Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik

wucherungen

Beitragvon Niko1230 » Fr 22 Jan, 2010 20:59


wucherungen

worte zähmen
in den geteilten winkeln
fragen aus den bildzeitungen lesen
zu wassergekochten gleichungen dünsten
gerüche zu wortknoten
ahnungen aus einmachgläsern schmecken
dann das salz aus den leinen wringen
und wissen
die antwort ist eine heuschrecke
Die Selbstzerstörung findet im Geheimen
und trotzdem vor dem Leser statt.
(Günter Kunert)
Niko1230
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Re: wucherungen

Beitragvon cube » Mo 25 Jan, 2010 00:24


he Niko1230, zu beginn lese ich eine aufzählung von stichworten, auch spätere verknüpfungen wie "dann" oder "und" wirken auf mich etwas roh und insgesamt erinnert mich das gedicht an eine statue, die noch nicht ganz aus dem stein geschält ist. aber das ist nur meine unbedeutende meinung, wie auch die ansichten, dass ich bspw "bildzeitungen" gelungen finde und auch die "gerüche" zwei verse weiter, die mich an das aus"dünsten" oben genannter gerüchteküchen (pardon, berichterstattungsunternehmen) erinnern. hübsch, aber etwas kniffelig fand ich die unverlangte antwort. "heuschrecke"n, dacht ich mir dann aber, sind die "wucherungen" eines systems, das sich selbst frisst. vordergründig lassen sich leicht bezüge zu unserm finanzsystem herstellen. im genannten kontext denke ich aber an die informationsauswüchse unser geliebten onlinekultur, der mitunter eine abschreibunkultur unterstellt wird.
zum beispiel zeitung 1 schlachtet den ruf eines stars ordentlich aus und bereitet daraus eine leckere reportage, was zeitung 2 und blogger schmitt-müller flink etwas abwandelnd kopieren. user x & y sind natürlich clever und checken, dass es im netz umsonst gibt, was zeitung 1 & 2 als neuigkeit verkaufen wollen. die altgedienten printmedien jammern über sinkenden umsatz und fürchten um ihre bedeutung oder sogar existenz und ich ein bisschen um unabhängigen journalismus. persönlich glaube ich zwar nicht, dass print demnächst zugrunde gehen wird (frisco ist hoffentlich ne ausnahme). aber dein text, den ich als überspitzung dieser situation verstehe, gefällt mir.
grüße cube
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Re: wucherungen

Beitragvon Perry » Di 26 Jan, 2010 19:08


Hallo Niko,
ich sehe wie Cube Wucherungen im Journalismus im Text . Gezähmte Worte (Redaktionszensur), Gerüchteküche (Rufmord etc.), allerdings gefällt mir die Mehrzahl von Bildzeitungen nicht, denn es gibt zwar mehrere dieser Plakativblätter, aber Bild ist schon eine besondere Marke. Ab den Einmachgläsern und dem Salz in den Leinen, bin ich dann allerdings ausgestiegen. Auch die Heuschrecke kennt man mehr aus der globalen Wirtschaft.
LG
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