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DIE ROT LACKIERTE VESPA

Beitragvon Drehrassel » Do 04 Mär, 2010 22:17


[size=85:3pdpv15a]DIE ROT LACKIERTE VESPA
gehört einem andern. mir. zwischen zwei häusern
1 zugangsbereich, der postbote heute verteilte
seine zustellungen nach beiden seiten hin. manche der
briefkästen ließ er aber aus. weil dorthin nichts
adressiert gewesen war.

sie scheint verschneit. wir besteigen sie und fahren ab.
der postbote heute heißt jens. ich trage seine uniform
falte flugblätter für konkurrenzunternehmen. er hätte es
auch bleiben lassen können, nichts in die schlitze der un
angeschriebenen zu schieben. die überschriften lauten

: sich kopflos geben, vielleicht das tachometer
beobachten wie es sich bewegt. helme haben. und
mieterschutzvereine, mir ist nach hilfsverben, eher als
namensschildern. ihm auch. aber wir fehlen im
anhänger. / ich sack weg.

während du sie kaufst. meiner manteltasche steckst
fahren wir hoch auf 70. herr schneider schaufelt uns
frei. sicht: enorm. unter
null bock grad, den bock[/size]
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
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Re: DIE ROT LACKIERTE VESPA

Beitragvon Friederich » Do 04 Mär, 2010 23:22


Hallo Rassel,

mit einem Wort: super! Der ganze Text liest sich "wie noch nie gelesen" und ist vom Gesamtbild her, von alternierenden schweren und leichten Bildern passend. Und nicht zu unterschätzen: die kleine Schriftgröße trägt zu einer rein äußerlichen Kohäsion bei.

Schön finde ich die sich aus dem Text konstituierende Stimme, die sich vom Gestus her zwischen einer fast emotionslosen Beschreibung des Alltags
sie scheint verschneit. wir besteigen sie und fahren ab.
der postbote heute heißt jens. ich trage seine uniform

die sich durch parataktische Satz- respektive Versstruktur auszeichnet und stark poetisch aufgeladenen Teilen, die aber nicht mit diesem Grundtenor brechen

fahren wir hoch auf 70. herr schneider schaufelt uns
frei. sicht: enorm. unter
null bock grad, den bock


indem eine authentische "Sprache des Berufsalltags" anklingt (wir fahren hoch auf 70).

Inhaltlich habe ich mich bisher nur angenähert, ohne die Narration zu Gänze nachvollziehen zu können. Es ergibt sich ein, nicht ganz klar werdendes, Bild im Postgewerbe. Der Protagonist spricht von einem anderen Postboten, der sich allem Anschein nach nicht ganz an die Vorgaben gehalten hat und ersetzt worden ist, was das lyrische Ich mit einem nicht abhakenden unberühretn Unterton feststellt. Dass "du", das am Ende auftaucht, wird mir vielleicht nicht ganz klar genug eingeführt, was auf der anderen Seite dem Lesen nicht abträglich ist. Stark finde ich aus sprachlicher Sicht das Ende.

Kleine Anmerkung: Ich glaube, Tachometer ist maskulin.

Viele Grüße,

Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

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Re: DIE ROT LACKIERTE VESPA

Beitragvon Drehrassel » Do 04 Mär, 2010 23:37


hey, fried!

mal eben im duden nachgeblättert... "tachometer, der (auch: das)" steht da. hm, dann lass ich es so wie es ist. danke für deinen kommentar. wenn du sagst: "las sich wie noch nie gelesen", antworte ich: "schrieb sich auch so wie noch nie geschrieben". und, das meine ich jetzt nicht einmal ironisierend. -

gruß,
dein dreh.
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