Menschwerden
Verfasst: Di 16 Sep, 2008 08:55
Guten Tag und Willkommen in unserer wunderbaren Einrichtung. Hier lernen die Kinder alles, was sie für später brauchen. Wir entwickeln nicht nur ihre geistigen Kompetenzen, sondern auch ihre sozialen. Wir helfen ihnen bei der Subjektwerdung, der Ausbildung ihrer Antizipationsgabe und ihrem kritischen Denkvermögen, damit sie zu einem vollwertigen Menschen in unserer demokratischen Gesellschaft heranwachsen können.
Ich bitte Sie, falls Sie Fragen haben diese sofort zu stellen. Sind bereits welche aufgetreten? Nein, dann folgen Sie mir doch bitte. Ja, hier geht es lang. Hier sehen wir, wie die Kinder in unserer Einrichtung aufgenommen werden. Genau, da hinten sehen Sie das Förderband. Darüber werden sie vollautomatisch weiter geleitet und können sich nicht verlaufen. Wir geben ihnen soviel Anleitung, wie nötig.
Als allererstes kommen sie in diese leistungsstarke Presse. Die Anpassung fällt ihnen danach ja soviel leichter!
Hier geht es weiter. In einem hochtechnisierten und vielfach optimierten Prozess schrauben wir ihnen den Kopf auf. Dann kann die Wissensaufnahme erfolgen. Ja, ich weiß, was Sie denken.
Wir können ihnen ja nicht wahllos irgendetwas beibringen – oder das, was sie lernen wollen. Nein, nein, so geht das natürlich nicht. Wir haben staatlich zertifizierte, von hoch qualifizierten Mitarbeitern zusammengestellte Wissenspakete.
Und ja, manchmal ist nicht genug Platz im Kopf des Kindes. Aber dank unserer neusten Forschung haben wir auch dafür eine Lösung gefunden: Wir entfernen einen Teil des Gehirns und so passt das Wissenspaket auch bei geringerer Kapazität.
Kommen Sie, nicht trödeln, genau, das ist die Maschine. Da sehen Sie, wie der Roboter das Wissen implantiert. Faszinierend, nicht wahr?
Während der Kopf noch offen ist addieren wir etwas „Theoretische Toleranz und Courage“.
„Wäre es nicht sinnvoller ihnen praktische Toleranz zu vermitteln?“
Frau Laumann, das war Ihr Name, nicht wahr? Nein, nein, Sie denken nicht weit genug. Theoretische Toleranz ist wesentlich günstiger im Einkauf – so senken wir Kosten und optimieren unsere Ausbildung.
Sie haben Recht, Herr Thiel, hier sehen wir, wie den Kindern eine Priese „Werte und Normen“ auf die Zunge gelegt wird.
„Warum geben sie den Kindern so wenig davon? Brauchen die nicht mehr?“
Nein, Frau Laumann. Wieder falsch. Neuste Studien ergeben: Die Kinder benutzen sie sowieso nicht! Wir müssen ihnen ja nichts geben, was sie nicht brauchen, nicht wahr?
Und hier geht es gleich weiter. Kommen Sie. Hier bekommen die Kinder kleine Stromstöße – nichts Lebensgefährliches, was denken Sie denn? -, damit sie verstehen, wie Technik funktioniert. Genial, nicht wahr?
Sehen Sie die Kinder da unten? Es kommt für sie der entscheidende Augenblick. Sie dürfen sich jetzt aussuchen, wer oder was sie später werden wollen. Das ist so ein ergreifender Augenblick. Sie können zwischen einem gelben, einem blauen und einem roten Aufkleber wählen. Jeder von ihnen kann sich also nach seinen individuellen Fähigkeiten und Neigungen ausrichten.
„Sie haben nur drei Auswahlmöglichkeiten? … Das ist aber wenig. Hey, da sind ja noch schwarze Sticker, wozu sind die denn?“
Ach so … das ist nicht weiter wichtig. Nicht jedes Kind wird unseren Anforderungen gerecht, solche kriegen den schwarzen Sticker. Aber das ist ja nicht determinierend, in anderen Einrichtungen werden sie ihren anders verteilten Fähigkeiten entsprechend gefördert.
„Also von dem Container, wo „Mangelware“ drauf steht kommen sie sofort in eine ihnen gerechte Förderung?“
Sie haben es erfasst!
„Ist das nicht ziemlich dikrimi -“
Sehen Sie! Hier geht es weiter. Das ist der Zementmischer. Damit können wir den Schülern Gewichte an die Beine heften. Wir wollen ihnen eine realistische Sicht auf die Welt vermitteln und dadurch lernen sie, wie schwer das Leben ist.
„Wo ist eigentlich Frau Laumann?“
Ach die, ja, die musste uns verlassen. Schade, Schade.
Über das Förderband kommen die Kinder jetzt nach draußen auf den Hof. Kommen Sie, dann können wir uns das auch noch ansehen. Ahh, schöne frische Luft. Da unten sehen sie die Kinder, sie probieren hier untereinander ihre sozialen Fähigkeiten aus.
„Die marschieren ja – und reden gar nicht miteinander.“
Ja und? Wir lassen sie das machen, was sie wollen. Wenn sie lieber marschieren – man muss ja auch nicht immer reden, nicht wahr? Sind das nicht wunderbare Individuen, die wir –
„Hey, gucken Sie mal – das Mädchen da mit dem Pferdeschwanz. Sie hüpft, ja.“
Sie … hüpft? Sie hüpft?! Aber –
„Und sie singt.“
Sie – was? Das, das geht nicht. Das kann sie nicht machen! ... singen und hüpfen! Das ist unter dem Niveau dieser Einrichtung!
Ich bitte Sie, falls Sie Fragen haben diese sofort zu stellen. Sind bereits welche aufgetreten? Nein, dann folgen Sie mir doch bitte. Ja, hier geht es lang. Hier sehen wir, wie die Kinder in unserer Einrichtung aufgenommen werden. Genau, da hinten sehen Sie das Förderband. Darüber werden sie vollautomatisch weiter geleitet und können sich nicht verlaufen. Wir geben ihnen soviel Anleitung, wie nötig.
Als allererstes kommen sie in diese leistungsstarke Presse. Die Anpassung fällt ihnen danach ja soviel leichter!
Hier geht es weiter. In einem hochtechnisierten und vielfach optimierten Prozess schrauben wir ihnen den Kopf auf. Dann kann die Wissensaufnahme erfolgen. Ja, ich weiß, was Sie denken.
Wir können ihnen ja nicht wahllos irgendetwas beibringen – oder das, was sie lernen wollen. Nein, nein, so geht das natürlich nicht. Wir haben staatlich zertifizierte, von hoch qualifizierten Mitarbeitern zusammengestellte Wissenspakete.
Und ja, manchmal ist nicht genug Platz im Kopf des Kindes. Aber dank unserer neusten Forschung haben wir auch dafür eine Lösung gefunden: Wir entfernen einen Teil des Gehirns und so passt das Wissenspaket auch bei geringerer Kapazität.
Kommen Sie, nicht trödeln, genau, das ist die Maschine. Da sehen Sie, wie der Roboter das Wissen implantiert. Faszinierend, nicht wahr?
Während der Kopf noch offen ist addieren wir etwas „Theoretische Toleranz und Courage“.
„Wäre es nicht sinnvoller ihnen praktische Toleranz zu vermitteln?“
Frau Laumann, das war Ihr Name, nicht wahr? Nein, nein, Sie denken nicht weit genug. Theoretische Toleranz ist wesentlich günstiger im Einkauf – so senken wir Kosten und optimieren unsere Ausbildung.
Sie haben Recht, Herr Thiel, hier sehen wir, wie den Kindern eine Priese „Werte und Normen“ auf die Zunge gelegt wird.
„Warum geben sie den Kindern so wenig davon? Brauchen die nicht mehr?“
Nein, Frau Laumann. Wieder falsch. Neuste Studien ergeben: Die Kinder benutzen sie sowieso nicht! Wir müssen ihnen ja nichts geben, was sie nicht brauchen, nicht wahr?
Und hier geht es gleich weiter. Kommen Sie. Hier bekommen die Kinder kleine Stromstöße – nichts Lebensgefährliches, was denken Sie denn? -, damit sie verstehen, wie Technik funktioniert. Genial, nicht wahr?
Sehen Sie die Kinder da unten? Es kommt für sie der entscheidende Augenblick. Sie dürfen sich jetzt aussuchen, wer oder was sie später werden wollen. Das ist so ein ergreifender Augenblick. Sie können zwischen einem gelben, einem blauen und einem roten Aufkleber wählen. Jeder von ihnen kann sich also nach seinen individuellen Fähigkeiten und Neigungen ausrichten.
„Sie haben nur drei Auswahlmöglichkeiten? … Das ist aber wenig. Hey, da sind ja noch schwarze Sticker, wozu sind die denn?“
Ach so … das ist nicht weiter wichtig. Nicht jedes Kind wird unseren Anforderungen gerecht, solche kriegen den schwarzen Sticker. Aber das ist ja nicht determinierend, in anderen Einrichtungen werden sie ihren anders verteilten Fähigkeiten entsprechend gefördert.
„Also von dem Container, wo „Mangelware“ drauf steht kommen sie sofort in eine ihnen gerechte Förderung?“
Sie haben es erfasst!
„Ist das nicht ziemlich dikrimi -“
Sehen Sie! Hier geht es weiter. Das ist der Zementmischer. Damit können wir den Schülern Gewichte an die Beine heften. Wir wollen ihnen eine realistische Sicht auf die Welt vermitteln und dadurch lernen sie, wie schwer das Leben ist.
„Wo ist eigentlich Frau Laumann?“
Ach die, ja, die musste uns verlassen. Schade, Schade.
Über das Förderband kommen die Kinder jetzt nach draußen auf den Hof. Kommen Sie, dann können wir uns das auch noch ansehen. Ahh, schöne frische Luft. Da unten sehen sie die Kinder, sie probieren hier untereinander ihre sozialen Fähigkeiten aus.
„Die marschieren ja – und reden gar nicht miteinander.“
Ja und? Wir lassen sie das machen, was sie wollen. Wenn sie lieber marschieren – man muss ja auch nicht immer reden, nicht wahr? Sind das nicht wunderbare Individuen, die wir –
„Hey, gucken Sie mal – das Mädchen da mit dem Pferdeschwanz. Sie hüpft, ja.“
Sie … hüpft? Sie hüpft?! Aber –
„Und sie singt.“
Sie – was? Das, das geht nicht. Das kann sie nicht machen! ... singen und hüpfen! Das ist unter dem Niveau dieser Einrichtung!