Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik

Festhalten und Loslassen

Beitragvon wüstenvogel » Do 07 Jun, 2012 15:36


"Halten
dich
mich zurück
den Atem an
mich an dich
aber nicht
dich zurückhalten
nein
das nie."
(Erich Fried)

Begreife kaum
dass du
nicht mehr da bist
versuche
dich
in mir
zu spüren
will dich
wieder halten
ganz fest
aber nicht
festhalten.

Kann dich gut verstehen
wenn du
nur dir
gehören willst
nicht denen
die besessen sind
vom Besitz
weil sie sich
nie besaßen.

Dir geben
alles
ohne Bedingungen
ohne Grenzen
mich hingeben
aber nicht
weggeben
abgeben
aufgeben.

Ein ungewisses Stück
weit
mit dir gehen.
wüstenvogel
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Re: Festhalten und Loslassen

Beitragvon rivus » Sa 09 Jun, 2012 18:38


hallo wüstenvogel,
zu unseren lektionen des lebens gehört das festhalten und loslassen können. das friedcredo bringt es auf den sensiblen punkt. hier geht es auch um die entwicklung einer beziehung, die freiräume lässt, um den anderen in seiner entwicklung nicht zurückzuhalten und aus einer stattgefundenen begegnung loslassen zu können.

nun ist es so, dass aus meiner sicht die beide worte festhalten und loslassen schon sehr besitzbezogen sind. doch zwischen dem (wort)-paar ist doch etwas passiert, was an frieds mahnung erinnert. hier, in einer lyrpraxis, ist ewas passiert, was mit dem loslassen müssen eines andern, mit einer verlusteinordnung zu tun hat. die emotionen scheinen jedoch, vom fahrwasser von fried und fromm berührt, dennoch etwas wertvolles halten zu wollen, was schon verloren ist.

das lyr vermag sich sogar in das andere lyr hineinzuversetzen. es spricht ein lyr an, was sich von den beengungen und begrenzungen durch besitz und partneranspruch trennte, um ganz bei sich zu sein, wirklich sein zu können.

nun, in der rückblende, im nachhinein, würde das lyr sich komplett dem anderen lyr hingeben, weil es möglicherweise zuviel vom weggegangenen lyr genommen hat. doch es scheint auch gelernt zu haben, auch auf sich selbst aufzupassen, um nicht zuviel vom eigenen selbst aufzugeben, um nicht nochmal in einen verlustmechanismus zu kommen, der am haben des anderen klebt.

das lyr wünscht sich unter seiner veränderten einstellung nun nochmal eine begegnung, die sich partnerschaftlicher vollzieht, nun im kontext von fried "dich zurückhalten / nein / das nie.


gern assoziiert
lg rivus


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Re: Festhalten und Loslassen

Beitragvon wüstenvogel » So 10 Jun, 2012 20:54


Hallo rivus,

vielen Dank für dein Einlassen auf mein Gedicht und deine Einlassungen.

Es stimmt schon, man kann etwas erst loslassen, wenn man es vorher
(fest)gehalten hat.

Wenn ein Mensch dem anderen gehört, ihm hörig ist, dann ist das furchtbar.
Das heißt nicht, dass Menschen nicht zueinander gehören können, weil sie wollen -
für eine bestimmte, unbestimmte Zeit.


Hallo mo,

wenn das Gedicht von Fried und meine Anlehnung daran sich nur in der Form unterscheiden,
in den Zeilenumbrüchen und den Satzkonstruktionen, dann ist mein Gedicht viel besser als ich gedacht habe.

Euch beiden liebe Grüße

wüstenvogel
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Re: Festhalten und Loslassen

Beitragvon kokoschanell » So 14 Okt, 2012 11:01


hi wüstenvogel,
schön, dich hier wieder zu treffen.
in beiden worten steckt das "lassen" -das sagt alles.
jemanden sein lassen, das hast du auch in deinem gedicht gut beschrieben. mir gefällt's.
lg von koko
Vielleicht stünde es besser um die Welt, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen.

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