Seite 1 von 1

Aufenthalt - oben und unten

BeitragVerfasst: Mi 09 Okt, 2013 16:48
von lavite-machine
Aufenthalt - oben und unten

Der Mann unter der Brücke hat mich nach einer Zigarette gefragt:

"Hast Du vielleicht eine Zigarette für mich?"
"Warum bist du nicht oben? Dort gibt es Bänke!"
"Hier unten habe ich eben einen ziemlich wachen Schlaf."

Re: Aufenthalt - oben und unten

BeitragVerfasst: Do 10 Okt, 2013 15:08
von rivus
hi lavite-machine ...

hm, hier wird eine entscheidung beschrieben für die gleichzeitige wahrnehmung von oben und unten. hier scheint sich jemand im unten gut eingerichtet zu haben. die gleichzeitigkeit von oben und unten aus der perspektive des unten ist fast atlantisch. man trägt das oben aufmerksam, ist symbiontisch verbunden und erlebt den fluß des oben als maß einer aufmerksamkeit, die scheinbar sogar die ambivalenten verbindungen noch mehr nähren würde, wenn ein dialog wie dieser weiter geführt werden könnte. aber eine frage wird mit einer gegenfrage beantwortet. das interesse am andren bekundet die wärtigkeit von aufenthalt und monologisiert und fixiert die scheinbar kaum verrückbaren positionen von menschen. wie könnte jedoch der dialogversuch weiter gehen? wie entscheidet sich das oben-ich? kann es noch eine wirkliche begegnung geben? kann es überhaupt zu einer begegnung zwischen zwei menschen kommen, die sich an verschiedenen orten aufhalten und sich hier (bänke) und da (unter der brücke) möglicherweise auch heimisch fühlen? fühlen sich beide überhaupt am richtigen ort? scheuen beide nicht vielmehr die wirkliche berührung des andren, dass nicht mal ungefragt der transfer einer zigarette zu gelingen scheint? doch das geistige, das imperative kategorische, könnte doch, so wünscht man es, etwas zustande bringen, dass eine überbrückung der gegensätze ermöglicht ... die monologtendenz scheint nicht unüberwindlich ...


es grüßt der rivus

Re: Aufenthalt - oben und unten

BeitragVerfasst: Sa 12 Okt, 2013 18:10
von lavite-machine
Hallo rivus,

danke für Deine Zeilen und die Fragen, die damit verbunden sind. Lese ich sicher noch einige Male durch.
An dieser Stelle möchte ich sehr gerne noch erzählen, welches Erlebnis mich letztendlich veranlasst hat, dies vor einigen Jahren zu schreiben. Damals hatte ich einmal ein Projekt mit wohnunglosen Menschen gemacht und viele Gespräche mit ihnen geführt. Ein Mann sagte mir, er habe nach einem langen Weg seine persönliche Philosophie gefunden und lebe sie nun konsequent. Er habe einige Lieblingsbücher,die bei ihm in einer Reihe stehen, ja, und er würde sie Buch um Buch von links nach rechts lesen und dann von rechts nach links. Ja, und wieder und wieder...Hin und wieder würde er auf die Brücke nach oben sehen, das Treiben der Menschen beobachten und dann -in seiner eigenen Erkenntnis versunken- wieder in seinen Büchern weiter lesen...war wirklich eine außerordentlich interessante Begegnung, ja, und wie gesagt, in dieser Begegnung hat der Text seine Wurzeln...

Liebe Grüße

lavite-machine