Alle epischen Texte, die in keine andere Kategorie passen

Der Gedankenkünstler

Beitragvon Antibegone » Mi 07 Jan, 2009 21:16


Er war ein Meister. Die Pinsel den Takt angebend, die Farben die Noten schlagend, ungeahnte Nuancen treffend. Die Linien, Striche, Punkte wagten sich weit hinaus in die Leinwand, erkundeten sie mit ihrem Pioniergeist, erschlossen neue Grenzen.
Bis sie auf Holz stießen. Der Maler erschrak, hielt inne. Der Buchenrahmen war der äußerste Rand. Er konnte nicht weiter; das wusste er. Denn danach folgte nur weißer Putz.
Tausende von Leinwänden zierten ihn, kleine Fenster und davor ihre einsamen Zuschauer, jeder für sich durch den Holzrahmen in das Schlagen seiner eigenen Farben blickend.
Wie einfältig diese anderen Maler waren; sie trauten sich nicht so weit heraus wie der Meister, seine Kühnheit war beispiellos.
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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Re: Der Gedankenkünstler

Beitragvon MutedStoryteller » Mi 07 Jan, 2009 22:26


Der Photograf

Du kannst gerne weiter so tun als hättest du keine Grenzen,
und dabei hast du die Welt längst zurechtgeschnitten,
damit du sie begreifen kannst und aufhängen.

Ich selber habe rahme sie auch, in duzenden Bildern,
und es ist kein Ende in Sicht,
auf keinem von ihnen.

Kein Strich ist beendet:
Weder zwischen den Pigmenten,
noch hinter einer der hölzernen Schwellen.


:D
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Re: Der Gedankenkünstler

Beitragvon Antibegone » Do 08 Jan, 2009 09:01


Huhu MutedStoryteller :-)


Schönes Gedicht, gefällt mir sehr gut.
Beleuchtet einen anderen Aspekt der Thematik – es geht viel mehr um die Grenzen in der Wahrnehmung als die der Psyche -, aber passt durchaus auch zu meinem Ansatz.

Kein Strich ist beendet:
Weder zwischen den Pigmenten,
noch hinter einer der hölzernen Schwellen.


Die Strophe finde ich klasse; wie die Striche weitergehen, auch wenn sie „ausgeschnitten“ wurden, regt meine Fantasie an :-)


Huhu sim :-)

Schade, wenn dir die kleine Geschichte nicht so sehr zusagt, trotzdem danke fürs Sich-Mit-Beschäftigen.

Warum erschrickt der Maler, wenn die Punkte und Striche und Linien auf Holz stoßen?


Er erschrickt, weil hinter dem Holzrahmen eine neue, fremde „Welt“ liegt, etwas völlig anderes. Davor hat er Angst.

Und schlagen die Farben immer noch selbsttätig, wenn die Bilder schon in der Galerie hängen und Zuschauer an ihnen vorbeiziehen?


Die Farben sind immer in Bewegung. Du scheinst die "Bilder an der Wand" eher statisch aufzufassen. In dieser Geschichte sind sie belebt, jeder „Künstler“ steht davor und malt kontinuierlich weiter daran, das Wort „Zuschauer“ bezieht sich nicht auf „Besucher des Museums“, sie „schauen eher ihren eigenen Farben zu“, deswegen auch;
„jeder für sich durch den Holzrahmen in das Schlagen seiner Farben blickend.“ Könnte man vl „eigenen“ ergänzen, da würde es präziser …

Störend daran finde ich, dass es eben nicht der Maler ist, der den Rahmen sprengt, wenn die Linien, Striche und Punkte sich voller Pioniergeist weit hinaus wagen.


Niemand sprengt hier irgendeinen Rahmen. Weder der Künstler noch die Farben.

Du scheinst generelle Verständnisschwierigkeiten mit dem Text zu haben, wobei ich nicht ausschließen will, dass dieser eben auch unverständlich ist.
Ich persönlich finde die Formulierungen durchaus präzise, sogar pointiert; aber ich weiß natürlich auch, was ich damit ausdrücken will, insofern sehe ich das keineswegs objektiv.
Und dass ich die Farben zum Subjekt mache, soll ihnen bzw. den Gedanken eine Art „autonome Schaffenskraft“ zuweisen.

Ich guck mir die Geschichte in jedem Fall noch einmal an und sehe, ob ich die Formulierungen „schleifen“ kann.

Liebe Grüße an euch beide,
von der Traumi
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Re: Der Gedankenkünstler

Beitragvon Antibegone » Do 08 Jan, 2009 16:29


Huhu sim :-)


Spekulation (lat.: speculari: beobachten) ist eine Grundlage der Interpretation (lat.: Interpretatio:Auslegung), denn du wirst mir zustimmen, dass, um etwas deuten/ auslegen zu können, ich es mir vorher angeguckt haben muss. Wenn du nur liest, was da steht, kannst du das gerne tun, aber ich glaube, Literatur will interpretiert werden, insofern teile ich deine Ansichten nicht, will sie aber auch nicht kritisieren und frage mich nur, ob dein Umgang mit Literatur ihr gerecht wird.

Wenn die Pinsel von allein den Takt geben, die Farben ohne sein Zutun die Noten schlagen und dabei ungeahnte Nuancen treffen, muss er kein Meister sein. Er tut ja gar nichts. Selbst Jackson Pollock (warum ich gerade auf ihn komme, später), hat den Pinsel bewegt und die Farben geschlagen, vielleicht dabei Musik gehört und den Takt gehalten, vielleicht auch aus der Musik eine Wechselwirkung zu seinen Bildern erzielt, trotzdem ist ein Pinsel ein Pinsel und wenn er nicht gerade auf einem schrägen Tisch liegt, nicht bewegungsfähig.


Wenn ich schreibe: Meine Finger tippten einen Text – wirfst du mir dann vor, meine Finger seien ja ohne Körper bewegungsunfähig - davon bin ich z.B. überzeugt, da ich noch keine toten Hände habe schreiben sehen - und ich müsste schreiben „Ich bewegte meine Finger“ um den Satz sinnvoll zu gestalten?

Hier stelle ich mir nun die Arbeitsweise Pollocks vor, denn sie ermöglicht es den Farben, sich als Linien oder Striche selbstständig über die Leinwand zu wagen (dann sind es aber die Farben, die erkunden und sich auch mit anderen Farben vermischen, mit ihnen ineinanderlaufen, keinesfalls aber neue Grenzen erschließen, denn dein nächster Satz sagt es selbst:


Moment, das verstehe ich jetzt nicht. Du sagtest doch, du läsest nur, was da stände? Wie kommst du dann darauf, dass die Farben sich als Linien bewegten? Denn diese beiden Elemente habe ich nicht explizit miteinander verbunden. Die Striche könnten als solches auch schwarz sein und keinerlei Farbe besitzen, sodass die beiden unidentisch zu einander wären.

Nun magst du einwenden, ich sehe das viel zu naturalistisch, ich müsste es doch metaphorischer auffassen, dann würde ich es verstehen, aber ich kann eben erstmal nur lesen, was da steht und das ist schlicht unlogischer Blödsinn, so leid es mir tut. Und wenn ich für eine Metapher deren eigenes Bild so sehr beugen muss, dass nichts mehr stimmt, taugt die Metapher nicht. Sie muss naturalistisch plausibel bleiben.


Huch, warum wirst du denn gleich beleidigend? Meine Geschichte unsachlicher Weise als „unlogischen Blödsinn“ zu bezeichnen, macht deine Argumentation nicht plausibler.

Nein, ich „wende“ keinesfalls „ein“, dass du den Text zu „naturalistisch“ betrachtest; ich könnte höchstens „einwenden“, dass du keinerlei Fantasie oder Abstraktionsfähigkeit hast, aber das möchte ich nicht.

Ja, die Meister mögen Zuschauer ihrer eigenen Kunst sein, aus deinem Text ist das für mich aber nicht zu lesen


Ahm, du liest nicht, was da steht, hier auf jeden Fall nicht; da ist nämlich nur von einem Meister die Rede.

Insgesamt scheinen wir andere Auffassungen von Literatur zu haben, ich interpretiere und betrachte sie künstlerisch und fantasievoll; womöglich sind die Diskrepanzen so groß, dass es dir nicht möglich ist, die Geschichte zu verstehen.

Liebe Grüße,
die Traumwächterin
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Re: Der Gedankenkünstler

Beitragvon Antibegone » Do 08 Jan, 2009 20:06


Huhu sim :-)

Dasd hingegen ist beleidigend, denn nachdem du zuvor schreibst


Findest du? Hmm, das tut mir leid, wenn du das als beleidigend empfunden hast; das war nicht meine Absicht.

Man trenne doch bitte Text und Autor und setze vor allem voraus, dass eine kritische Aussage immer nur die Meinung des Rezensenten enthält. Wenn ich einen Text als unlogischen Blödsinn empfinde, ist es nicht beleidigend, dies auch zu schreiben, selbst, wenn ich nicht jedes Mal Floskeln wie "Ich empfinde den Text" oder "Für mich ist der Text" verwende, weil es eben selbstverständlich ist, dass ich nicht für andere oder für alle, sondern nur für mich spreche.


Du überrascht mich; wieder scheinst du nicht zu lesen, was da steht.
Also, in meinem Sprachgebrauch ist „unlogischer Blödsinn“ eine Beleidigung. Dabei habe ich nicht einmal gesagt, dass sie auf mich bezogen eine ist, sie ist es vielmehr in Hinblick auf den Text. Dementsprechend habe ich auch nicht geschrieben „Ich fühle mich beleidigt“.

Genau da haben wir es wieder, mein Lieblingsargument. Leser zu blöd, Autor in jedem Falle das Genie.


Habe ich auch nie geschrieben. Das waren meine Worte:

wobei ich nicht ausschließen will, dass dieser eben auch unverständlich ist.
Ich persönlich finde die Formulierungen durchaus präzise, sogar pointiert; aber ich weiß natürlich auch, was ich damit ausdrücken will, insofern sehe ich das keineswegs objektiv.


Ich wollte lediglich hervorheben, dass es dir unmöglich sein könnte, zu verstehen, was ich meine, weil wir anscheinend so anders denken. Das ist keine Beleidigung und im Übrigen auch nur eine Hypothese, sprachlich gekennzeichnet mit „womöglich“.
Dabei sage ich nicht, dass du dumm wärst; vielmehr, dass deine Verständnisschwierigkeiten auch ein generelles Problem des Texts sein könnten, das andere mglw. ebenso haben. Ich aus meiner Gedankenwelt heraus habe das natürlich nicht. Dies ist kein Abqualifizieren deiner Ansichten.

Also liebe Grüße aus den Niederungen der Dummheit in den Himmel


Insofern wollte ich dir auch keinen Anlass geben unsachlich oder zynisch zu werden.

Genau. Das ist das, was ich unter literarischer Genauigkeit verstehe.


Ein Beispiel für unsere divergierenden Ansichten; ich versteh unter literarischer Genauigkeit nämlich etwas anderes und habe im Gegensatz zu dir auch schon von personifizierten Körperteilen und Gegenständen gelesen – auch von professionellen Autoren, allein bei der Fabel von den Körperteilen, die Menenius Agrippa angeblich erzählt hatte.

Da wir uns anscheinend immer weiter vom Text entfernen, kannst du mir gerne weiter per PN schreiben. Wenn du ansonsten noch einen Kommentar, der sich auf die Geschichte bezieht, hinzufügen möchtest, bin ich dafür natürlich auch offen.

Liebe Grüße,
die Traumwächterin
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