Ruelfig, du weist auf etwas sehr Wichtiges hin: nämlich, dass ein Gedicht (und nicht nur ein Gedicht) von zwei Leuten geschrieben wird, und zwar vom Verfasser und vom Leser. Das Gedicht kann nur wirken, wenn auch der Leser bereit ist, das Gedicht zu verstehen, und damit meine ich nicht in jedem Fall das Handwerkliche, obwohl das auch eine Rolle spielt, sondern den "Geist", der aus einem Gedicht spricht. Es gibt viele handwerklich gutgemachte schlechte Gedichte, das ist nichts Neues, aber nur wenige Gedichte, bei denen sowohl das Handwerkliche als auch die Einsichten und Vorstellungen des Verfassers parallel laufen, also das angestrebte Niveau der Lyrik erreichen. Ich bin auch der Ansicht, dass ein Gedicht sich nicht auf ein eventuell niedrigeres Niveau einer bestimmten Leserschaft hinabbegeben sollte, um kurzfristig Lorbeeren einzuheimsen. Denn überleben wird ein Gedicht nur dann, wenn es unverstellt und ungekünstelt auch dem Leser hilft, für sich Neuland zu erobern, sei es thematisch oder sei es auf intellektuellem Gebiet.
Gruß, Nachfrager