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Stillebewohner / Hikikomori

BeitragVerfasst: Mi 24 Sep, 2008 15:52
von kirmesbollo
Fast hätte er das Haus verlassen,
das ihm nie Zuhause war,
doch gleich und gleich gesellt sich gern,
so blieb er unter sich.
Beherrschte sich und seinen Raum,
träumte Trost und Wintergärten
in seine Hallen, seine Keller,
die er ganz allein bewohnte.
Nur einmal dachte er sich zweisam,
weinte lautlos an der Schulter
eines unbekannten Mädchens,
das er beinahe traf.

Re: Der Stillebewohner / Hikikomori

BeitragVerfasst: Mi 24 Sep, 2008 16:19
von MORDS TUSSI
hey bollo

was soll ich sagen, es gefällt mir einfach rund um gut. jede zeile passt, getragen von einem rhythmus der die stimmung unterstreicht. so wunderbar melancholisch. obwohl hikikomori natürlich eine ernsthafte krankheit ist. ich will da jetzt gar nicht weiter draufeingehen, ob du das im gedicht vielleicht romantisierst. ;) wie auch immer ich finds toll.


grüße
TUSSIINTÜLL

Re: Der Stillebewohner / Hikikomori

BeitragVerfasst: Mi 24 Sep, 2008 16:35
von Old Gil
Hallo Bollo,
erstmal mag ich dein Gedicht.
Weder "der Stillebewohner" noch "Hikikomori" gefallen mir als Titel gut. Stillebewohner, weil es einfach nicht gut klingt, und Hikikomori, weil das erste, was ich gemacht habe, nachdem ich das Gedicht gelesen hatte, das Aufrufen des Entsprechenden Wikipediaartikel war. Das machen wahrscheinlich auch diverse andere Leser so. Da wurde mir einiges weggenommen. Außerdem denke ich nicht, dass man ein Hikikomori sein muss, um das zu kennen, was man in deinem Text liest.
Beim ersten Lesen flutscht das ganze auch noch nicht so richtig (meine Rhythmus), man muss sich einlesen.
Am besten gefallen mir die letzten beiden Verse. *getriggert* Mir gefällt wie das Gedicht sich auf eine Beschreibung beschränkt anstatt auf all die verpassten Möglichkeiten der Hauptperson mit dem achtzigzentimeter-Zeigefinger hinzuweisen. Sie werden einfach als gegeben hingenommen, genau wie vom lyrischen Er.

danke, sehr gern gelesen,
ich bin heute jedenfalls in die Schule gegangen,
gil.
edit: Gnarg, die Tussi war schneller...

Re: Der Stillebewohner / Hikikomori

BeitragVerfasst: Mi 24 Sep, 2008 19:50
von isaban
Auch von mir wirst du nicht viel Gemecker hören, Bollo.

Einzig im 2. Vers würde ich ein "ein" vor Zuhause packen, weil du dort die Sprachmelodie dupst, ohne dass es inhaltlich wirklich unterstreichen würde.

Fast hätte er das Haus verlassen,
das ihm nie Zuhause war,
doch gleich und gleich gesellt sich gern,
so blieb er unter sich.
Beherrschte sich und seinen Raum,

träumte Trost und Wintergärten

in seine Hallen seine Keller,

die er ganz allein bewohnte.

Nur einmal dachte er sich zweisam,

weinte lautlos an der Schulter
eines unbekannten Mädchens,

das er beinahe traf.


Gelungen, wie du immer wieder dem Inhalt entsprechend zwischen betonten und unbetont beginnenden Versen wechselst. Gut auch, wie du das, was dein LyrI nicht tut durch unregelmäßiges Versmaß, in diesem Falle kurze Verse unterstreichst. (Hinter "sich" hätte man auch ein Komma machen können.)

Beim "beinahe" im letzten Vers hadere ich noch mit mir, ob ich die beiden aufeinander folgenden unbetonten Silben als gelungenes Stilmittel betrachten soll, weil dort so schön bildlich die Melodie verfehlt wurde, oder ob ich die kurze, knappe, metrisch saubere "beinah-traf-Fassung" bevorzugen würde.

Zum Titel:

Beide irgendwie nicht so ganz eingängig. Vielleicht lieber was kurzes, knappes?

Liebe Grüße,
Sabine

Re: Der Stillebewohner / Hikikomori

BeitragVerfasst: Mi 24 Sep, 2008 20:06
von Old Gil
[quote="isaban":31hj4d8s] Vielleicht lieber was kurzes, knappes?[/quote]
Vorschlag:

"Der Bewohner"