Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik

Flügelschlag im Sein

Beitragvon kokoschanell » Mo 22 Jul, 2013 01:00


Flügelschlag im Sein




Es war ein leiser Abschied ohne Worte

als öffnete man eine alte Pforte,

durch die ein zarter, kühler Atem weht,

der immer wusste und der stets versteht.



Es war ein Abschied ohne jedes Greinen

als ließ man frei von sanft geführter Hand

den stolzen Falken - den geliebten einen,

zu dem man doch nie wirklich Zugang fand.


Es war ein Abend, in der Sterne schmücken

der Nacht das Blau zu goldbesticktem Kleid,

wo Seelen schwingen unbegrenzt im Weit

und ihre Schatten hinter Bäume rücken.
Zuletzt geändert von kokoschanell am Mo 29 Jul, 2013 23:14, insgesamt 5-mal geändert.
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Re: Abschied

Beitragvon Gast » Mo 22 Jul, 2013 05:21


hier beeindruckt mich die harmonie des vernunftbegabten analysierens und dem zart fühlenden schmerz des abschieds. beides hält sich hier die wage. sowas ist nur dem weiblichen gesschlecht vorbehalten. ein mann analysiert entweder vernünftig oder er leidet. beides zur gleichen zeit gelingen zu lassen, ist für keinen mann auf dieser erde möglich. überzeugende lebenserfahrung, handwerkliches können und nicht zuletzt das ausbleiben der verdrängung, die doch häufig mit dem abschied einhergeht, begrüße ich hier
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Mo 22 Jul, 2013 12:51


oh, lieber Senator, das freut mich. Wirklich. ;) Ja, du magst recht haben, dass es weiblich ist, habe ich gar nicht drüber nachgedacht.
Obwohl ich ehrlich sagen muss, dokter ich, was ich sonst selten tue, am Schluß.
Die Aussage möchte ich schon gern behalten, aber irgendwie könnte man das vielleicht in der letzten Zeile noch niveauvoller schreiben.
Vielleicht hat ja einer einen Tipp?
Im Bild des Falken steckt ja eigentlich schon das Wiederehen, denn man sagt ja, dass Falken in Gefangenschaft gehalten immer wieder zurückkehre, auch wenn man sie frei lassen will für immer...
Danke auch für die Empfehlung aus deinem Munde1
LG von Koko
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Re: Abschied

Beitragvon findefuchs » Mo 22 Jul, 2013 15:30


Hallo kokoschanell,

bereits zum wiederholten Mal lese ich Dein Gedicht, weil es mir so gut gefällt und die Melodie beim Lesen dem Flügelschlag des Falken ähnelt, ihn unterstreicht. Du hast zarte Gefühle fließen lassen und ihnen mit Seelenkraft einen Rahmen gegeben, damit der Geist und das Herz sie auf ewig bewahren können.

Ich denke, die letzte Zeile brauchst Du überhaupt nicht. Sie konterkariert fast in wenig die Stimmung des ganzen Textes, macht alles zu rund, geht so in Richtung - wenn auch nicht gleich, so doch irgendwann - eines Happy End. Die Größe des restlichen Textes braucht das m.E. jedoch nicht.

Einzig das "Greinen" will mir nicht gefallen. Es klingt so "Geierwally-Bergbauern-Volksstück"-mäßig". Könnste das austauschen, oder gefällt Dir das Wort? Womöglich wolltest Du damit eine Verortung des Textes im Gebirge andeuten?

Gerne damit beschäftigt - und hallo übrigens. Wir kannten uns ja noch nicht. Weiterhin auf netten Austausch hier.

Gruß.

finde
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Re: Abschied

Beitragvon Perry » Mo 22 Jul, 2013 18:27


Hallo Koko,
gefällt mir ebenfalls sehr gut, selbst wenn ich normalerweise Reimen nicht allzuviel abgewinnen kann. ;)
Grammatikalisch bin ich etwas an der Stelle hängengeblieben:

"Es war ein Abend, in der Sterne schmücken

der Nacht das Blau zu goldbesticktem Kleid,

in der die Schatten hinter Bäume rücken


Hier würde ich eher einen Bezug zum Abend lesen, als zur Nacht.

Es war ein Abend, an dem Sterne schmücken

die Nacht das Blau zu goldbesticktem Kleid,

an dem die Schatten hinter Bäume rücken

Was den Schluss anbelangt, könnte ich auf ihn verzichten.
Wenn Du das schöne Bild mit dem Flügelschlag behalten möchtest,
dann könntest Du es alternativ als Titel verwenden.

LG
Perry
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Mo 22 Jul, 2013 19:55


ja, sie wirken halt immer , die 5er H :D eber...- ich mag die Klassik ja sehr.

Doch, doch- der Abend schmuckt ja der Nacht das Kleid.
Den Flügelschlag finde ich sehr schön, möchte ich gerne behalten.
naja, mal sehen, ist nicht so leicht.... irgendwie hätte ich es lieber philos :D ophischer.
Was hältst du von:

"im Wandel nur liegt letztlich das Bestehen."?

LG von Koko
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Re: Abschied

Beitragvon rivus » Di 23 Jul, 2013 08:04


Hi Koko!

Dein Abschied gefällt mir. In der ersten Strophe finde ich, finden wir, die schon viele Abschiede erlebt haben, uns poetisch verstanden, aufgehoben und genau dieses Gefühl eines schon mal Erlebten kann ich sehr gut nachempfinden! Mit dem Öffnen einer alten Pforte durch die dieser zart-kühle und somit uns gefühlsmäßig Aufgeregte (Lebens-)Atem aufnimmt und umweht, weil darin wohl auch der Lauf der Zeit, das Gedächtnis alles Vergänglichen uns besänftigt und auch versteht. Der Schmerz wird dadurch erträglicher, wenn auch die Wehmut durch das Wehen des Atems mit diesem Hauch auch des Gruftigen eingebettet wird und als Déjà-vu-Kokon in uns überlebt. In der zweiten Strophe begegnet uns Leser dieser Abschied daher schon eher und vorbereiteter und eben schon als Bilanz einer Begegnung, die mit trauriger Sanftmut abgelegt werden kann. In der dritten Strophe (für mich die stärkste) wird alles so sprachmelodisch weitergetragen, dass wir Leser das Gegangene, Verlorene, uns nie Zugängliche, wie schon unsre Urahnen, verabschieden und einbetten können in das Land der erlaubten Sehn- und Sehsüchte, die sich immer wieder metaphorisieren werden und so verseelt, uns den Glauben ans lebendig Vergängliche im Kleid der Zeit, zu jeder Zeit, als Ausdruck von Ehrfurcht vor dem Begegnungen mit Menschlichem, mit Verlusten gefühlsreicher hinterlässt und ja, uns ermutigt, dennoch auch Abschiede, immer wieder zu wagen oder vielmehr noch auf eine besondere, nicht so schmerzvolle Weise einordnen zu können ...

lg rivus
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Di 23 Jul, 2013 22:47


lieber findefuchs,

ich hatte deinen kOmmntar irgendwie überlesen, entschudige bitte.
es freut mich, dass du dich so eingehend mit dem werk befasst hast.
greinen ist ein etwas antikes wort für hadern. es schien mir in die klassik gut zu passen.

lieber rivus,
im grunde bestätigst du den kommentar von senator, nur dass du noch einmal stilisisch eingehst. es freut mich u lesen, dass mir unbewusst eine gute struktur gelungen ist.
wenn ich das nun so resummiere, was ihr geschrieben habt, dann meine ich fast, wie perry auch schrieb, dass es den schlussvers nicht braucht.

im grunde hast du, findefuchs ,das ja auch so empfunden.
was mach ichalso jetzt--hm hm...

grade die letzte zeile wirkt gegen das andere wie aus der sprachebene geschubst.
vielleicht hat wilma noch eine idee.

ich schrieb dieses sonett ähnliche gedicht für einen freund. er lebt noch. hier geht es um einen innerlichen abschied..,- etwas, das bleibt in der erinnerung,eine große platonische nähe, die in ihrer tiefe einer liebe ähnelt und dennoch stets platonisch blieb.
an dem punkt, wo das ohne darüber je zu reden, nicht mehr möglich schien, kam eben dieser besondere abschied...
ein stiller, ebenfalls unausgesprochener rückzug von zweien, die nichts zerstören wollen, was es allzu selten gibt...

lg an euch alle und danke von koko
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Di 23 Jul, 2013 23:04


ich hab zu der ersten eine zweite Fassung dazugestellt. Lasst es bitte mal auf euch wirken, ob s euch besser gefällt.
ich glaub, jetzt hab ich's. :D :kaffee:

Ja, so stelle ich mir hier Textarbeit und Zusammenarbeit vor. Schön, echt!
Schmunzeln von koko
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Re: Abschied

Beitragvon rivus » Mi 24 Jul, 2013 11:40


hi koko,

mir gefällt die zweite version besser und die phantasien können sich jetzt, mit diesem starken schluss, ins offene und ungebunden entfalten


lg
rivus



p.s.: vielen dank für dein offenbaren deiner intention
Zuletzt geändert von rivus am Mi 24 Jul, 2013 11:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Mi 24 Jul, 2013 15:27


ja, lieber rivus, so ist es perfekt. Aber ohne eure einheitliche Meinung, dass die letzten zwei Zeilen nicht nötig sind, hätte ich daran geklammert.
Durch die Zeilenverschiebung, das Bild mit den Schatten in die letzte Zeile zu nehmen,
wird di Aussage abgerundet ohne ins Banale abzugleiten.
Danke nochmals für eure ehrliche Kritik. :]
Es schlummerte ja schon im Gedicht, war schon da. Aber ohne sie hätte ich es nicht frei gelegt.
So macht Zusammenarbeit Spaß.
LG an alle von koko
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Re: Abschied

Beitragvon findefuchs » Mi 24 Jul, 2013 17:12


Hallo koko,

bei der zweiten Fassung, begeistern mich besonders die letzten beiden Zeilen, da sie den Inhalt m.E. trefflich unterstreichen. Weil jede Liebe, ob nun platonisch, oder nicht, auch etwas mit "ver-rückt" zutun hat, wirkt nun das "Rücken" "der Bäume" wie ein Geraderücken, eine Rückkehr von einer weiten, fantastischen Seelenreise an einen schützenden, wohlbekannten, geerdeten Platz.
Damit hast Du dieses versöhnliche Element, was zuvor in der 1. Fassung zu deutlich in den letzten Zeilen stand, nun poetisch elegant verklärt, ohne damit banal zu werden

Gruß.

finde
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Re: Abschied

Beitragvon kokoschanell » Do 25 Jul, 2013 23:07


das hast du schön gesagt, lieber findefuchs. ja, so empfinde ich es auch.
danke und lg von koko
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Re: Flügelschlag im Sein

Beitragvon kokoschanell » Mo 29 Jul, 2013 23:13


hab es nochmal bearbeitet eingestellt und den Titel geändert. :D
Gruß Koko
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