von rivus » Di 20 Okt, 2015 13:56
hallo nachfrager,
eine antwort zu geben, über das jetzt, über den heutigen zustand der welt, ist wie eine bestandaufnahme, die das verwobensein mit allem geschichtlichen und künftigen offenbart. für mich ist es der versuch, den status quo unsrer bisherigen, kostbar erkämpften existentiellen sicherheit oder nur surrealen, ideellen berührtheit mit den unbegreiflichen geschehen um uns her, mit allen persönlichen und unpersönlichen berührungspunkten, mit den unwägbarkeiten aller wärtigkeiten abzugleichen, ach, eher mit allen sinnen das heute in die emotio einzusortieren, um die verunsicherte und verstörte ratio zu beruhigen. aber das gelingt nicht ansatzweise, sondern nur als auskunft. eine auskunft geben suggeriert immer auch einen besonderen bezug zum gegenwärtigen und gegenwärtig künftigen. es ist der persönliche bezug des lyrs, der das offensichtliche zu begreifen versucht und stellvertretend für viele besorgte den zeitgenössischen, nunmehr allgegenwärtigen, affront aufspürt. es ist die aufforderung an alle aus der auskunft, das künftige, dem bevorstehenden beschädigten morgen wirklich ins auge zu sehen, es aufzuschreiben! um doch etwas wegzulassen, weil man sich noch mehr zurücknehmen müsste? wer ist denn der zensor? was ist für wem nicht bestimmt zu hören? vers 2 verdeutlicht die fragilität und scheinheiligkeit der möglichkeiten, das zu skizzieren, was wir uns nicht erlauben wahrzunehmen. ist es die unbarmherzige zeitmaschine der menschlichen geschichte, die selbst die pagoden erträumter, vollkommener gesellschaften und ihre monumentalen zeugnisse verwittern lässt, welche uns abhält, uns allen entwicklungen zu stellen? ist das hohe gut der zivilisation schon von anfang an eine illusionäre option? vers 3 pragmatisiert die ernüchterung, der selbst die tore einer alten welt und ihre mythen nicht stand halten können, weil wir nicht die richtigen fragen gestellt haben, wie es einst brecht seinem lesenden arbeiter gestattete? können wir aus unsren fehlern und verdrängungen nicht lernen? im vers 4 wird das lyr aufgefordert sich mit dem gegebenen zu versöhnen. es soll sich abkoppeln, betäuben, das gegenwärtige rückwärtsgewandte hinter sich lassen und auf ein morgendlichen sonnenaufgang setzen. es ist ein resignatives resümme, das aber niemanden vorschreibt, doch an eine bessere welt zu glauben und dafür schon jetzt zu kämpfen.
fg rivus
Zuletzt geändert von
rivus am Do 29 Okt, 2015 20:58, insgesamt 1-mal geändert.