Das stimmt nicht, esb, ich finde, der Text ist ziemlich gut dafür, dass er so spontan entstanden ist und immer wieder neu überarbeitet wurde. Natürlich ist das kein hochliterarischer Text, sondern mehr eine lustige Gemeinschaftsproduktion, aber auch humorvolle Texte sind verdammt schwierig zu schreiben und es gibt immer noch etwas zu verbessern. Es geht ja auch mehr um die Details, auf die man achten kann beim Schreiben und so haben wir alle immer einen gemeinsamen Untersuchungsgegenstand, den wir gemeinsam erarbeitet haben. Dass es keine pointierte Geschichte ist, das ist klar, aber das war auch nicht Zweck der Übung.
Es lassen sich so kleine Feinheiten anmerken, die wir alle immer wieder machen und die trotzdem nicht das Optimum sind in einem Prosatext.
Die hier etwa (ich bezieh ich mich jetzt einfach auf die letzte Version, ohne zu wissen, wer das genau geschrieben hat, was ich kritisiere):
Sie ist gleich fertig mit der Nahrungsaufnahme, erwartet ein Gespräch. Ich sollte etwas sagen
"erwartet ein Gespräch", das ist wertend oder geht in die Richtung bevormundend. Natürlich ist so eine kleine Stelle grundsätzlich nicht schlimm, aber es ist immer besser, wenn man dem Leser beschreibt, was man sieht, als dass man sagt, dass jemand etwas erwartet oder ähnliches. Und bitte auch nicht "blickt mich erwartungsvoll an" - das ist dasselbe - ich frage mich mehr, wie jemand aussieht, der einen anderen erwartungsvoll anblickt. Das finde ich spannender.
Was haltet ihr hiervon?
"Sie stochert mit der Gabel in ihrem letzten Brokkoliröschen rum. Piekt es auf, lässt es auf den Teller plumpsen, piekt es wieder auf. Verdammt, ich muss etwas sagen."
Der Fluch passt denke ich die Situation mit rein, und das mit der Nahrungsaufnahme ist mir nicht konkret genug. Lieber kleine Ausschnitte detailliert beschreiben als große Allgemeinplätze zu erzählen. Das macht für mich handwerklich gute Prosa aus.
Verlegen widme ich mich einem marinierten Fleischbrocken.
Hier würde ich das "verlegen" aus selbem Grund bemängeln, auch wenn es hier noch einzusehen ist, da ein Ich-Erzähler ja weiß, wie er sich "fühlt", aber trotzdem würde ich hier mehr beschreiben: Schnell wende ich den Blick wieder zu meinem Fleichbrocken
Auch das "mariniert" stört mich ein wenig, beschreibt doch lieber, wie es aussieht als sowas als Adjektiv festzuhalten.
"Schnell wende ich den Blick wieder zu dem kleinen goldbraunen Fleischbrocken, der auf dem viel zu großen weißen Teller ganz schön verlassen aussieht."
Sie wechselt das Thema: „Bist du Atheist?“ Verdammt! Ich weiß, ich habe etwas vergessen: Auf meinem T-Shirt prangt "Slayer" in rot. „Nein, ich mag bloß die Musik."
Den Einstieg in diese Szene finde ich gut. Dann hätte ich aber wieder ein wenig mehr beschrieben als dem Leser einfach auf den Tisch geknallt:
Sie wechselt das Thema: „Bist du Atheist?“ Ihr Finger deutet auf die blutroten Buchstaben, die aussehen, als würden sie von meinem schwarzen Shirt heruntertropfen. „Nein, ich mag bloß die Musik."
Und du? Bist du ein Gänseblümchen?
Nein, bei jeder Hässlicheren, aber nicht bei ihr.
Hier würde ich einen Absatz voranstellen und statt das "Nein, bei jeder Hässlicheren, aber nicht bei ihr." würde ich sagen: "Hätte ich fast gesagt", schließlich sagt er es ja doch nicht. Evtl. noch ein "Hätte ich fast gesagt, aber dafür ist sie zu hübsch"
Also hier mal die Version mit meinen Vorschlägen (und ein paar, die ich nich expliziert habe):
„Du lebst also vegetarisch?“ Mein Blick wandert von ihrem Ausschnitt zu der Hühnerbrust auf meinem Teller. Sie schiebt sich ein Brokkoliröschen in den Mund. „Ja“, ein Stückchen Grün hängt in der Ritze zwischen ihren Schneidezähnen. Sie piekt mit der Gabel ihr letztes Mohrrübchenscheibchen auf. Lässt es auf den Teller plumpsen, piekt es wieder auf. Verdammt, ich muss etwas sagen.
„Wieso bist du Vegetarierin?“ Tiefsinnig ist immer gut, Glückwunsch. „Ich finde es nicht richtig, durch Fleischessen die grausame Massentierhaltung zu unterstützen.“
Schnell wende ich den Blick wieder zu dem kleinen goldbraunen Fleischbrocken, der auf dem viel zu großen weißen Teller ganz schön verlassen aussieht.
Sie wechselt das Thema: „Bist du Atheist?“ Ihr Finger deutet auf die blutroten Buchstaben, die aussehen, als würden sie von meinem schwarzen Shirt heruntertropfen. „Nein, ich mag bloß die Musik.“
Und du? Bist du ein Gänseblümchen? Hätte ich fast gesagt.
„Denkst du nicht auch, dass wir alle, vom Stein über Bakterien, vom Einzeller zur komplexesten Zellstruktur, den gleichen kosmischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sind?“ - Das hab' ich sie jetzt nicht wirklich gefragt.
„Bakterien sind unhygienisch“. Ihre Stimme erinnert mich an meine Mutter, wenn sie alte Socken oder dreckige Teller in meinem Zimmer findet.