Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

grün

Beitragvon i.z. » Di 16 Sep, 2008 15:49


in losgelöster falschheit
wuchert unverständnis
verschlingt götzen
und utopia
im sog der erkenntnis
der zukunft gebärt
und blendet
die verblendeten
"Bunt ist das Leben und granatenstark. Volle Kanne, Hoschis!"
Abraham Lincoln
i.z.
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Re: grün

Beitragvon Drehrassel » Di 23 Sep, 2008 13:20


Die Lyrik mag eine anachoretische Kunst sein, wie Benn das unter anderem meinte. Oder auch nicht. Fest scheint zu stehen, dass sie sich bei aller gesuchten Abgeschiedenheit, Distinktion und privater Absonderung mancher Autoren doch nicht abseits gesellschaftlicher, politischer, sozio-psychologischer und auch ästhetischer Entwicklungen zu ereignen vermag. Und einiges dabei deutet wieder darauf hin, dass die Rolle des Dichters als eines poeta vates - eines Poeten aus höherer Inspiration, eines Poeten als Seher, Weiser, Mahner und Visionär - kaum noch überzeugend zu erfüllen wäre.
Es gibt aber auch Stimmen von einer ihnen längst enteilten literarischen Elite hinterher hinkenden Freunden der Verskunst, die den Verlust eines sprachlichen Gestus bedauern, welcher durch sie angesehen wird als eine Art Impetus des Lyrisch-Poetischen schlechthin: Der dunkel raunende Sound eines Textaussagesubjekts, von letzten Dingen, irgendwie ontologisch klingenden Begrifflichkeiten orakelnd, und dabei noch - en passant - kultur- und gesellschaftskritische Aussagen treffend.
Einige von ihnen setzen sich selbst dann und wann an ihren Schreibtisch und versuchen sich als Schriftsteller. Ergebnis solcher Bemühungen sind Texte, welche zwar die oben dargestellten Auffassungen über ein gelungenes Sprachkunstwerk grundsätzlich teilen, welche sich aber in ihrer Konstitution, in ihrem Verhältnis zwischen empirischem Autor, Textsubjekt und intendiertem Leser stark unterscheiden können: Einmal gibt es da jene, welche sich bewusst darüber zu sein scheinen, eine Form des Pastiche anzufertigen, die sie angesichts des eigentlich bewunderten hohen Tons nicht recht zu bewältigen verstehen, sich in allerlei Zitaten und intertextuellen Bezügen verheddern und am Ende retten müssen in ein kleinlautes Gebrüll in den Hohlkörper einer larmoyant-ironischen Selbstbezüglichkeit. Zu dieser Sorte Text gehört aber dein Gedicht, i.z., nicht, was schade ist... denn dann könnte ich ihm wenigstens abgewinnen, einen Lesegenuss daraus gezogen zu haben, Zeuge einer aberwitzigen Selbstdemontage gewesen sein zu können. So allerdings finde ich mich ausgesetzt einem Gebilde, welches ein tiefschürfendes aber nichtssagendes Wort neben und unter das nächste arrangiert und dabei nicht einmal auch nur einen Funken Ironie oder Eloquenz zu erkennen gibt. Im Gegenteil! Das latente Pathos ist spätestens nach der ersten Zeile als verzweifelt, unmotiviert und gewaltsam hervor gerufen entlarvt. -

Eine selbsterfüllende Prophezeiung aber könnte man diesen Text nennen: Kann ich ihm doch nicht absprechen, dass mein persönliches "Unverständnis wuchert(e)" im "Sog der Erkenntnis", hier läge der Versuch von "Verblendeten" vor zu "blenden"... Ob das aber auch hinsichtlich einer zu entwickelnden Autorenpoetik zukunftsträchtig ("gebären" bitte ohne h!) wäre?

Fragt,
Drehrassel
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Re: grün

Beitragvon MORDS TUSSI » Di 23 Sep, 2008 13:43


hallo i.z.

zu deinem text fallen mir worte ein wie: schwer, tranig, zäh, bemüht.
sicher, lyrik ist immer bemüht. der/die autorInn bemüht da was, müht sich ab, ringt mit jedem wort.
aber dieser text ist bemühtbemüht. ein text den man seine bemühtheit nicht anmerkt nenne ich gelungen. dein text dagegen merkt man die bemühtheit an, dass du dir regelrecht einen angebrochen hast während du geschrieben hast. das ist eben (siehe adjektive oben).


grüße
TUSSIINTÜLL
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Re: grün

Beitragvon OlafmitdemTraktor » Di 23 Sep, 2008 15:01


Schönen Guten Tag Herr I.Z. !

Jetzt haben wir (die Hildegard und ich) das schöne Gedicht schon eine geraume Zeit auf unserem Bildschirm flackern lassen und sind uns am Ende noch dabei in die Haare gekommen, d.h. sinnbildlich, denn ich habe ja gar keine mehr auf dem Kopf, Haare meine ich, nur noch in der Nase, aber das geht zu weit.
Jedoch genau so sollte es eigentlich sein. Ein Wort, ein Bild, eine Idee und der Leser versucht sich darauf einzulassen, weil er ebensolches erwartet. Doch dies hier liest sich wie eine Generalbrechnung mit der Welt, der Menschheit, dem Universum (das mit dem Universum geht zu weit, sagt die Hildegard) unter Verwendung einer plakativen Sprache. Die gewählten Worte aus dem Hochregal bleiben so für den Leser unverständlich (wir stehen doch ganz unten am Regal), zu allgemein, als dass sie erfassbar werden könnten, mit den Worten aus den unteren Regalbereichen (auch Bückware genannt) können wir, die Hildegard und ich, eher etwas anfangen. Wenn wir dann so etwas aus der fassbaren Ebene in den Händen hielten, es hin und her bewegten, weil wir es ja letztendlich auch nicht verstehen, aber unsere eigenen Bilder und Assoziationen darauf legen können und alles miteinander vermischen,dann könnten wir auch unter Umständen staunend nach oben schauen, hinauf zu den großen Worten, die da oben liegen, im Hochregal. Falschheit wäre solch ein Wort, Unverständnis, Erkenntnis. Die gehören oben hin. Die verschärfte Variante ist dann das von Ihnen, lieber Herr I.Z., gewählte "im Sog der Erkenntnis". Das ist zu dick aufgetragen und beraubt sich in dieser jetztsageichalles-Manier jeglichen Inhaltes.
Also: Große, schwere Brocken (wie fette Kühe ohne Euter) aber bedeutungslos für Hildegard und mich.
In der ersten Zeile, das heißt Vers, sagt die Hildegard, steht die "losgelöste Falschheit". Das hat uns sehr interessiert, das Thema. Da könnte man doch jede Menge darüber reden oder schreiben. Was ist Falschheit? Solch ein Wort braucht Bezüge. Und wo sind die Regeln für falsch und richtig, wer bestimmt diese usw.. Dabei könnte man bestimmt auch ins nachdenken geraten. Gibt es eine Eigendynamik, das falsche zu tun, trotz besserem Wissen. Wieviel Falschheit kann eine Gesellschaft ertragen, bevor die Falschheit zur Richtigkeit wird?
Aber alles dies sind Fragen, die ein Gedicht wohl kaum beantworten kann oder auch soll.
Staunen Sie lieber über die kleinen Fragen, lieber Herr I.Z., statt zu versuchen, die großen zu beantworten.

P.S. Die Hildegard sagt zu mir, immer wenn ich etwas besser weiß als sie:"Ich ziehe dir gleich mal an deiner Erkenntnis." Vielleicht finde ich auch deswegen den "Sog der Erkenntnis" so furchtbar.

Es verbleiben herzlichst Ihr OlafmitdemTraktor (und Hildegard)
Der Schlüssel zum Glück ist auf jeden Fall ersteinmal ein Schlüssel. (Gregor Libkowsky)
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Re: grün

Beitragvon i.z. » Do 25 Sep, 2008 12:12


*räusper*
Sehr geehrter Drehrassel. Ich sehe Worte, die - zusammengenommen in Zahl, Ausdruck und Inhalt - einen lesenswerten Essay über die Gewichtung proletarischer und niedersoziologischer Lyrik im Moloch der Gesellschaft ergeben, für mich aber, da mein Gedicht zwar Gegenstand, aber nicht Thema oder Abhandlung dieser ist, keinerlei konstruktiven Nutzen, geschweige denn eine Auseinandersetzung mit dem Text beinhalten.
Daher komme ich zu der Unterstellung, dass zumindest der erste Absatz deiner Antwort dir bereits in der Rohfassung vorlag, bevor du dich im Forum auf die Suche nach einem Text machtest, unter den gesetzt er bedeutungsschwanger und autoritätsbildend wirken sollte.
Und so bleibt einzig das "('gebären' bitte ohne h!)" was mich tatsächlich davon überzeugt, dass du das Gedicht überhaupt gelesen hast.

Den anderen beiden Autoren danke ich für ihre Auseinandersetzung mit meinem Gedicht. Es muss tatsächlich bemüht erscheinen, das war es auch. Mein Vorsatz war - zumindest gedankenexperimentell - einem Blinden die Farben zu erklären. Ging mir das in "rot" noch relativ leicht von der Hand, ohne dass ich in einen Eimer voll Klischees und verbrauchter Metaphorik trat, kam ich hier an meine Grenzen und werde mein Experiment wohl lieber beenden, bevor noch jemand Schaden nimmt.

Grüße,
i.z.
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Re: grün

Beitragvon Drehrassel » Do 25 Sep, 2008 13:23


ebenso geehrter i.z. -

es mag sein, dass ich bei der entwicklung eines eigenen kommentar/kritik-stils, welcher tatsächlich in die richtung kürzerer essays/glossen gehen soll, desöfteren, auch unter berücksichtung meines ziels, grundsätzlichere bemerkungen zu einem text vor zu ziehen einem geschmäcklerischen darin-herum-wühlen, welchen ausdruck ich ließe, welchen änderte und/oder ob ich das gedicht etwa einfach "gut" oder "schlecht" fände, allzu weit abschweife, sodass am ende gar der eindruck enstehen kann, ganze Teile meiner beiträge haben bereits vor der beschäftigung mit einem bestimmten gedicht in "rohfassung" vorgelegen, ich habe mich in das forum begeben auf der suche nach einer stelle, wo ich sie "bedeutungsschwanger" und "autoritätsbildend" anbringen könnte. -
dem ist aber nicht so. mein oben stehender kommentar entstand durchaus erst nach der lektüre deines textes, beziehungsweise, er stellt sogar einen zweiten versuch dar, nachdem ich eine erste version bereits geschrieben hatte, welche mir durch technisches ungeschick verloren gegangen war.

nachdem du nun bekundest, mein "essay" handelte von "proletarischer" und "niedersoziologischer" (<- ?( ) lyrik, halte ich selbst ihn zumindest für nicht mehr so lesenswert. meine eigentliche intention, und überhaupt das thema meines textes, scheinen nicht erkenntlich geworden zu sein. das tut mir leid. -

gruß,
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Re: grün

Beitragvon i.z. » Do 25 Sep, 2008 18:12


Verzeihung. Ich tendiere dazu, auf Kommentare, angefüllt mit durchweg gehobener Ausdrucksweise ebenso zu antworten. Was ich meinte als Quintessenz aus deiner Antwort gezogen zu haben, war, dass bestimmte Gedichte nicht über den näheren Umkreis des Bauchnabels des betreffenden Autoren hinwegreichten und lediglich aus bedeutungsschweren, aber im Kontext nichtssagenden Wortverknüpfungen bestünden, die einem beim Lesen allenfalls ein "Uuuuh" entlockten, welches jedoch alsbald in ein "Häää?" umschwenkte. Diese Kritik ist überaus zutreffend. Mein einziges Problem war, dass mir lediglich die Tatsache, dass sie unter meinem Text stand, suggerieren konnte, dass du mein Gedicht als ein solches entlarvst.

Die Worte die ich bei meiner mehr giftigen als zurechnungsfähigen Entgegnung verwandte, zeugen sowohl vom Fehlen der Notwendigen Ausgeglichenheit meiner Person, als auch vom gar schändlichen Halbwissen selbiger, welcher sie entspringen. Ich verspreche hoch und heilig, mich zu bessern und in Zukunft bei dergearteten Texten, so sie denn entstehen, den Browser zu schließen, ohne zuvor auf "Absenden" zu klicken, wie ich es früher eigentlich immer hielt.

Grüße,
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