"Natürlich war es am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig." Sie lächelt vertrauensvoll ihren Gatten an während er zustimmend nickt.
"Doch mittlerweile stört es uns nicht mehr. Wir wissen ja, dass nur vertrauensvolle Menschen von der Behörde die Bänder sehen."
Friedlich und ein wenig schüchtern sitzen sie auf ihrem Bett, jeweils die Hand des anderen haltend.
Der Mann fängt leicht zu grinsen an, lehnt sich vor und sagt:
"Wir haben sogar schon darüber nachgedacht, ob wir nicht mal an die Behörde schreiben um die Bänder zu bekommen. Das könnte doch ganz nett sein."
Seine Frau pufft ihn zärtlich in die Seite.
Eine warme Männerstimme, der Sprecher ist nicht im Bild
Schauen sie nur auf diese Straße. Kein Müll ist zu sehen, nirgends Graffiti, ja selbst Autos und Leute sind nur wenige unterwegs. Der Rückgang an Straftaten ist dramatisch, die Aufklärungsrate kratzt an den 100 % - ist dies vielleicht das Paradies von dem so viele träumen?
Friedlich blinkt ein rotes Licht an jeder Kamera und weist darauf hin: Hier ist jemand der zusieht, der euch alle beschützt.
Nachgestellte Szene
Familie Schmadtke kommt nach Hause. Aufgrund leichter Überbelichtung scheint die Sonne malerisch glänzend, aber nicht blendend, durch die hohen Fenster in das Wohnzimmer. Frau Schmadtke hat die Post in der Hand und verteilt sie nun lächelnd an ihren Mann und die drei Kinder. Trotz aller Mühe ist für jeden etwas dabei. Punkte machen nennt man das System für kleine Vergehen hier in der Stadt. Bekommt man zu viele folgt die Anklage. Durch gemeinnützige Tätigkeiten oder, Zitat, "im höchsten Maße vorbildliches Benehmen" ist es aber möglich das Punktekonto zu verringern. Hier haben wir den fünfjährigen Markus, wie er mit einer Schaufel über der Schulter das Haus verlässt um bei der Pflege der städtischen Grünanlagen zu helfen. Gerade Kinder diesen Alters beherrschen sich noch zu selten und erhöhen somit...
"'Ne gute Sache ist das. Gibt kein mehr, der nich mindestens 'n 50-Centstück hinlegt.Und die Arbeit ist auch viel angenehmer. Gibt fast keine Schmierereien mehr. Und n richtig vollgeschissenes - T'schuldigung, kann man das sagen im TV?" "Kein Problem, nur weiter"
"Also, früher war das ja Standard, mindestens einer am Tag wusste nich wie man so 'n Klo benutzt. Aber seit Wochen keine eklig vollgeschissene Schüssel mehr gehabt."
Bescheiden aber doch mit sichtlichem Stolz zeigt uns dieser einfache Mann seinen Arbeitsbereich. Es ist so sauber - man könnte glatt vom Boden essen – wenn es dafür nicht Punkte geben würde. Ein lieblicher Duft nach Zitrone liegt in der Luft. Man möchte fast jedem Bahnfahrer empfehlen hier auszusteigen, selbst wenn er nur zum Durchfahren in der Stadt ist, um sein Geschäft zu verrichten.
"Een so'n Knilch hat's mal probiert, einfach so einen Pimmel an die Wand gemalt. Und als er rauskam natürlich 'n Blick wie die Unschuld vom Lande, doch da wurde er vor der Tür schon erwartet. Damit hat er nicht gerechnet. Musste gleich mit uf die Wache, wenn sie mich fragen die einzige Möglichkeit mit diesen Blagen fertig zu werden."
„Das mit den Punkten, das solltest du rauslassen.“ „...“ „Ja, das könnte sonst...“
„Selbstverständlich ist auch mir die Notwendigkeit der Kameraüberwachung an manchen Punkten des städtischen Zusammenlebens bewusst, dennoch sollte vielleicht ein wenig mehr differenziert werden. Wissen sie, Religion und der Glaube an Gott ist doch etwas sehr Privates und gerade die Beichte ist etwas sehr intimes zwischen dem Büßenden, mir als seinem Pfarrer und Gott. Doch auf meine Anschreiben reagiert die Behörde leider nur sehr spärlich, erst als ich drohte die Kamera bald eigenhändig raus zu reißen haben sie mir einen Termin für ein Gespräch gegeben.“
…
„Nächste Woche ist es soweit“
„Den sollen wir rausschneiden?“ „Ja, Anweisung von oben, wie nehmen den anderen.“
„Was ist das denn für eine Frage? Natürlich bleiben wir kritisch, ich wüsste auch gar nicht wieso sich das widersprechen sollte. Ob wir was? Nein, über die örtliche Polizei gab es in letzter Zeit keine Artikel. Was wollen sie damit unterstellen? Wir schreiben nur über aktuelle Themen, Dinge die den Bürger interessieren. Die Polizei leistet hier hervorragende Arbeit, erst letztens haben sie diesen einen Jungen erwischt. Nein, nicht den. Ich spreche von dem Vorfall in der Winston-Smith-Gasse. Nichts davon gehört? Der Fall hat für mehrere Titelblätter gereicht, dieser Kriminelle hat die Bürger dieser Stadt doch sehr aufgewühlt. Was soll das heißen Boulevard? Wissen sie was...“
Schnelle Schnitte, dunkle Belichtung, Blitze im Hintergrund als „zu viel“ wieder entfernt, Straßenschild schließlich in Großaufnahme
„Und wie froh ich bin. Der hatte doch tatsächlich einen toten Winkel gefunden und dachte da könnte er jetzt seinen Anarchismus ausleben. Clever war er ja, sind sie ja häufig. Hat nie einen Stummel liegen lassen, immer schön aufgesammelt und auf verschlungenen Wegen aus der Stadt geschafft. Der Tipp kam von einem meiner Nachbarn.“
Die selbe Stimme
Leider war es uns nicht möglich jemanden von der Polizeibehörde für ein Interview zu erreichen, doch wir bekamen diesen aufschlussreichen Brief (Auszug):
Am Dienstagmorgen erhielten wir einen Anruf. Ein Herr hatte eindeutig den Geruch einer Zigarette vernommen und meinte auch die Quelle dessen orten zu können. Am Tatort entdeckten wir schließlich, dass eine Kamera einen toten Winkel besaß, wodurch eine flächendeckende Überwachung nicht mehr gegeben war. Um den Täter aber nicht zu warnen haben wir die Kamera in diesem Zustand belassen und stattdessen einen Gaschromatographen installiert. [...] Dies führte letztlich zur erfolgreichen Ergreifung der Tatperson.
Eine alte Frau geht langsam vom Supermarkt nach Hause. Als wir sie auf besagten Vorfall ansprechen ist sie sofort aufgewühlt:
„Und ich sag ihnen noch etwas, so etwas hätte es zu meiner Zeit nie gegeben. Aber die Leute heutzutage sind ja wie die Schafe, bloß nicht wehren."
Notiz für den Cutter:
Du hast die Sätze verwechselt. Den letzten schneiden und stattdessen den anderen.
Die typische Stimme, Sprecher dieses Mal im Bild, im Hintergrund spielende Kinder die ordentlich an der Schaukel und der Rutsche anstehen
Ist dies die Zukunft? Eine saubere, ordentliche Stadt, ohne Vandalismus, Kriminalität, Sorgen und Probleme im öffentlichen Leben? Wenn ich mir eine kleine Wertung erlauben darf, würde ich antworten: Das wäre schön. Eine flächendeckend beschützte Bevölkerung hätte es um so vieles leichter. Der fürsorgliche Staat - vielleicht auch bald in ihrer Stadt!
Notiz: Der dritte Satz passt phonetisch nicht ganz zur Lippenbewegung, bitte nochmal überarbeiten.
"Wissen sie, ich sehe das so: Gott sieht alles. Für jede Tat müssen wir uns vor ihm verantworten. Und was sind da schon Menschen, im Vergleich zum Herrn?"