|
|
|
Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik
von Ruelfig » Do 09 Okt, 2008 21:56
Hallo, wie schön, komm rein und setz dich. Lange nicht gesehen, willst du Kaffee oder Tee? Wie ist es dir ergangen in den Jahren? Gut siehst du aus. Was macht der Job? Ja, ja, die Kinder sind schon groß und fast aus dem Haus. Was macht dein Mann, schlägt er euch noch? Wie schnell die Zeit vergeht beim Plaudern, ich hätte hier Likör, vom Guten, nicht Chantre. Du musst schon wieder gehen? Schade, ruf mich doch an, wir essen dann zusammen. Und bitte grüß Andre.
Endlich Nichtdichter
-
Ruelfig
- Altling
-
- Beiträge: 1100
- Registriert: Sa 13 Sep, 2008 23:06
- Eigene Werke
-
von Eugen » Do 09 Okt, 2008 22:27
Moin,
es hat mir ausnehmend gefallen. Oftmals habe ich hier bei lyrischen Werken das Gefühl, daß alte Techniken mal mehr mal weniger gelungen aufgewärmt werden. Bei anderen Texten habe ich das Gefühl, daß Provokationen oder Verfremdungen von Bildern nicht mehr Stilmittel sondern Selbstzweck sind.
Aber jetzt zu dem Text hier. Man liest es und denkt an zwei alte Schulfreundinnen, die sich wiedertreffen sich aber nicht wirklich etwas zu sagen haben. Das Gespräch plätschert oberflächlich dahin. Auf Anhieb fällt einem gar nicht auf, daß man nur eine Seite hört wie bei einem Telefonat. Woran liegt es, daß das gar nicht weiter auffällt? Ergänzt man die Antworten automatisch selbst? Hat man das Gefühl, daß die Fragen gar nicht auf die vorherigen Antworten eingehen, sondern nach einem Standardschema abgearbeitet werden?
Was es auch ist, mir als Leser fehlen die Antworten nicht wirklich und so lese ich den Text mit der geringen Aufmerksamkeit, die dem Gespräch augenscheinlich zukommt. doch plötzlich stutze ich...
[quote="Ruelfig":24zwpc7p] Was macht dein Mann, schlägt er euch noch? [/quote] ...und stolpere. Ein Riß in der Idylle und eine brutale Wirklichkeit durchbricht den bürgerlichen Schein. Gedankenlos in das plätschernde Gespräch eingeflochten. Interesselosigkeit der Fragerin? Will sie es wirklich wissen? Gehört so ein Verhalten für sie zur Normalität?
Ein wenig erinnert mich das an gute Horrorgeschichten, wo hinter einem Riß in der Normalität der Wahnsinn durchscheint.
Ich finde es für meinen Geschmack sprachlich gut umgesetzt.
Wie würde Manfred in einem anderen Forum in einer anderen Dimension noch gleich sagen?
Gerne gelesen.
Gruß Eugen
-
Eugen
- Etabliert
-
- Beiträge: 133
- Registriert: So 14 Sep, 2008 09:53
- Eigene Werke
von blaue_Raupe » Fr 10 Okt, 2008 13:21
Hi Ruelfig,
anders als Eugen trifft mich das Gedicht nicht, wie es wohl soll. Aus den Standardfloskeln und der Struktur sehe ich zwar, welche Wirkung der genau platzierte Bruch haben soll, aber trotzdem ist mir die Situation so wenig natürlich & wahrscheinlich im Ablauf, als dass sie mich erwischen könnte.
Selbst, wenn ich es als grobe Skizze der Punkte nehme, die in dem Gespräch bei einer der Personen daheim stattgefunden haben und einzeln noch erweitert wurden - in einer Freundschaft aus jüngeren Tagen scheint trotzdem nicht die Erde zu liegen, auf der sowas wachsen würde. Sie haben sich wie angesprochen ja vielleicht wirklich nichts mehr zu sagen, außer der Fragen, die man eben fast jedem stellen würde, mit dem man aus der Kohorte mal zu tun hatte. Schwierig wird es aber für mich schon bei der Einladung zu jemandem nach Hause, wenn man nichts mehr miteinander zu tun hat und sich so wenig auszutauschen. Etliche der Fragen sind die, die man stellt, wenn man jemanden zufällig irgendwo draußen wiedertrifft, sich gleichzeitig erblickt und nicht wortlos weitergehen will. Warum aber eine Einladung nach Hause, wenn alles so entfernt ist?
Hätte die Begegnung auf der Straße stattgefunden, hätte ich die Floskeln als "richtig" empfunden, aber ich halte es für hochgradig unwahrscheinlich, dass jemand im Rahmen derer eine Misshandlung auch nur angesprochen hätte. Das wäre erfahrungsgemäß etwas, das die sprechende Instanz eher der Begleitung gegenüber erwähnt hätte, nachdem man sich von der alten Freundin getrennt hat.
Heißt letztlich, dass es die Situation und die sprachliche Umgebung allein für mich zu unwirklich macht, um etwa tatsächlich erschrocken zu sein. Wenn man sich letztlich so fern ist, dass die Kommunikation dem einfach gezeichneten Faden folgt, gut, sich evtl dennoch mal auf nen Kaffee bei jemandem zu Hause trifft, klappt der Aufbau dennoch nicht - auch eine alte Beziehung mitsamt der wunden Punkte aufzuwärmen, würde mit Sicherheit nicht noch dazu führen, dass die Gastgeber/in entweder komplett über alles weitere hinweggeht oder letzten Endes dem Man sogar noch Grüße ausrichten lässt. So trampelig und merkbefreit wäre vermutlich nicht mal ein völlig Fremder.
Wenn alles so automatisiert vonstatten geht, war es wohl nie weit damit her, also wenig Einladung, wenig Grund, und auch kein weiterer Bruch in hilflosem Schweigen oder Ähnlichem, kein Umrühren mit dem Löffel in der Tasse, außer dem nichts zu hören ist, kein Räuspern, kein Wegsehen.
Für mich ist es aus den genannten Gründen recht inkonsequent und wenig glaubhaft. Deshalb hat es in den Aufbauten und dem Bruch nicht überzeugt.
viele Grüße, r~~~
you cannot unscramble scrambled eggs.[links:3fqyydm7][/links:3fqyydm7]
-
blaue_Raupe
- Etabliert
-
- Beiträge: 382
- Registriert: Mi 10 Sep, 2008 23:16
- Eigene Werke
von Ruelfig » Sa 11 Okt, 2008 23:05
Hallo Eugen, danke für deine Antwort, gerne gelesen :) . Besonders den Teil über die Techniken. Hallo blaue Raupe, danke für deine Antwort. Auf der beobachtend-beschreibenden Ebene hast du völlig Recht, das ganze ist natürlich völlig unrealistisch. Darum habe ich auch versucht, aus meiner Idee ein Gedicht und keinen Bericht zu machen. Schade, dass es bei dir nicht ankommt, vielleicht nächstesmal. LG euch, R
Endlich Nichtdichter
-
Ruelfig
- Altling
-
- Beiträge: 1100
- Registriert: Sa 13 Sep, 2008 23:06
- Eigene Werke
-
Zurück zu Zwischenmenschliches
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste
|
|