von rivus » Di 20 Okt, 2009 20:55
hallo aichi,
dein zeitlos hat mich arretiert. ein anti-chronos?
du malst wieder aichi-bilder, fünf bilder, in denen ich als leser das zeitlose suche.
1,in einem weißen traum ist eine nacht, die dem traum gleicht u. sie scheint gleich dem weiß des traumes. schon hier spielt das zeitlose geweißte karten ohne motive aus. doch dieses bild wird gestört von einem brennenden mond u. sich türmenden & brandenden feuerwellen.
im auf- & abbrennen des mondes u. im auf u. ab der feuerwellen aus einem sich stetig öffnenden feuer finde ich das perpetuum des zeitlosen.
2, "Windmühlen haben ein stumpfes Lächeln"
ich sehe mühlenstümpfe, in denen der zahn der zeit gewütet hat u. die ich vielerorts auch in unseren brandenburgischen landschaften finde. sie haben keine rechte bindung mehr zur aktuellen zeit u. wirken daher immer loser von (gegenwärtiger) zeit, fast wie langsam entzeitigt. ihr verwitterndes überrest-lächeln verfolgt uns stumpf.
ich sehe aber auch die modernen mühlen, an denen don quijote seinem rittermut noch vergeblicher ausprobieren würde u. ihr stumpfen gegen die winde u. vögel, die scharenweise zu früh zum tode kommen. auch das ist etwas zeitloses, denn mir kommen gleich die unzählig von eisenbahnen getöteten bisonherden in den usa in den sinn.
"luft atmet nicht" ist wie die atemstille vor dem sturm u. die alten mühlen helfen nicht mehr dennoch zu atmen. so wird im einatmen verschnauft u. im ausatmen stürmt der himmel sein kobalblau in die zeit, verwirbelt die letzten reste u. löst die mühlenzeit auf.
3,"schwerter durchschneiden masken", entmasken. was steckt hinter den masken? wer war so maskiert? das archaische? das zeitlose wie die für immer abgetrennten blüten von einst, die nicht weiter blühen durften? oder flüchtet die zeit aus dem heute u. macht dadurch das heute zeitlos, weil sie nicht nur das gestern u. morgen, sondern auch die reste der mittägigen zeit mitnimmt? warum wohl gerade die? ist es eine warnung für die vormittägige u. die noch kommende nachmittägige zeit, dass die gegenwart zeit noch mehr verlieren wird, zeit nicht mehr als zeit wahrgenommen werden kann, weil zeit in unserer heutigen zeit immer flüchtiger wird?
4, all die zeit - gestern, morgen, reste mittägiger zeit - fokussiert sich, materialisiert sich in "ein tropfenförmiges etwas" u. hält scheinbar diese verbliebene zeit nicht mehr aus. es trägt schwer an zeit u. es trägt zu schwer an all den bildern. von nacht, mond, windmühlen, luft u. stürme, schwerter, masken, abgetrennte blüten so sehr beschwert, springt es allmählich von der klippe. warum dieses allmähliche, dieses zaudern, zögern? fehlt die restzeit zum zeitlosen oder der mut zum sprung in das endgültige, zeitlose? auch das springen von der klippe gibt es seit menschengedenken, so dass es sich verzeitigt hat u. doch zeitlos geworden ist, weil es eine möglichkeit ist, sich von zeitdrängen zu lösen.
5, was war dieses es? wer beschreibt diesen zustand "es war nicht warm und wird auch nie wieder kalt? ist es ein resümee eines außenstehenden? oder ist es die gefühlsbeschreibung eines lebensmüden, todessüchtigen li, das sich zu keiner zeit zuordnen, keine identifikation entwickeln konnte u. die welt metaphorisierte, um in der aktuellen zeit zu bleiben u. es glaubte, doch nicht zu schaffen? es scheint doch eher die befindlichkeit eines sich vom leben u. der lebenszeit schon verabschiedeten menschen zu sein. es ermutigte sich vermulich, um den sprung zu vollenden u. es braucht im nachhinein wirklich kein angst mehr zu haben vor emotionaler kälte, auch nicht vor den zugriffen der vergangenheit, den widrigkeiten der gegenwart u. den zukunftsängsten.
aichi, dein bilder leben, lesen sich aber wie verlangsamte bachschnellen von verschiedenen orten. das ist dein stil, der schon oft in der kritik stand. probier doch mal das verweben der einzelnen strophen, also das herstellen von bezügen, die für den leser nachvollziehbar sind. dadurch kann ein text lesbarer, auch nachvollziehbarer werden.
natürlich bekomme ich auch bei deinen strophen-übergängen assoziationen.
Feuer / Windmühlen .... Feuer, die nach den Windmühlen greifen u. sie substantiell zeitlos machen
von kobaltblauer Art / Schwerter ... die gekreuzten Schwerter der Meißener Porzellan-Manufaktur, ebenso ein wenig zeitlos geworden
aber du siehst, die bezüge sind sicher ganz andere, als du dir vorstellen könntest?
ich denke schon, dass du durch die nicht fließenden strophenübergänge u. durch den verlust an bildhaftigkeit in den letzten beiden strophen die wirkung von "zeitlos" abgestumpft hast.
folgende bilder haben mir gefallen:
"Die Nacht ist jenem weißen Tuch gleich"
"Windmühlen haben ein stumpfes Lächeln"
"Luft atmet nicht"
lg, rivus
ach ja,
im
"Ein tropfenförmiges Etwas,
dass allmählich von der Klippe springt"
ist das s zu viel!