Humor und Satire

Ulysses als Sonett (danke esb)

Beitragvon Ruelfig » Fr 06 Mär, 2009 20:00


Ich habe keine Ahnung von dem Thema,
in echt gesagt, es ist mir auch total egal.
Ich brauche sowieso nur für das Schema
ein irgendwie bedeutend klingendes Signal.

Der Mann, der wo geschrieben, was ich gar nicht kenne
(ich muss davon nichts wissen, um davon zu schreiben),
der sendet groß. Nur fehlt mir dafür die Antenne,
ich mein, wer kann denn wohl so lang beim Thema bleiben?

Als Häppchensendung im Reality-TV
(Gefangene in Dublin wollen wieder raus),
vielleicht auch noch als "Homer war erotisch"-Schau,

mit nackten Leibern und gehörigem Gekeuche,
erhielte dieses Werk des Kritikers Applaus.
Doch so, als Stabenbuch? Ich rate mir: entfleuche.
Endlich Nichtdichter
Benutzeravatar
Ruelfig
Altling
Urgestein
 
Beiträge: 1100
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 22:06
Eigene Werke
 

Re: Ulysses als Sonett (danke esb)

Beitragvon Drehrassel » Sa 07 Mär, 2009 14:48


im ersten quartett versprüht das noch einen ähnlichen charme wie etwa gernhardts "materialien zu einer kritik der bekanntesten gedichtform italienischen ursprungs". das ich artikuliert sich vergleichbar hemdsärmelig wie jenes in gernhardts sonett, wenn auch letztenendes nicht ebenso konsequent in seiner wortwahl, seinem duktus. früh verheddert sich das textsubjekt hier in einen vermeintlich schon an sich genügenden humor und aber an seiner nicht immer auf den punkt gebrachten umsetzung. ein guter witz, ruelfig, muss pointiert sein! - in lauf des gedichts wird diese diskrepanz immer offensichtlicher... es zeigt sich eben, dass es nicht genügt, einen ironischen ton anzuschlagen und sich über tradierte gedichtformen, antike autoren und bildungsgüter jeglicher art lustig zu machen; man muss eben auch imstande sein, stringent und ohne geschwafel, das von der eigentlichen pointe nur ablenkt und in sich nicht schlüssig scheint, einen text versiert und sprachlich sowohl kunstfertig als aber auch konzis zu gestalten. darin liegt ja zum beispiel gerade die literarisch-humorige leistung gernhardts in seinem anti-sonett: in der spannung, welche sich ergibt aus dem dumpfbackig-echauffierten tonfall des artikulierten ich einerseits und aber dem tatsächlich sowohl technisch-handwerklich als auch inhaltlich pointierten gesamtgefüge. man vergleiche nur mal, mit welchem geschick, gernhardt es in "materialien..." schafft, den einmal etablierten "endecasillabo" (den jambischen fünfheber, mit abwechselnd weiblichen und männlichen kadenzen - außer im schlusscouplet), nicht nur durchzuhalten, sondern ihn gerade auszustatten mit wesentlich effektvolleren enjambements als du das hier tust, ruelfig. zwar nimmst du dir bei der gestaltung deiner verse alle freiheiten; leider führt das aber gar nicht zu einem surplus an literarizität. / man kann alle deine anspielungen nachvollziehen. man ahnt, worauf du hinaus wolltest. aber selbst das schmunzeln, welches man anfangs noch haben mag... ermüdet doch sehr bald. / weißt du? selbst das noch so salopp dahin geschnodderte wort kann nicht darüber hinweg täuschen, dass du dir unheimlich einen abgefuddelt haben musst bei der fertigung mancher verse und dem finden mancher reime. die syntaktische gliederung des gedichts ist einfach stinkelangweilig. obwohl es doch inhaltlich tiefer und mehrschichtiger sein will als zum beispiel gernhardts "materialien". / hättest du nur lieber das artikulierte ich noch mehr und noch dumpfbackiger fluchen lassen, oder meckern oder doofes zeug brabbeln... irgendwie... aber dafür elegantere verse geschaffen, einen besseren spannungsbogen, mehr "selbstverständlichkeit" und innere fügung in den reimen. -

meine meinung, sonst nichts,

drehrassel

edit: ah... was ich wirklich lustig fand, war, dass in zeile 11 der metrische akzent in homer auf der ersten silbe liegt, was zur folge hat, dass man da an eine ganz andere figur gleichen namens denken muss. /
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
Benutzeravatar
Drehrassel
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 791
Registriert: Mi 17 Sep, 2008 12:27
Eigene Werke
 

Re: Ulysses als Sonett (danke esb)

Beitragvon Ruelfig » Di 10 Mär, 2009 17:34


Hallo Drehrassel,
danke für deine Antwort, die mir wirklich etwas bringt. Da sitz ich nun und muss sagen: Du hast Recht. Das war ein Schnellschuss, aber das Thema war einfach zu verlockend.
Sonette sind so verdammt schwer! (Aber schön, dass wenigstens der Homer funktioniert hat).
Hallo esb,
s.o.
Grüße,
R
Endlich Nichtdichter
Benutzeravatar
Ruelfig
Altling
Urgestein
 
Beiträge: 1100
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 22:06
Eigene Werke
 

Zurück zu Wundertüte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron