Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

Diskord

Beitragvon Ruelfig » Fr 04 Feb, 2011 18:40


Auf dem falschen freien Fuß erwischt:
Ja! Wir haben für sie geschlossen,
in mangelhaften Fährten Spuren hinterlegt
zu Häusern, die verfallen sind
frisch lackiertem Abfall vom Unglauben.

Unter die Kopfhaut rasiert, am Fuße eines Totempfahls
grundlos optimistisch. Man lacht die ganze Welt kaputt
daran. Öffne die Büchse, Pandora, du Schlampe,
wir vergraben abgebrannte Kohlen in geleerten Gruben,
rufen rahmenlose Bilder rücken näher
raus aus diesem Land.

Kassandra traut sich keiner mehr
läuft aus dem Ruder, unrund stört die Kiste,
wenn sie aus ist. Wer isst die Brote
der Toten?
Endlich Nichtdichter
Benutzeravatar
Ruelfig
Altling
Urgestein
 
Beiträge: 1100
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 23:06
Eigene Werke
 

Aw: Diskord

Beitragvon rivus » Di 08 Feb, 2011 23:49


hi ruelf,
frei assoziativ u. so ....
ach, der falsche freie fuß hängt vielleicht nicht am schwungbein u. somit scheint der boden weggezogen u. welche bilder bringt uns das?

der hauptakteur ist verschwunden u. der rest ist für jedermann, jedefrau verschlossen. mit imperativen charakter wurde ein imperium einfach, wie der mann, der niemals lebte, in eine parallellwelt entlassen. er wollte das, aber hier werden nun bewußt " Spuren in mangelhafte Fährten" hinterlegt, um spürnasen, einen diskurs zu ermöglichen, der trotz irreführender fährten am ende zielgenau diskordiert. wir finden aber nur verfallene häuser mit frisch lackiertem, genauer mit "frisch lackiertem abfall von unglauben". ja spätestens hier gibt es kognitive fragezeichen. mhmm
ist nun der geist gemeint, unsre geistigen häuser, unsre religionen, die am ende ihres lateins, ihrer fanatiker, ihrer gewissensgrenzen ihre fassadenhaftigkeit aufgeben müssen, um von allem ungläubigen, von allen oberflächlichen sich zu trennen, denn selbst der neulack, das allgegenwärtigen längst ringparabelferner szenarien, lässt nicht nur den unglauben des jeweiligen anderen, sondern auch die zivilen, noch zu verletzbaren, noch zu egozentrischen und verführbaren kulturhäute abfallen. was bleibt sind aberwitzige und unmenschliche taten wie:

paleoskop.blogspot 5.8.09:
"Weil sie Christen waren: 8 Männer, Frauen und Kinder wurden in der pakistanischen Stadt Gojra von einem muslimischen Mob bei lebendigem Leib verbrannt. Bei den mehrere Tage andauernden Ausschreitungen wurden darüberhinaus über 100 Häuser von Christen niedergebrannt. Ausgelöst wurden die Unruhen auf Grund von Gerüchten, dass Christen angeblich den Koran entweiht hätten. "

oder

aktuell: Muslime zünden Kirchen an WEB.de-Nachrichten in Kooperation mit Spiegel Online:

"Temanggung - Hunderte aufgebrachte Muslime haben auf der indonesischen Insel Java zwei Kirchen in Brand gesetzt und eine weitere beschädigt. Anlass dazu war laut Polizei ein aus ihrer Sicht zu mildes Urteil gegen einen Christen, der den Islam beleidigt hatte."

ja, welches menschenbild entsteht nun nach allem abfallen konkret u. sehr eindringlich: der narrative homo sapiens posterectus, der postmoderne simplicissimus. ja so muss er aussehen, so entwickelt er sich:

"Unter die Kopfhaut rasiert, am Fuße eines Totempfahls
grundlos optimistisch. Man lacht die ganze Welt kaputt"

oh, nun hat auch die pandora hierzulande, dortzulande, ganz intraplanetär, nichts mehr zu lachen: denn, die ressourcen sind knapp, mit historischem restrisiko postulieren sie ganzjetzige, karthagische bilder von kriegen, vertreibungen, vernichtungen, ...., den generativen auszug aus, ja, von welchem land u. vielleicht einen neuen menschlicheren, empfindsameren, wirklichen, humanitären kosmopolitismus, eine glaubenstolerante inter- und intrakontinentale geselschaftsform ..., ach ....

sind selbst in zeiten solcher unglaublicher glaubenskatastrophen nicht mal mehr historische oder religiöse orakel möglich? wo sind all die kassandrinen? wo ihre weisen deuter? läuft die welt ins pandorische, in ein antinomisches fiasko, dass uns höchstens dichotomiert, um uns vielleicht im terror vacui ins niemandsland zu katapultieren?

wie klein ist doch die globalisierte welt geworden, die nach autarkem (sozioökonomischen) überleben schreit. die kiste, unser blauer planet, unsre egomanie, ist längst nicht mehr rund. sie verliert ihre steuerungsfähigkeit mit dem egomanischen glaubenswahn der völker, sie zerstört verstörte ethnien ... was für ein fürchterlicher und doch simpler, fast weinert'scher schlußdiskord: Wer isst die Brote der Toten?


sehr gern gelesen

lg, rivus
Benutzeravatar
rivus
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 3058
{ IMAGES }: 0
Registriert: Sa 27 Sep, 2008 10:19
Wohnort: Am Rand der Welt
Eigene Werke
 

Aw: Diskord

Beitragvon Ruelfig » Di 15 Feb, 2011 20:12


Hoi Rivus,
danke für deine Assoziationen, ich kann damit sehr viel beginnen. Weinert kannte ich nicht, werde ich lesen (allerdings wg seiner bevorzugten Marschrichtung eher im historischen Kontext).
Grüße,
r
Endlich Nichtdichter
Benutzeravatar
Ruelfig
Altling
Urgestein
 
Beiträge: 1100
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 23:06
Eigene Werke
 

Zurück zu Strandgut

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste