Moin, habe was geschrieben. Was meint ihr? Nicht schüchtern sein! Danke.
Einleitung
Mann, fühlst du dich prima? Schön. Lügen können so angenehm sein.
Du denkst, du bist fortschrittlich, gebildet, intelligent, vielleicht sogar die kleine Schwester von Scheiße, nett? Wir Männer, wir sind schon weit gekommen, nicht wahr? Der Gender Pay Gap schrumpft und absolut niemand will ihn mehr haben. Die Ischen sind selbst schuld, wenn sie ätzende Berufe wie Kindergärtner oder Krankenschwester wählen. Nein, nicht Kindergärtner*Innen, denn irgendwann muss mit der Verschandlung der Sprache auch mal 1 Schlussstrich gezogen werden.
„Ich bin ok, du bist ok“ ist die größte Lüge unserer Epoche. Zumindest, wenn einer der beiden ein Mann ist. Die Wahrheit ist: du bist auserzählt. Die Geschichte des Mannes ist aus erzählt. Du bist verantwortlich für den Zustand einer Spezies, der so erbärmlich ist, dass jeder auf sich haltende Außerirdische diesen Planeten zerstören würde. Wir sorgen dafür, dass Gewalt und Kriege immer noch wüten, als wären wir bei Game of Thrones. Wir rüsten nuklear auf, vielleicht können wir ja den Klimawandel, den wir verursacht haben, wegbomben. Wir setzen Vergewaltigung als Waffe ein, Yolo. Wir ziehen mit Fackeln vor die Häuser von sächsischen Politikerinnen, das wird man ja wohl noch grölen dürfen! Wir fressen munter weiter Fleisch, weil wir das Tier auch erschießen würden, weil wir ach so konsequente Denker und vor allem harte Typen sind. Wir haben die Krankenhäuser, Schulen und Stromanbieter privatisiert, weil Kapitalismus fuck yeah und wundern und nun, wieso das Leben öde, teuer und scheiße ist. Muss an den ganzen linksgrünversifften Gendersternchen liegen. Vor allem weigern wir uns das zu sehen, was alle Katastrophen gemeinsam haben: Männer.
Du denkst, wir sind doch alle gleich? Feminismus ist längst vorbei, nur was für unverbesserliche Ungefickte und, na sag es doch, Schwuchteln? Du bist der Letzte, der sich der Gleichheit entgegenstellen würden, aber bitte nicht so radikal, bitte so, dass es ins Abendprogramm passt? Newsflash: Die Ausbeutung interessiert sich einen Scheiß darum, ob du sie siehst. Nur weil du die männliche Verachtung ausblendest, werden keine weiblichen Säuglinge hinter Mülltonnen abgelegt. Nur weil du deine plüschige Echokammer für die einzig wahre Perspektive hältst, biegt sich die Wahrheit nicht.
Lieber Mann, ich habe eine schlechte Nachricht für dich: du bist vorbei. Männlich sein bedeutet nicht hart, klug und zielsicher zu sein. Es bedeutet ein ignorantes Arschloch zu sein. Bis hier hin konntest du lügen, du hättest von nichts gewusst. Bis hier hin konntest du immer weiter in die Komfortzone fallen. Doch was zählt, ist nicht der Fall, sondern der Aufprall. Das hier ist ein Abschiedsbrief. Eine Selbstmordnote. Wir Männer sind vorbei. Und das ist gut so. Denn wir sind Dreck und das hier ist „DRECK.“: „Die Radikal Ehrliche Cismann-Kritik“.
Was bleibt?
Feminist*Innen, die uns, Inshallah, zu einem guten Pro-Feministen machen. (Wer sich als Mann als „Feminist“ bezeichnet und so den Feminismus übernehmen will wird standrechtlich kastriert.) So nette Girlz wie Valerie Solanas mit SCUM: der „Society for Cutting up Men“. Andrea Dowrkin, die sagt, jedes Wort sei eine Vergewaltigung. Oder Alice Schwarzer, die eine Kastrateurin so feiert: „„Sie hat ihren Mann entwaffnet. […] Eine hat es getan. Jetzt könnte es jede tun. Der Damm ist gebrochen, Gewalt ist für Frauen kein Tabu mehr. Es kann zurückgeschlagen werden.“ Da fühlt man sich doch willkommen!
Dann werde ich eben woke, denkst du dir. Du checkst mal meine Privilegien. Deine Whitness ist so citical, da würde sich selbst Roberto Blanko für schämen. Du bist so body positive, dass du dir guten Gewissens auch noch den letzten Kaiserpinguin frittierst. Du bist so intersektional unterdrückt, dass du jede Opferolympiade gewinnst. Dann bist du der Gerechte unter den Menschen und ganz alleine, weil du absolut unausstehlich bist.
Das Schlimme ist, selbst wenn du als moderner kritischer Mann, oder wie du es heimlich nennst, als „Lusche“, einfach aufgibst, kannst du nicht guten Gewissens überlaufen. Der „kritische Mann“ ist seit den 80ern ein Trauerspiel aus Arschlosigkeit, Speichelleckertum und Minderwertigkeitskomplex. „Cultural appropriuation“, „body positivity“ und die kreischende Symphonie aus kritischer Theorie und Triggerwarnungen haben wie Welt nicht besser gemacht, sondern nur weinerlicher. Es gibt kein gut und böse mehr, sondern nur noch böse und böse.
Und noch böser!
Die Männerrechtler! Ganze Kerle, die die erklären, wieso man Frauen vom Fleck weg vergewaltigen darf, sogar muss! Wieso ein echter Mann Fleisch frisst, in seinem Benz mit 180 km/h ins Abendrot der Klimaapokalypse fährt und wieso die NPD es nur gut mit Vätern meint. Oder, wieso man wie die Incels Frauen nicht braucht, während man seine Baretta durchlädt, um in der Innenstadt ein Zeichen für das unfreiwillige Zölibat zu setzen.
Als Mann kann man nur verlieren. Deswegen ist die Welt voll von Verlierbünden, Putinisten, der AfD, Impfgegnern. Es fühlt sich toll an keine Chance zu haben, nicht wahr? Muss man gar nichts mehr tun außer sich selbst bemitleiden! Kein Wunder, dass viele Männer zu machen. Wenn dich Männlichkeit nicht interessiert ist das ok. Dann bleibst du eben ein ignoranter, blasierter, öder Idiot. Das ist dein gutes Recht, das ist immer noch Deutschland hier! Falls du dein Leben aber nicht weiter in den Abfluss pissen willst:
Gibt es eine alternative zur toxischen Männlichkeit?
Dieses Buch ist für alle, die wissen wollen, wieso Valerie Solanas das SCUM Manifest schrieb und den berühmtesten Künstler des 20. Jahrhunderts erschoss. Es ist für alle, die wissen wollen, wieso viele Männerrechtler das vielleicht grausamste Verbrechen der neueren deutschen Geschichte zu verantworten haben und wie sie ihre Griffel in die Politik ausstrecken. Für alle, die Wissen wollen, wieso die barbusige Revolution „Femen“ ein Paradebeispiel für die Macht von Männern ist. Für alle, die keinen Bock auf Weichspülfeminismus mit Samthandschuhen haben, sondern irgendwas kaputt schlagen wollen, und sei es das Patriarchat. Und für alle, die merken, dass sie noch vor toxischer Männlichkeit triefen. Die sie loswerden wollen, im nicht jeden morgen im Spiel ein Arschloch zu sehen.
Zieh dir den Lauf wieder aus dem Rachen. Es gibt ihn, diesen neuen Mann. Der weder ein selbstzufriedenes konservatives Arschloch noch eine herumstümpernder Haufen Zweifel ist. Er kommt zum Schluss und versohlt dir den Hintern. Er ist der Punk, die Sci-Fi, der schwarze Humor. Er ist der Unsinn, der Überflüssige, das, was für uns Menschen unerlässlich ist. Ein großer Philosoph und virtuoser Grammatiker des 20. Jahrhunderts. Falco, sang: „Denn wer sich retten tut, der hat zum Untergang kein` Mut!“
Manchmal kann man erst aus Ruinen auferstehen.
Zeuginnen unserer Beschissenheit: Feministinnen
Wir sind SCUM: Valierie Solanas
„Für 25 Cent sagt ich ihnen das böseste Worte der Welt!“, sprach Valerie Solanas Menschen auf der Straße an. Wer ihr das Geld gab, bekam als Antwort: „Mann“. Die wohl radikalste Feministin aller Zeiten lebte auf der Straße. New York 1967 am Vorabend war kein romantisches Pflaster, auf dem Man die 68-er Revolution spüren konnte. Es war eins, an dem man sich die Nase zerschlagen konnte, täglich. Streits mit Transsexuellen in fauligen Obdachlosenunterkünften. Köpper in Mülltonnen, um essbares zu finden. Oder der gute alte Freier, der einfach sonst nicht kommen kann. Valeries Leben, war, sagen wir, nicht der bürgerliche Traum. Trotzdem oder deswegen schrieb sie das großartigste Buch zum Thema Gender.
Valerie war selbst zu ihren schlechtestes Zeiten jemand, der dir in Erinnerung blieb. Ein längliches Gesicht, durchdringender Blick, nicht wirklich schön, aber wirklich zufrieden damit. Ein Bekannter traf sie auf der Straße: verfilzte Haare, stinkend, fluchend. Er lud sie auf ein Essen ein. Sie sagte „warte“, ging in den Buchladen nebenan, und stahl ihr eigenes Buch für ihn. Es war das SCUM-Manifest: „Society for Cutting up Men“ – Die Gesellschaft zur Zerschneidung von Männern. Obwohl sie später behaupten wird, die das ausgeschriebene Acronym von „SCUM“ hätte ihr jemand aufgedrückt: ein Mann. Der gleiche, der es ihr „stehlen“ sollte. Maurice Girodias war ein Verleger, den alle einhellig als „schmierig“ bezeichneten. Stets war er mit einem Beim im Knast, oder wurde wegen seiner Hardcorepornobücher (das waren die 60er!) angeklagt. Sein Geschäftsmodell: armen Autoren das Urheberrecht gegen ein Brötchen abkaufen und sie dann verhungern lassen. Und Valerie hatte Hunger. Girodias war ein schmieriges Stück Dreck, aber wusste, was die Leute „triggerte“. Er sollte später einen Science Fiction Roman schreiben, in dem Kissinger den Sozialismus einführt. Das stieß den USA so hart auf, dass er, so sagt man, in einem Drogendeal „geframed“ wurde uns ihm „nahe gelegt“ wurde das Land zu verlassen. Er erkannte ein bahnbrechendes Werk, selbst wenn es ihm eine zerfetzte Obdachlose in berühmten Chelsea Hotel hinhielt. Schon auf der ersten Seite wird ihre Brillianz klar:
„Ein Mann ein Tier zu nennen wäre geschmeichelt; erst eine Maschine, ein laufender Dildo .“
So weit, so radikalfeministisch, so gut. Aber wie begründet sie das?
„Mit anderen Worten, der Mann ist eine unfertige Frau, eine wandelnde Abtreibung, abgetrieben auf der genetischen Ebene.“
Valerie war nicht immer die Retterin der weggeworfenen Sandwiches. Sie war Genetikerin. Früher, als sie Männer noch aushielt, untersuchte sie an der Seite von Professor Brush an der Universittät Maryland das Lernen von Tieren, Hormon-Verhaltensverhältnisse, endokriner Physiologie und Verhaltensgenetik. Brush sagte, er arbeite an „Traumavermeidungslernen bei Hunden und Katzen.“ Und Valerie bei Männern. Was war das Trauma der Männer? Valerie erläutert das in bedingt wissenschaftlichem Ton in SCUM:
„Er wird durch einen Fluss von Rotze schwimmen, knietief für eine Meile durch Kotze warten, wenn er denkt, er kann eine freundliche Fotze finden. Er wird jede Frau ficken, die er verachtet, jede zahnlose Alte und, außerdem, dafür zahlen. Warum? Physisch Druck ablassen ist nicht die Antwort, Masturbation würde dafür reichen. Es ist auch nicht die Zufriedenstellung des Egos, das würde Leichen und Babys ficken nicht erklären. Der Mann hat die Obsession zu kompensieren, dass er nur eine halbe Frau ist, zusammen mit der Unfähigkeit Mitgefühl zu fühlen. Er hat die Welt zu einem Scheißhaufen gemacht.“
Die Frau hat ein XX-Chromosom, der Mann XY. Das 20. Jahrhundert war die Zeit der einfachen Gegensätze. Schwarz gegen Weiß. USA gehen die Sowjetunion. ARD gegen ZDF. Und eben der gute X gegen das böse Y. Für ihre Zeit was das eine bahnbrechende Entdeckung. Das war die Zeit, in der selbst Wissenschaftler von Atomstaubsaugern und Flugtaxis flabulierten (heute tun das nur noch Politiker). Wieso dann nicht eine perfekte Menschenrasse schaffen?
„Der Mann ist von Natur aus ein Blutsauger, ein emotionaler Parasit und so, ethisch nicht gerechtfertigt zu leben, weil niemand auf Kosten anderer leben darf. […] Die Auslöschung des Mannes ist, deswegen, ein gerechter und guter Akt, nützlich für alle Frauen und auch ein Akt der Gnade. […] Zur Frage, ob die Männer sich fortpflanzen lassen sollen, folgt es nicht, das, nur weil der Mann, wie die Krankheit, schon immer da war, er auch immer da sein muss. Wenn genetische Kontrolle möglich ist, sollte sich von selbst verstehen, dass wir keine halben Menschen machen, mit physischen defekten, oder emotionalen defekten, so wie Männer.“
Wo findet man heute so gnädige Frauen? Wer hat heute noch den Mut, Menschen als „Parasiten“ zu bezeichnen? Die Nazis haben das ein für alle mal versaut. Solanas fasste sich keine 25 Jahre nach dem Holocaust das Herz dazu. Nicht auszudenken, wie kalt eine Gesellschaft wäre, in der es noch Männer gäbe! Besonders, da, wie Solanas später schreibt, „Liebe der Sinn des Lebens“ ist.
Gut, denkt ihr toxischen Männer jetzt vielleicht, was kümmert mich eine Verrückte aus dem New York von damals? Das zeigt nur, wie beschränkt ihr seid. Valerie war nämlich genial. Auch deswegen ist ihr Einfluss auf den radikalen Feminismus bis heute so groß. Sie erkannte:
„Es gibt keinen menschlichen Grund für Geld zu arbeiten. Alle nicht kreativen Jobs (also fast alle Jobs) hätten lange zuvor automatisiert werden können, in einer geldlosen Gesellschaft könnte jeder so viele haben, wie sie will.“ Ob das 1968 schon stimmte, war zweifelhaft, heute ist es zweifellos wahr. Das MIT schätzte schon 2018, dass 90 % aller Jobs mechanisierbar wären. Wieso hat sich die Arbeitszeit seit dem Zweiten Weltkrieg nicht verkürzt? Wieso geht die Wahnvorstellung BIP immer weiter und weiter rauf, während ihr euch für Unsinn abrackert? Wieso gibt es noch U-Bahnfahrer, Kassierer, oder Banker? Was, Kapitalismus meint ihr? Typisch Männer! Dann jeht doch rüber, nach...Nordkorea! Solanas wusste, wer Schuld war:
„Aber es gibt unmenschliche, männliche Gründe warum wir das Geldsystem beibehalten. Was Frauen befreien wird, von der männlichen Kontrolle ist die absolute Abschaffung des Geldsystems und die ökonomische Gleichheit. […] Der Mann hat einen umgekehrten Midasfinger – alles was er anfasst, wird zu Scheiße.“
Der Mann, der Zauberer der die Welt in Scheiße verwandelt! Wer kann das abstreiten? Wie zufrieden seid ihr mit dem Aktienkapitalismus? Na, wie viel hat euer Bitcoinfonds schon abgeworfen? Wie gut funktionieren Emmisionshandel, private Autobahnen und ein liberalisierter Gasmarkt?
Valerie war nicht nur Kapitalismuskritikerin. Sie wusste auch, ein halbes Jahrhundert bevor jemand das Wort ausschrieb, was „toxische Männlichkeit“ war:
„Konformität: auch wenn er ein Individuum sein will ist der Mann vor allem ängstlich, was ihm das kleinste bisschen von anderen Männern unterscheidet; es lässt sich vermuten, dass er kein wirklicher "Mann" ist. Er ist kein Mann, er muss eine Schwuchtel da sein. Also versucht er seine "Männlichkeit" wiederherzustellen, indem er wie alle anderen Männer ist. Unterschiede zwischen ihm und anderen Männern, auch zwischen anderen Männern, ängstigen ihm, das heißt, sie sind Schwuchteln, die er absolut vermeiden muss, also zwingt er alle anderen Männer zur Konformität.“
Wer kann das abstreiten? Das ist so ziemlich die Definition vom Patriarchat, unter dem auch Männer leiden. Heteronormativität, ihr scheiß Heten. Wieso sind drei Viertel aller Selbstmörder Männer? Eben, weil auf ihnen ein immenser Druck lastet. Ein Mann ist in der Männlichkeit so gefangen wie eine Frau im Korsett. Nur, dass er sich dazu noch was weg klappen muss, seine Freiheit. Zugegeben, Valerie war sprachlich nicht so „woke“, Neusprech für politisch korrekt von Links, wie man es heute erwarten würde. Aber für sie war „Schwuchteln“ ein Kompliment:
„Es wird Kackwurst-Sessions geben, in denen alle der Schwuchteln [die wir überleben ließen] zusammen kommen und sagen: Ich bin eine Kackwurst, eine widerliche, erbärmliche Kackwurst.“
Aber Solanas ist nicht nur Theorie. Sie gibt ganz konkrete Vorschläge für ganz konkrete Schwuchteln:
„Die Schwuchteln können dann zu sehen wie die starken Frauen alles tun, sich als Zuschauer fühlen, auf der Kuhwiese gehalten werden, oder Sie können ins nächste freundliche Nachbarschaftsselbstmordzentrum gehen, wo sie leise, schnell und schmerzlos vergast werden.“
Was will man mehr? Was darf man als Mann mehr verlangen? Besonders, weil alle anderen Männer von den SCUM-Todesschwadronen hingerichtet werden. Besonders Verleger! Ja, ja, ich weiß, was ihr jetzt denkt. Die Frau war verrückt. Zugegeben, sie glaubte zeitweise, Mann hätte ihr eine Abhöranlage in den Uterus eingebaut. Aber sie sagte auch Onlinewahlen und Viagra voraus. Letzteres allerdings nur, um Männer „steuerbar und beschäftigt“ zu halten. Wenn ihr euch jetzt fragt, wie frau so werden kann, gibt es nur eine Antwort: Männer. Die aus Valeries Vergangenheit.
Valierie wuchs in Atlantic City auf. Die Stadt war das zum Scheitern verurteilte Las Vegas der Ostküste der USA, weil, Las Vegas. Bevor die Casinos groß werden konnten, wurden die Straßen so unsicher, dass jeder, der mehr als ein paar Doller gewann, überfallen wurde. Heute kämpfen Atlantic City und Detroit um den Titel: „größte urbane Wüste.“ Ihre Familie war nicht besser. Ihr Vater, ein Mann, vergewaltigte sie, wenn er nüchtern war. Was zum Glück selten der Fall war. Weil Gott eine schwarze Lesbe ist, bekam er, was er verdiente. Bei einem durchsoffenen Glücksspielabend schlugen ihm bekannte den Schädel ein. Sie ließen ihn unter dem Tisch liegen, wo er verblutete. Um die glorreiche Familientradition des Elends fortzusetzen wurde Solanas Mutter, mit 14. Wie es damals noch üblich war, wurde das, auch wegen des unklaren und vielleicht direkt verwandten Vaters, tot geschwiegen. Das Kind kam ins Heim, Solanas kurz zu verwandten und dann wurde am Tisch kein Wort mehr darüber verloren. Ihre Schwester Judith erinnert sich: „Es war damals, in den 50ern, 60ern nicht ungewöhnlich, dass ein junges Mädchen verschwand und neun Monate später wieder auftauchte, mit gebrochenem Geist und intakten Körper.
Solanas schaffte es auf die Uni, an der sie als Lesbe vor ihrer Zeit so beliebt war, wie Genitalwarzen. Sie baute den Stress auf ihre Art ab: sie pinkelte in den Saft ihrer Zimmergenossin. Sie wurde in dieser Zeit ungefähr so kompromissfähig wie Granit und so geduldig wie Dynamit. Komillitoninnen beschrieben sie als „Hell-Raiser“. Die Studiengebühren konnte sie sich leisten. Die Familie, die ihr Kind David adoptierte, zahlte Schweigegeld. David arbeitete in den 1990ern als Photograph. Er fotografierte leicht bekleidete Frauen unterwasser. Seine Fotos seien „erotisch, sinnlich und sexuell“. Er ist sich sicher, dass Valerie seine Fotos mögen würde. So, wie wir uns sicher sind, dass Valerie nur eine verrückte hysterische Kuh war. Dass Männer absolut keinen Anteil an ihrem Wahnsinn hatten. Aber wenigstens war sie harmlos, nicht wahr?
Andy Warhols „Factory“ wurde in den späten 60en das Zentrum der Kunstwelt. Ein Studioloft, das gerne mal in Alufolie verkleidet war. Models räkelten sich auf Drehstühlen, firsch gemalte Bilder standen an den Wänden. Es war wohl der Ort der Epoche, an dem Schein und Sein aufeinandertrafen. Als Valerie in die in der Kunstwelt berühmte Factory kam, spielte ein junger Mann dort russisch Roulette. Es klickte. Ein, zwei, drei Mal. Andy Warhol, Gottvater der Pop-Art saß gegenüber und schwieg. Ein anders Mal kam eine Frau, ein „Teilzeitjunkie“ vorbei und schoss auf sechs Marilyn Monroe-Gemälde. Warhol war ein wenig irritiert, verurteilte sie aber nicht, außer dafür, dass sie es nicht für einen seinen Filme getan hatte. Ganz der Künstler.
Valerie lernte Warhol in der Arts Factory kennen. Sie spielte sogar in einem seiner Kurzfilme mit. Auf der körnigen Aufnahme spielt sie mit einem Mann, weigert sich mit ihm aufs Zimmer zu gehen. Sie gab Warhol ihr Buch, aber der, ganz der Künstler, verlor es. Je verrückter sie wurde, desto mehr, ganz der Mann, entzog er sich. Als sie in Geldnot war, bot sie dann Girodias ihr Buch an. Sie bekam 500 $. Doch kurz danach verriet ihr der Transmitter in ihrem Uterus, dass Warhol und Girodias sich abgesprochen hatten, um nicht nur sie zu vernichten, sondern ihr geistiges Erbe. Ein Glück hatte sie richtige Freundinnen. In Gegensatz zu Männern halten Frauen nämlich zusammen! Die radikalfemninistische Autorin, Aktivistin und „Philosophin“ Ti-Grace Atkinson beriet sie, kaufte sie aus dem Knast raus, wenn sie mal wieder gestohlen hatte, und pflegte sogar eine eigene kleine Solanas Fangruppe. Atkinson sollte später für philosophische Sätze berühmt werden wie „Penetratonsverkehr ist Antifeministisch“, „Feminismus ist der Theorie, Lesbianismus die Praxis“ oder „Männer sind Sklavenhalter“. Wenigstens sah sie Männer nur von einer Krankheit befallen an, nicht unheilbar genetisch entstellt. Die Autorisin Margo Feiden war ebenfalls so eine gute Freundin, dass sich Valerie eines schönes Tages im Mai 1968 bei ihr zu Hause einlud, mit einer Waffe. Valerie drohte sie zu erschießen, und sagte dann: „Du wirst mein Theaterstück produzieren, weil ich Andy Warhol erschießen werde“, bevor sie in die Arts Factory fuhr. Warhol war glücklicherweise auch da. Er beging einen kapitalen Fehler: er sagte, sie sähe mit dem Makeup, dass die trug gut aus. Gebe niemals einer Feministin ein Kompliment! Sie schoss sofort. Zwei mal vorbei, einmal quer durch seine Organe. Ein Kunstkritiker bekam noch einen Schuss in die Hüfte. Fred Hughes, Warhols Manager, überlebte nur, weil die Pistole blockierte. Valerie stieg in den Fahrstuhl, führ runter und lief sich fest nehmen. Trotz Warhols Aufrufe zur Milde und ihrer Diagone über Shizophrenie wurde sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Dort sagte sie folgendes im Gespräch mit dem Autor Howard Smith:
„Du glaubst an absolute Standards?“
„Das Stimmt […]“
„Aber Valerie, du warst unfair. Ich bin sicher, du bist keine Heilige“
„Doch, bin ich. Ich bescheiße niemanden. Verglichen mit dir bin ich das. Ganz sicher, oh ja. Da kannst du drucken.“
„Valerie, willst du darüber diskutieren, Leute zu erschießen?“
„Das war ein moralischer Akt. Es war unmoralisch verfehlt zu haben, ich hätte mehr Zielübungen machen sollen.“
Warhol überlebte nur knapp. Die unbescherte Männlichkeit nicht. Er starb nur einige Jahre später an den Folgen der Verletzungen. Wie Valerie. Sie wurde noch brabbelnd auf einer Parkbank gesehen und rannte nackt durch die Wüste bei Phönix. Zwischendurch zerstörte sie noch einige Kommunen, indem Sie Männer gegen Frauen aufbrachte. Selbst ihre Fangruppe öffnete nicht mehr die Tür, als sie obdach suchte. Es gibt manche Geschichten, da steigt niemand aus der Asche auf. Außer der Feminismus. Denn Valerie sagte: „Das hat nichts mit Feminismus zu tun!“
Was bleibt? Mary Harron ist die Drehbuchautorin und Regisseurin von „American Psycho“, einem Film, in dem der Hauptcharakter damit beschäftigt ist Frauen zu zerhacken. Harron lobt Solanas’ „ausgeprägten Hang zur Komik“ und bezeichnet das SCUM-Manifest als eine „brillante Satire“, in welcher Solanas den Männern die Schuld an jedem Übel der modernen Welt gibt. Was würde Valerie dazu sagen? Wohl dass Harron ein „Daddys Girl“ ist, eine Frau, die von den Männern abhängig ist. Sie bestritt immer vehement, dass ihr Werk eine Satire sei. Wer kennt das nicht? Mann beschimpft irgendwen und das Publikum lacht, weil sie sich nicht vorstellen können, dass man wirklich so abgrundtief hasst.
Aber wir Männer müssen dankbar sein für Valerie. Erstmal für ein, wenn auch unfreiwillig, wahnsinnig witziges Buch. Formulierungen wie das „freundliche Nachbarschaftssenlbstmordzentrum“ können nur absolut humorlose Schwanzträger – oder Feministinnen – keine Lachtränen in die Augen treiben. Wer so hasst, dem ist immerhin etwas wichtig. Außerdem war Valerie eine Kennerin ihres Fachs. Selbst, als sie aus dem Uterus abgehört wurde, korrigierte sie noch immer Bücher und Artikel. Sie war eine begnadete Kunstkritikerin. Sicher, Warhol war zu seiner Zeit „kunstimmanent“ wichtig, sicher, erschossen zu werden ist eine Tragödie, aber mein Gott, war das ein guter Kommentar zur Pop-Art. Die ultra-arrogante Haltung die ganze Welt als Ready-Made, jeden als Protagonisten im Flim und die Perspektive des Künstlers als das einzig wahre zu sehen: was ist toxisch Männlicher? Warhol war ein Bote der schrecklichen Zukunft der 80er. Der Kommerzialisierung von allem, dem Genickschuss von allem, was wichtig war. Er war das Endprodukt der 68er, die in all ihrem Revolutionskitsch vor allem krasse Sexisten waren. Wie viele Frauen Historikerin Christina, ja, von Hodenberg, dass das Bild der Bewegung von Männern geprägt wurde, die „nicht weniger sexistisch waren, als die anderen damals“. Frauen, so Hodenberg, spielten nur eine Nebenrolle, waren höchstens Handlanger der Revolution. Valerie sagte nach Vergewaltigung, Kindesraub, Urheberrechtsausbetrug1 und Ignoranz: bis hier, und nicht weiter. Was Jean de Arc für Frankreich oder Rosa Luxemburg für den Sozialismus war, war sie für den Feminismus. Sie ist auch der Grund, wieso wir Männer es heute viel leichter haben. Du möchtest in einem männlicheren Land leben, du Hengst? Du bist der erste, der nach Sokrates „die Jugend trinkt den Wein und packt die Füße auf den Tisch“ entdeckt hat, dass die neue Generation verweichlicht ist? Wie wäre es mit dem Kongo? Wer da stärker ist oder eine Waffe hat, dem gehört dein Haus. Oder deinen Nebenniere. Oder Nordkorea? Alles ist auf einen Manngott konzentriert! Saudi-Arabien? Kronprinz Mohammed bin Salman von Saudi Arabien wurde von einem Männermagazin zum schlechtesten Liebhaber aller Zeiten gewählt. Er sagte, er hätte über 5000 Frauen gehabt und von keiner das Gesicht gesehen. Und wenn du schon in der Stimmung bist: unter anderen in einigen arabischen Kulturkreisen ist nur der schwul, der vergewaltigt wird. Der andere ist ein echter Mann! Alles, war wir als „zivilisiert“ ansehen, den Sozialstaat, Frieden, Ökologie, wurde erkämpft, als die Stimmen der Frauen endlich gehört wurden. Würde es nach uns (oder Männerbastionen wie der FDP) gehen, hätten die Armen immer noch die Freiheit zu verhungern. Wir würden wie Putin einfallen, wo unser Schwanz hin zeigt. Und wir würden den SUV auf dem Highway to Hell fahren, weil alles andere so was von schwul wäre. Wir wären die Realsatire, den die Welt zu so einem schlechten Witz macht. Wir würden ins freundliche Nachbarschaftsselbstmordzentrum gehören.
Ein Schuh, sie zu knechten
„Ein Ring, sie zu knechten“ – Richard Wagner
- Der falsch zugeordnete Kalender
Ein Schuh, sie zu knechten: das ist der High-Heel. Könnte man denken. Doch wie so vieles, wurde er das erst, als Männern ihr Spielzeug langweilig wurde. Und diesmal waren es ausnahmsweise nicht Frauen, sondern der Schuh.
Der Absatz am Schuh ist völlig sinnlos. Bräuchten wir ihn, hätten wir Hufe, und bräuchten ihn wiederum nicht. Er sieht fast so aus, als wäre er nicht zum Laufen gemacht – und das war er auch nicht. Sondern zum Schießen. Die ersten hochhackigen Schuhe wurden von keinen edlen Damen getragen, sondern von harten Kämpfern. Und das sogar beim Reiten. Im 16. Jahrhundert war Persien eine Großmacht, die ihre Nachbarn erschütterte. Nicht nur durch ihr großes Heer, sondern durch ihre Superwaffe: den Absatzschuh. Gut, er funktionierte nur in Kombination mit einem Reiter, Pferd und Bogen, aber zusammen was der berittene Bogenschütze die Stinger-Rakete des Spätmittelalters. Er war nicht nur schnell, sondern konnte sich, dank der Absatzschuhe, beim Reiten aufrichten. Die schwerfälligen gepanzerten Heere der europäischen Nachbarn wurden zusammengeschossen wie Kegel. Der persische Herrscher, Shah Abbas I. Wollte nicht nur schlachten, sondern auch politische Beziehungen zu den europäischen Königshäusern knüpfen. Um 1599 sandte er eine Delegation über Russland nach Deutschland und Spanien. Die persische Delegation ritt gewissermaßen in High Heels durch Europa und eroberte die Fantasien der europäischen Adligen.
Wer will, als Mann, nicht groß und stark sein? Bald setzte sich der Absatzschuh bei Königen und Machthabern durch. Er bedeutet: ich bin ein starker Krieger und ich habe genug Geld, mir die Schuhe der Zukunft anfertigen zu lassen. Ich werde auf neue, unterworfene Kontinente stöckeln! Außerdem bin ich zwei Zentimeter großer als du. Es muss damals für unsere Augen sehr merkwürdig in den feinen Gesellschaften ausgesehen haben. Männer gockelten auf Absatzschuhen, wie Louis XIV, die Paris Hilton seiner Zeit. Auf dem berühmten Portrait von Hyacinthe Rigaud sieht er hochnäsig in die Augen des Malers und Publikums, des Pöbels, uns. Natürlich trägt er eine Perücke, als wäre er der Gastgittarist von Van Halen. Er steht in einem Plüschuterus aus Decken und Vorhängen, die in seinen Umhang übergehen. Die Krone liegt bei ihm, er hält ein Zepter. Das Schwert trägt er verspielt über dem Hintern. Seine Beine sind für sein Alter noch sehr knackig in Strumpfhosen, seine Pobacken werden nur durch ein kleines Samtröckchen verdeckt. Ganz unten, an seinen Füßen: die Absatzschuhe. Was blieb, bei diesem Aufzug, Frauen übrig? Was hätte Paris Hilton getan? Sie hätte sich die Haare geschnitten. Auf ihren Schultern hätte sie Epauletten getragen, die merkwürdigen militärischen Zierdeckchen, die heute nur noch Generäle aus fragwürdigen Staaten schmücken. Sie würden Hüte tragen und, mein Gott, rauchen. Wie sollten sie sich sonst abgrenzen? Eine „Frau“ im Mittelalterlichen Thüringen trieb es sogar noch extremer. Sie kleidete sich wie ein Mann, ging arbeiten, ja pinkelte sogar im Stehen. Sie bastelte sich dafür extra einen frühen „Laydpee“ aus Horn. Sie heiratete sogar. Erst als neidische Nachbarn sie anschwärzten, wurde das Königreich auf sie aufmerksam. Und weil Mode schon kritisch ist, aber stehend pinkeln als Männersache heilig, wurde sie hingerichtet. Frauen sollten wie Frauen bleiben. Doch dann geschah etwas Merkwürdiges: Frauen trugen plötzlich Absatzschuhe. Um zu verstehen wieso, hilft René Girards Mimetische Theorie.
Keine Angst, auch wenn er in die Zeit der postmodernen Schwurbler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fällt, ist der Grundgedanke leicht: Menschen wollen sich durch Verknappung abgrenzen. Er nennt das „mimentische Rivalität“. Es gibt noch weitere Gedanken, wie dass Imitation Gewalt ist und nur im Opfern symbolisch Gott geschaffen werden kann, aber das ist was für gelangweilte Philosophieerstsemester oder radikale Ethnologen. Zur Verknappung: wenn, wie die Antifa fordert, „alles für alle, und zwar umsonst!“ sein soll, was macht dann der Mann um die 50 in der Andropause? Wie grenzt er sich ab, wenn er keinen Porsche mehr fahren kann? Wenn er kein Luxusloft im Trendbezirk kaufen kann? Oder keine Absatzschuhe mehr tragen? Oder nicht mehr cheerleaden?
Ganz richtig, cheerleaden was am Anfang mitte des 19. Jahrhunderts Männersache. Sogar drei US-Präsidenten half cheerleaden in ihrer Kerriere: Dwight D. Eisenhower, Franklin Roosevelt, and Ronald Reagan. Nur echte Kerle die Röckchen heben. Na gut, nicht ganz. „Cheerleaden“ bedeutet „anfeuern“. Es waren also gestandene Fans, die ihr Team anschrieen, was laut Studien sogar wirkt. Heimspiele sind erfolgreicher. Wir Männer sind ziemlich einfach. Erst ab den 1950er Jahren durften Frauen auch schreien. Wenigstens durften sie sich dabei im Laufe der Zeit immer mehr ausziehen. Denn nur eins finden Männer besser, als von Männern angeschrien werden: von Männern (den Fans) angeschrien werden und auf halbnackte Frauen starren.
Hätte es bei den Absatzschuhen nicht so weiter laufen können? Wieso trugen nicht alle Absätze bis in die Ewigkeit und waren mit ihren schmerzenden Füßen glücklich? Denn das nächste, was passierte, war, dass Männer um 1740 keine Absatzschuhe mehr trugen. Was war passiert? Ein Epochenumbruch.
Da es jetzt zu komplex wird, muss eine Fachmännin ran: Assistenzprofessorin Lisa Wade und Autorin von „Terrible Magnificent Sociology“ – es geht nicht nur um Männer, aber oft. Sie schreibt: „Der Punkt ist [Absatzschuhe] als eine Hochrüstung zu betrachten.“ Was meint sie damit? Nun, kann man sich Louis XIV in seinen Schühchen beim Schreinern vorstellen? An der Kasse beim Döner? Bei irgendetwas anderem als eine Matinee halten und loungieren? Das ist der Punkt von Absatzschuhen. So, wie auch in China die Füße abgebunden wurden, damit absolut gar keine Arbeit mehr verrichtet werden konnte. Allerdings von Frauen, so was kann man mit Männern nicht machen. Absatzschuhe waren von ihrem Kriegerimage zum genauen Gegenteil geworden, dem absolut Unnützen. So unnütz, dass es sich nur die richtig Reichen und Mächtigen leisten konnten. Und das waren die Männer. Elizabeth Semmelhack, Kuratorin des Bata Shoe Museums in Toronto schreibt: „Eine der besten Arten Status zu vermitteln ist Impraktikabilität.“
Die Männer waren nicht ganz so selbstabsorbiert, dass sie nicht merkten, dass Frauen anfingen, Absatzschuhe zu tragen. Was macht man in einem guten Eskalationskrieg? Man beginnt eine Materialschlacht. Die Absätze wurden höher und höher, unpraktischer und teurer. Wie hässlich und absurd das Endprodukt war, interessierte niemanden. Hauptsache, es war unmöglich erreichbar für die niederen Klassen, und die niedrigste, Frauen. Aber wer Hüte und Epauletten trägt und Pfeife raucht, lässt sich nicht so leicht abhängen. So wie Schafe auf einsamen schottischen Straßen vor Radfahrern gerade wegrennen und höchstens zur Verteidigung und Gewichtsreduktion für schnelleres Rennen koten, war das ein Kampf, den die Männer nicht gewinnen konnten. Bis ein Schaf eine geniale Idee hatte: zur Seite rennen. Oder besser, ihm diese Idee gegeben wurde. Vom Epochenumbruch der Aufklärung.
Die war ein echter Partypooper. Anstatt sich gottgleich abzufeiern und sich Regeln wie eben jener auszudenken, war auf einmal Rationalität und Bildung gefragt. Alles musste man begründen, wie bei Kleinkindern! Immer „warum“, warum muss ich in den Krieg, warum habe ich Hunger, warum bekommen ich keine Absatzschuhe. Wenn Könige, Adelige und Sklavenhalter sich rechtfertigen sollen, bleibt nicht mehr viel, außer der Guillotine. Das würde uns heute nicht mehr passieren, nicht wahr? Unsere Nationalstaaten, der Kapitalismus und der Autoverkehr sind gott – und grundgesetzgegeben! Modisch setzte die Aufklärung sogar bei Aristokraten neue Akzente: auf einmal trug man auf dem Landhaus braune Schuhe, anstatt Absätzchen und Strumpfhöschen. Doch nicht nur das. Auf einmal sollte Kleidung praktisch sein, für das, was man eben macht. Die Klassenunterschiede verschwammen. Wie unästhetisch! Aber zum Glück zuerst nur bei Männern. Frauen konnten damals per Definition nichts. Es war der Beginn der „großen männlichen Vereinheitlichung.“ Keine Juwelen und bunten Farben mehr. Alles wurde dunkler, simpler, gesetzter. Noch heute ist die Spitze der mächtigen Maskulinität der Anzug. Was ist normaler und langweiliger?
Frauen durften, ja mussten weiter so richtig schön irrational sein. Wer schön war, war unpraktisch. Ganz wie heute. Was hätten die huttragenden Haudegenfrauen von aufgespritzten Pitten, French Picks und abrasierten und dann wieder aufgemalten Augenbrauen gehalten? Sie hätten dir nur kalt den Rauch ins Gesicht geblasen. Und wären auf ihren Absatzschuhen davongewackelt. Denn die gab es noch 50 Jahre lang. Erst nach der Französischen Revolution wollte niemand mehr so trendig sein, dass ihm vielleicht der Kopf abgeschlagen werden würde.
Ein paar hundert Jahre lang war Ruhe und die Menschen konnten sich auf wichtigeres Konzentrieren, Kriege, Kinderarbeit in Minen, Menschen mit anderen Hautfarben in Zoos ausstellen. Doch plötzlich waren sie wieder da. Plötzlich liefen Frauen in Absatzschuhen herum. Wer waren diese kulturbeflissenen Retro-ästheten? Es waren keine Professor*Innen, sondern Nutten. Ganz recht. Pornografie brachte den Absatzschuh zurück. In den 1950ern, der selben Zeit, in der Frauen auf einmal Cheerleaden durften. Der Abzug für die sexuelle Revolution wurde gespannt. Noch heute bedeutet der High-Heel Schönheit, Geld und vor allem das Wichtigste, die Bereitschaft für Schönheit zu leiden. Jeder, der einmal zwei Schritte in diesen Folterinstrumenten mit Pfennigabsätzen gelaufen ist weiß das. Aber, wenn zumindest High-Heels eins schaffen, dann den Hintern des Trägers zur Geltung zu bringen. Wenn er denn drauf laufen kann. Was die meisten nicht können und dann aussehen wie „anders begabte“. Vor allem schafft die Schwere des Gehens in High-Heels wieder eins: „Distinktion“. Was, zum Lagerfeld, ist das?
Der Begriff wurde von Pierre Bourdieu 1977 erfunden und ist die Erweiterung von Girards „mimetischer Rivalität“. Obwohl gegen den Stil von Bordieu Girard noch verständlich ist wie ein Bahnhofsroman, kommt man nach 2000 Seiten auf eine ebenso offensichtliche wie geniale These: was essentiell ist, muss nicht gesagt werden. Das bedeutet, dass Tradition still ist, besonders darüber, dass sie eine Tradition ist. Beim Absatzschuh ist die Tradition nicht das Kriegerische, sondern die Abgrenzung, oder, wie Girard sie nennt, die „Distinktion“. Erst bei den Kriegern, dann den Adeligen, dann den Frauen, dann niemandem, dann wieder den Frauen. Wie Wade sagt: „Die Reichen kontrollieren den Diskurs und setzen immer neue Hürden“. Stapelt man diese Hürden, dann ergibt das, was wir als „Tradition“ kennen. Das erklärt, wieso die manchmal so schwachsinnig sind. Vom schick Hälse verlängern wie bei den Karen in Thailand und Myanmar, über keusche Genitalverstümmlung in Nordafrika bis zum Absatzschuh: Traditionen sind meist Distinktion. Eine Art zu sagen: ich bin besser als du. Also sind Frauen jetzt besser als Männer? Zumindest Professioneller, was Laufen in High-Heels angeht. Ist der Rollentausch unvermeidlich, wie die Polumkehr? Könnten Männer irgendwann wieder neun Zentimeter schillernde High-Heels tragen? „Absolut“, sagt Kuratorin Semmelhack. Es gäbe keinen Grund dagegen. Nur müssten wir erst diese Kleinigkeit Geschlechtergerechtigkeit herstellen. Denn zur Zeit heißen Absatzschuhe vielleicht Schönheit, Professionalität beim Laufen, vielleicht auch Geld, aber nicht das, was hoffnungslose Romantiker wie Männer wirklich interessiert: Macht.
Ein kleines modekommunistisches Gedankenspiel: was wäre, wenn sich Arbeit ändern würde? Zur Zeit definieren wir uns alle über die Arbeit. Richard David Precht beschreibt, wie die Kirchen im Mittelalter sagten: XXX. Seitdem bist du, wie viele Stunden du weg hackst. Zumindest, wenn du ein kleiner Wurm wie die meisten von uns bist. Besonders im deutschesten aller Deutschländer ist die Arbeitsmoral der neue Gott. Unter Superreichen oder in Ländern, die nicht zu 90 % aus Autobahnauffahrten bestehen und so was wie Strände ohne Eiswasser haben, gilt das Gegenteil. Wer viel arbeitet, ist ein Idiot. So, wie es auch in der Antike war. Wann hätte Sokrates sonst die Zeit gehabt seine Philosophie zu erdenken, sich über die saufende Jugend aufzuregen, und kleine Jungs zu missbrauchen?
Was wäre, wenn die Automatisierung endlich in weniger Arbeitszeit umschläge? Das Massachusetts Institute of Technology und andere Experten schätzen, dass acht Stunden in der Woche genug sind. Das wäre auch logisch. Wo geht denn die ganze Produktivitätsssteigerung seit dem 2. Weltkrieg sonst hin? Ach so, ins BIP? Da freuen wir uns. Vor allem, da nicht Ertrag, sondern menschliche (nicht probiotische!) Arbeit besteuert wird. Irgendwann wird ein Grundeinkommen kommen. Nicht, weil die Menschen wegen ihrer verqueren Kirchen-und Kapitalistentradition keine Arbeitssklaven mehr sein wollen. Sondern, weil das Rentensystem endlich zusammenbricht und Rentner. Dann muss auch kein Politiker mehr versprechen, es wäre sicher. Und Rentner müssen nicht mehr in Mülleimer nach Flaschen greifen.
Jetzt sind wir im vollautomatischen Kommunismus, der natürlich nicht so genannt werden wird, weil Stalin und so. Es gibt keinen Grund mehr sich abzugrenzen. Jeder hat genug, 3D-Drucker drucken Schokoladeneis und alles, was man sonst noch wollen kann. Männer und Frauen gleichen sich immer mehr an, weil es keinen „Versorger“, keine fetten Karren und keine Komplexe wegen imaginärer Zahlen auf dem Bankkonto gibt.
Laufen dann, endlich, auch Männer in High-Heels?