zwar ist offensichtlich (und dem thema ja auch in parodierender absicht angemessen), dass du dich des "knittleverses" bedienst; aber weder ist eine füllungsfreie variante (sodass lediglich der paareim und die vierhebigkeit des verses verbindlich wären), noch handelt es sich um den sogenannten "strengen knittel" hans sachsens, von dem man annimmt, er habe die silben gezählt (acht silben bei männlicher, neun silben bei weiblicher kadenz)...

der effekt, den du dabei erzielst, ist der, dass man durch reimschema, durchgängige alternation und grundsätzlicher verskürze es kaum zu verhindern vermag, sofort ins skandieren, ins berühmte "leiern" zu geraten (der auf vordergründigem humor basierende ton tut sein übriges), bis man - zuguterletzt - auf die erwähnten beiden zeilen stößt, welche man nun noch aufzusagen im stande sein kann, wie ein dummer august, der die pointe seines eigenen witzes verpasst hat und selbst nicht mehr darüber lachen mag...
denn! warum odin, ragnarök, parzival und konsorten überhaupt noch als chimären und requisiten einer dumpf-pompösen (deutschen) inszenierung entlarven? damit unterschätzt du deine leser, ruelfig, denen der spott der aus sämtlichen versen des gedichts allerdings geradezu herausbrüllt, kaum entgangen sein dürfte... habe doch bitte EINMAL den mut, darauf zu vertrauen, dass es klar geworden sein dürfte, was du mit einem satirischen texten hast vermitteln wollen, ohne am ende zu kommentieren und/oder unbeholfene moralpredigten zu halten... (auch der verweis auf richard wagner ist so was von überflüssig)

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Re: German by nature

Beitragvon Drehrassel » Do 27 Nov, 2008 14:53


@mo: wie das wohl in diesem zusammenhang zu deuten ist, dass ausgerechnet die "alten schrumpfgermanen" "grimmig lachten", ihn (thor, nehme ich an) fort komplimentieren zu seinen ahnen (?) und konstatieren, nichts von ihnen sei übrig geblieben als schwülstige spektakel aus richard-wagner-opern? - allerdings ist die letzte strophe durch das fehlen von anführungszeichen nach dem doppelpunkt hinter "schrumpfgermanen" nicht eindeutig zu verstehen. eine zweite lesart ergäbe, sie lachten über thors irrwitziges schwertergerassel und blindwütiges delirium im kreise seiner nächsten, bis das "thing / schwer in die behosung ging"... hm... beide varianten mag ich nicht, angenommen du kämst ruelfigs intention nahe, wirklich überzeugend umgesetzt finden. - ansonsten glaube ich durchaus, grundsätzlich das ziel des spottes erkannt zu haben. / ich hoffe es zumindest... ;)

edit: ach, ja - übrigens - wie genau ruelfigs intendierter leser aussehen könnte (an wen sich das gedicht richtet, wie du sagst, mo), halte ich für eine interessante frage...
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Re: German by nature

Beitragvon Ruelfig » Do 27 Nov, 2008 22:32


Hallo Drehrassel,
danke für deine umfangreiche Antwort. Die Aufgabe des Metrums in den Schlußversen ist durchaus Absicht, abbremsen. Und ja, da mag so etwas wie eine Bewertung, eine Moral drin stecken, aber was wäre daran verwerflich? Dies ist ein "klassisches" Reimfressgedicht und so eines darf das, finde ich, solange der Komment in Ordnung geht. Das wird dich jetzt nicht interessieren und spielt für das Gedicht eigentlich auch keine Rolle, aber Hintergrundinformationstechnisch war das so, dass meine Großmutter mich, als ich süße vierzehn Jahre zählte, in die Düsseldorfer Rheinoper quälte, wo ich ungezählte Stunden wagnerianischen Geknödels zu erdulden hatte. Schlief ich ein, wurde ich mit Schlägen wiedererweckt. Darum Wagner, aber auch aus kulturpolitischen Gründen: er ist Elite und eben auch besonders Germanisch, irgendwie. Und ich hasse seine Musik heute noch: Wagalaweia, schmecke mein Schwert, garstiger Gauch.
Hallo Mo.-,
Glatzen können wahrscheinlich nicht lesen und wenn, könnten sie einen Buchstaben nicht vom anderen unterscheiden. Daher ist mein Text wohl eher ins Leere gerichtet und wird mit Sicherheit folgenlos bleiben. Er sollte eher der Erheiterung dienen und meine Unkenntnis unserer "germanischen" Wurzeln demonstrieren. Die sind ja nicht von sich aus dämonisch, aber unbedingt geschichtlich einzuordnen. Ich habe dies geschrieben beim Versuch, mich über die Kleidungsmarke "Thor Steinar" zu informieren. Was für ein Haufen Bekloppter.
LG,
R
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